Explosives Finale: Zum ersten Mal haben Astronomen das dramatische Ende eines Roten Überriesen nahezu lückenlos mitverfolgt. Sie beobachteten den sterbenden Stern in den letzten 130 Tagen vor seiner Explosion und sahen dann die Supernova und ihre Nachwehen. Ihre multispektralen Daten enthüllen, dass der Riesenstern vor seinem Ende ungewöhnlich aktiv war und immer wieder starke Strahlung und Material ausschleuderte. Von anderen Supernova-Vorgängersternen war dies nicht bekannt.
Wenn massereiche Sterne das Ende ihres Lebenszyklus erreichen, blähen sie sich zu einem Roten Riesen auf. Weil sich seine Kernfusion zunehmend vom Kern in die äußeren Schalen verlagert, wird der Kern immer stärker komprimiert, die Hülle aber von der starken Strahlung nach außen gedrückt. Wird dieses Ungleichgewicht zu groß, kommt es zur Explosion: Der Kern des Sterns kollabiert und es entsteht eine Supernova.
Was passiert vor der Supernova?
Doch so häufig diese Sternexplosionen im Kosmos auch sind: Was in den Tagen, Wochen und Monaten vor einer solchen klassischen Supernova passiert, haben Astronomen bisher nur in Ausschnitten beobachten können. „Das Verhalten massereicher Sterne in den finalen Jahren ihrer Entwicklung liegt daher fast vollständig im Dunkeln“, erklären Wynn Jacobson-Galán von der University of California in Berkeley und seine Kollegen.
Dank eines kosmischen Glücksfalls ist es dem Team nun erstmals gelungen, die letzten 130 Tage eines Roten Überriesen kontinuierlich zu dokumentieren. Der Stern lag rund 120 Millionen Lichtjahre entfernt in der Galaxie NGC 5731 und war rund zehnmal massereicher als unsere Sonne. Weil der Überriese schon vor seiner Supernova sehr hell war und immer wieder große Strahlenmengen freisetzte, nahmen Astronomen ihn mit dem Pan-STARRS-Teleskop auf Hawaii ab Sommer 2020 nahezu kontinuierlich ins Visier.
Erste Beobachtung der letzten 130 Tage
Am 6. September 2020 war es dann soweit: Der Rote Überriese explodierte in einer Kernkollaps-Supernova. „Zum ersten Mal haben wir direkt dabei zugesehen, wie ein Roter Überriese explodiert!“, sagt Jacobson-Galán. „Noch nie zuvor wurde die Aktivität eines solchen Riesensterns mitverfolgt, bevor er in einer Typ-II-Supernova explodiert. Das ist ein echter Durchbruch in unserem Wissen darüber, was massereiche Sterne in den letzten Augenblicken vor ihrem Tod tun.“
Den hellen Blick der Sternexplosion registrierten gleich mehrere Teleskope weltweit. Dadurch konnte das Astronomenteam die Lichtkurve und das Spektrum der SN 2020tlf getauften Supernova in verschiedenen Wellenbereichen detailliert analysieren. Die Strahlenemissionen während und nach der Explosion lieferten ihnen weitere wichtige Informationen über den Vorgängerstern und sein Verhalten.
Sterbender Stern ist außergewöhnlich aktiv
Die Daten enthüllten unter anderem, dass der Rote Überriese vor seiner Explosion rund 5.000 Kelvin heiß war und den 1.500-fachen Radius der Sonne besaß. Allein in den letzten Tagen vor der Supernova emittierte der Rote Überriese Strahlungsenergie von rund 1047 erg. Aus der den Merkmalen der Explosion geht zudem hervor, dass das während des Sommers ausgestoßene Material eine ungewöhnlich dichte Schale um den sterbenden Stern bildete.
Damit war der Rote Überriese vor seiner Supernova außergewöhnlich aktiv und setzte zuvor noch nicht beobachtete Mengen an Strahlung und Material frei. „SN 2020tlf ist die erste Sternexplosion mit der typischen Lichtkurve und dem Spektralverhalten einer Typ-II-Supernova, für deren Vorgängerstern ein solcher Ausstrom nachgewiesen ist“, berichten die Astronomen. Eine so starke Aktivität in einem sterbenden Überriesen habe man zuvor noch nie beobachtet.
Suche nach einer Erklärung
Nach Ansicht des Forschungsteams spricht dies dafür, dass zumindest einige dieser massereichen Sterne in ihrer letzten Lebensphase signifikante Veränderungen durchlaufen. „Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass entweder Schwerewellen von der Neon/Sauerstoff-Fusion oder aber ein Flash aus der Verbrennung von Silizium im Kern zu einem Energieschub in der Sternenhülle führte“, schreiben Jacobson-Galán und sein Team.
Diese plötzliche Energiezufuhr löste dann den verstärkten Auswurf von stellarem Material aus der Hülle des Roten Überriesen aus. Bisher allerdings ist dies nur eine Hypothese – ob dies tatsächlich die ungewöhnliche Leuchtkraft und Aktivität des sterbenden Sterns erklärt, ist noch offen. „Ich bin begeistert von all diesen neuen Unbekannten, die diese Entdeckung enthüllt hat“, sagt Jacobson-Galán.
„Wenn wir künftig noch mehr Ereignisse wie SN 2020tlf entdecken, könnte dies unser Bild von den letzten Lebensmonaten der Sterne dramatisch verändern“, so der Astronom weiter. „Beobachter und Theoretiker mache sich nun gemeinsam daran, das Rätsel um die finalen Momente im Leben massereicher Sterne zu lösen.“ (The Astrophysical Journal, 2022; doi: 10.3847/1538-4357/ac3f3a)
Quelle: W. M. Keck Observatory