Geowissen

Das Matterhorn schwingt

Resonanzeffekte lassen den Alpengipfel in regelmäßigem Takt hin und her schwingen

Matterhorn
Der Gipfel des Matterhorns bewegt sich ständig leicht hin und her. © Dominic Jeanmaire/ Getty images

Von wegen massiv und unbeweglich: Das Matterhorn in den Schweizer Alpen ist permanent in Bewegung, wie Messungen enthüllen. Demnach schwingt der 4.478 Meter hohe Gipfel des Berges ständig mehrere Nano- bis Mikrometer in Nord-Süd-Richtung hin und her. Diese Schwingungen entstehen durch einen Resonanzeffekt, der natürliche Mikroerschütterungen im Untergrund verstärkt. Je größer der Berg, desto stärker und langsamer fallen dieser Resonanzschwingungen am Gipfel aus, wie die Forscher erklären.

Berge, Felssäulen und andere Gebilde aus massivem Gestein wirken massiv und beständig – und sind es auch. Das aber ändert nichts daran, dass selbst massive Gesteinsformationen schwingen können, wie US-Forscher schon 2015 beim seismischen „Belauschen“ von Felsbögen in Utah feststellten. Der Grund für dieses „Summen“ der Felsen sind seismische Erschütterungen des Untergrunds, die vom Gestein der Felsbögen durch Resonanz verstärkt werden.

Installation
Anbringen der Sensoren am Gipfel des Matterhorns. © Jan Beutel

„Lauschangriff“ mit Sensoren am Gipfel

„Wir wollten wissen, ob sich solche Schwingungen auch an einem großen Berg wie dem Matterhorn nachweisen lassen“, sagt Erstautor Samuel Weber von der Technischen Universität München. Das 4.478 Meter hohe Matterhorn ist einer der höchsten Berge der Alpen und für seinen markanten Gipfel bekannt. Gleichzeitig steht der Berg schon seit längerem unter genauer Überwachung durch Sensor-Messnetze, um unter anderem Felsstürze besser vorhersagen zu können.

Die Erfahrung ihrer Schweizer Kollegen mit diesen Messnetzen haben sich Weber und sein Team nun zunutze gemacht, um weitere Sensoren am Gipfel des Matterhorns und im Solvay-Biwak, einer Notunterkunft am Nordostgrat anzubringen. Eine weitere Messstation am Fuß des Berges diente als Referenz. Die Seismometer zeichneten alle Bewegungen des Berges mit hoher Auflösung auf.

Das Matterhorn bewegt sich

Die Auswertung der Messdaten enthüllte: Der Gipfel des Matterhorns schwingt ständig um mehrere Nanometer bis Mikrometer hin und her. Diese Schwingungen haben eine Frequenz von 0,42 Hertz und laufen in Nord-Südrichtung, eine zweite Schwingung verläuft mit ähnlicher Frequenz in Ost-West-Richtung. Beschleunigt man diese Schwingungen um das rund 80-Fache, werden sie sogar als Summen hörbar.

Ursache dieser für uns Menschen nicht spürbaren Bewegung des Berges ist wie bei den Felsbögen in Utah ein Resonanzeffekt: Im Untergrund sorgen die fernen Gezeiten der Meere, der Wind, leichte Erdbeben und auch menschliche Aktivität ständig für winzige Erschütterungen. Diese mikroseismischen Schwingungen werden vom Gestein des Berges aufgenommen und in der Frequenz verstärkt, die der Eigenschwingung des Materials entspricht.

Berggröße bestimmt Schwingungsfrequenz

Beim Matterhorn sorgen Größe, Gesteinsbeschaffenheit und Struktur dafür, dass die Schwingungen vom Fuß des Berges bis zum Gipfel um das bis zu 14-Fache verstärkt werden. Hinzu kommt, dass der Gipfel frei schwingen kann, während der Fuß des Bergs fixiert ist. Wie sich die seismischen Wellen im Berg ausbreiten und verstärken, haben die Forscher in einer Simulation rekonstruiert. „Es war spannend zu sehen, dass unsere Simulationen auch für einen großen Berg wie das Matterhorn funktionieren und die Messresultate diese bestätigen“, sagt Koautor Jeff Moore von der University of Utah.

Welche Rolle die Größe eines Berges spielt, demonstrieren Vergleichsmessungen, die der Schweizer Erdbebendienst am Großen Mythen durchgeführt hat. Dieser Gipfel in der Zentralschweiz besitzt eine ähnliche Form wie das Matterhorn, ist aber deutlich kleiner. Wie erwartet schwingt dieser Berg mit einer rund viermal höheren Frequenz als das Matterhorn, denn kleinere Objekte schwingen schneller als große.

Hinweis auf Stabilität der Felsen

Die Messung solcher Schwingungen ist aber nicht nur für die Grundlagenforschung interessant – sie kann auch viel über den Zustand des Berges verraten. „Wir vermuten, dass Gebiete, in denen die Bodenvibrationen verstärkt werden, anfälliger für Rutschungen und Felsstürze sein könnten, wenn ein Berg von einem Erdbeben erschüttert wird“, erklärt Moore.

Die Analyse der seismischen Bodenunruhe und der Erdbebenanregungen wird deshalb genutzt, um Fels- und Hanginstabilitäten in Bezug auf ihr Verhalten bei Erdbeben zu beurteilen. (Earth and Planetary Science Letters, 2021; doi: 10.1016/j.epsl.2021.117295)

Quelle: Technische Universität München

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