Auf frischer Tat erwischt: Astronomen haben ein seltenes kosmisches Ereignis beobachtet – den nahen Vorbeiflug eines Sterns an einem jungen Planetensystem. Der vorbeiziehende Stern erzeugte sichtbare Turbulenzen in der Staubscheibe von Z Canis Majoris und zog ein langes Gas- und Staub-Filament hinter sich her. Spannend ist dieses Ereignis unter anderem deshalb, weil auch das Sonnensystem solche Sternpassagen erlebt haben könnte.
Sterne werden selten einzeln geboren, meist entstehen sie in dichte Ansammlungen mehrere Jungsterne. Als Folge kann es gerade in ihrer Anfangszeit häufiger zu nahen Begegnungen unter ihnen kommen. Solche stellaren Flybys erzeugen Schwerkraftturbulenzen, die die Entwicklung eines jungen Sterns und vor allem seiner Planeten stark beeinflussen können. Gängiger Theorie nach könnte eine solche Sternpassage am Sonnensystem unter anderem die Bahnen von Kometen, vielleicht sogar der äußeren Planeten beeinflusst haben.
Rätselhafter Ausläufer
Doch bisher ist es Astronomen nur sehr selten gelungen, solche Sternpassagen zu beobachten. Jetzt jedoch hat ein Team um Ruobing Dong von der University of Victoria in Kanada einen Stern quasi auf frischer Tat ertappt. Aufgefallen ist er, als die Astronomen das rund 3.750 Lichtjahre entfernte Doppelsternsystem Z Canis Majoris mit den Radioteleskopen des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) und des Very Large Array (VA) näher untersuchten.
Dieses Sternsystem in der Konstellation Großer Hund ist erst rund eine Million Jahre alt und noch von einer großen protoplanetaren Scheibe aus Gas und Staub umgeben. Von dieser Scheibe geht im Südwesten ein auffallender Ausläufer in Form eines langen Filaments aus. „Der Ursprung dieses Ausläufers ist seit langem ein Rätsel“, erklären die Astronomen. Man hat es je nach Hypothese als Folge eines molekularen Ausstroms, als von Schwerkraft-Instabilitäten erzeugte Spiralarm oder als Relikt einer eingefangenen Gaswolke angesehen.“
Lichtpunkt verrät möglichen „Täter“
Die neuen Beobachtungen mit ALMA und dem VLA enthüllten jedoch eine zuvor übersehene Komponente: Rund 4.700 astronomische Einheiten vom Doppelstern entfernt entdeckten die Forschenden einen kleinen Lichtpunkt, der genau in der Verlängerung des rätselhaften Ausläufers lag. „Diese neuentdeckte Lichtquelle C deutet auf ein weiteres Szenario hin, das wir als wahrscheinlichsten ansehen: C könnte ein junges stellares Objekt sein, dass kürzlich eine nahe Passage an Z Canis Majoris vollführt hat“, so das Team.
Dieser Vorbeiflug des Jungsterns könnte erklären, wie der lange Ausläufer aus Gas und Staub entstanden ist: Die Passage des stellaren Objekts löste Schwerkraftturbulenzen aus, die einen Teil des Materials aus der protoplanetaren Scheibe des jungen Doppelsterns mitrissen. „Der Ausläufer ist demnach eine Struktur, die durch diese Interaktionen entstanden ist“, erklären Dong und seine Kollegen.
Im 45 Grad-Winkel vorbeigerast
Ergänzenden Simulationen zufolge muss das stellare Objekt in einem 45 Grad Winkel und auf einer parabolischen Bahn auf das Sternsystem und seine Staubscheibe zugerast sein. Der Jungstern bewegte sich dabei prograd – in der gleichen Richtung wie die rotierende Scheibe, weil eine retrograde Passage weit schwächere Effekte auslöst, wie das Team erklärt. Die Passage erfolgte dann in einem Abstand von rund 3.000 astronomischen Einheiten vom Zentrum des Systems – und damit gut 2.000 AE vom Rand der Staubscheibe entfernt.
Dennoch reichten die Schwerkrafteffekte aus, um zwei spiralförmig von der Scheibe ausgehende Ausläufer aus dem Sternsystem zu reißen. „Diese Arme liegen in verschiedenen Ebenen und sind daher unterschiedlich stark beleuchtet“, erklären die Astronomen. Deshalb ist nur der uns stärker zugewandte Arm in den Teleskopaufnahmen als Ausläufer erkennbar. Gleichzeitig erklärt die Sternpassage auch, warm der junge Doppelstern besonders viele Strahlenausbrüche zeigt – auch das kann durch Schwerkraftturbulenzen ausgelöst werden.
Rückblick auf Vergangenheit unseres Sonnensystems
„Unsere Entdeckung zeigt, dass nahe Begegnungen zwischen jungen Sternen nicht nur in Simulationen passieren, sondern auch in Wirklichkeit“, sagt Dong. „Frühere Beobachtungen haben zwar schon potenzielle Flybys gesehen, aber sie konnten nicht so viele Details und Belege beobachten wie wir bei Z Canis Majoris.“ Die Beobachtungen tragen dazu bei, mehr über die Folgen solcher Sternpassagen zu verraten und vor allem über die Konsequenzen, die solche Ereignisse auf die Entwicklung möglicher Planeten in den gestörten Systemen haben.
„Diese Art von Ereignissen zu erforschen, öffnet uns auch ein Fenster in die Vergangenheit, unter anderem auf die Entwicklungen, die in den Anfängen unseres eigenen Sonnensystems stattgefunden haben könnten“, sagt Dong. Während deren Spuren längst verschwunden sind, lässt sich das mögliche Geschehen nun an anderen Sternsystemen nachvollziehen. „Wir können dann sagen: Aha! Dies ist es, was vor langer Zeit in unserem eigenen Sonnensystem passiert ist“, so der Astronom. (Nature Astronomy, 2022; doi: 10.1038/s41550-021-01558-y)
Quelle: National Radio Astronomy Observatory