Technik

Durchbruch für Silizium-Quantencomputer

Siliziumbasierte Quantenbit-Schaltkreise erreichen erstmals mehr als 99-prozentige Zuverlässigkeit

Qubits
Forscher haben erstmals Quanten-Schaltkreise auf Silizium-Basis entwickelt, die die für Quantencomputer nötige Zuverlässigkeit besitzen. © Tony Melov / UNSW

Eine entscheidende Hürde auf dem Weg zu Silizium-Quantencomputern ist genommen: Gleich drei Teams haben erstmals Quanten-Schaltkreise in Silizium konstruiert, die den Grenzwert von mindestens 99 Prozent Zuverlässigkeit deutlich übertreffen. Damit rücken siliziumbasierte Quantenrechner zu den bisher gängigen Quantensystemen auf und könnten sie in puncto Skalierbarkeit und Stabilität künftig sogar überflügeln, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Quantencomputer sind längst keine Zukunftsmusik mehr: Erste Quantensysteme haben bereits unter Beweis gestellt, dass sie Aufgaben schneller lösen können als herkömmliche Rechner. Und Firmen wie Google und IBM bieten schon die kommerzielle Nutzung ihrer Quantencomputer an. Als Recheneinheiten nutzen diese Systeme entweder Quantenbits aus supraleitenden Quasiteilchen oder in Magnetfallen gefangenen Ionen.

Doch dies hat Nachteile: Die Qubits sind relativ groß und störanfällig – ihr Zustand bleibt meist nur rund 100 Mikrosekunden stabil. Dies erhöht die Fehlerrate und erschwert es, die Quantencomputer auf mehr Qubits und höhere Leistungen zu erweitern – bisher liegt der Rekord bei 127 Qubits.

Nature-Cover
Die neuen Quantensysteme zieren das Titelbild der aktuellen „Nature“-Ausgabe. © Nature

Silizium statt Supraleitern oder Ionen

Abhilfe schaffen könnten Quantencomputer auf Siliziumbasis. Denn der Halbleiter, aus dem klassische Computerchips bestehen, ermöglicht besonders kleine, stabile und gut abgrenzbare Qubits. Diese Quantenpunkte bestehen aus einzelnen Atomen oder Elektronen, deren Spin-Richtung als digitale Null oder Eins dienen kann. In den letzten Jahren ist es bereits gelungen, solche Silizium-Quantenbits bei praktikablen Temperaturen einzeln anzusteuern und bis zu 35 Sekunden kohärent zu halten.

„In der Quantenwelt sind 35 Sekunden eine halbe Ewigkeit“, erklärt Andrea Morello von der University of New South Wales. Das Problem jedoch: Bisherige Quantensysteme auf Siliziumbasis sind zu fehleranfällig. Zwar erreichen einzelne Silizium-Qubits eine Zuverlässigkeit von 99,9 Prozent. Werden zwei davon jedoch zu einem logischen Gatter kombiniert, sinkt die Fehlertoleranz unter die Schwelle von 99 Prozent, die für korrektes Rechnen als nötig gilt.

Elektronenspins und Fremdatome

Doch das hat sich nun geändert: Gleich drei Forschergruppen haben unabhängig voneinander siliziumbasierte Quantenschaltkreise entwickelt, die mehr als 99 Prozent Zuverlässigkeit erreichen.
Zwei dieser Systeme nutzen die Spins einzelner Elektronen in einer Silizium-Germanium-Matrix als Quantenpunkte. Die Qubits des dritten Systems werden durch Spins von Phosphor-Fremdatomen im Silizium erzeugt. Alle drei Teams verwendeten magnetische Felder, um das Verhalten der Spins und damit der Qubits zu kontrollieren.

Die Forscher kombinierten jeweils zwei ihrer Qubits zu logischen NOT- und CNOT-Gattern und testeten dann mithilfe von standardisierten Algorithmen die Leistung und Fehleranfälligkeit der Systeme. Das Ergebnis: Die Zwei-Qubit-Gatter erreichten eine Zuverlässigkeit zwischen 99,35 und 99,65 Prozent wie die drei Teams berichten. „Wenn Fehler so selten werden, können wir sie detektieren und korrigieren, sobald sie auftreten“, erklärt Morello, der Leiter eines der drei Forschungsteams.

Quanten-Schaltkreis
Morello und sein Team nutzten zwei Phosphor-Fremdatome und ein Elektron als Basis für ihren Quanten-Schaltkreis. © Tony Melov / UNSW

Vom Qubit zum logischen Gatter

Für ihre Quantenschaltkreise bauten Morello und sein Team auf früheren Experimenten mit in das Silizium eingeschleusten Phosphoratomen als Qubits auf. „Zwei-Qubit-Operationen damit sind nicht trivial, weil diese beiden Atome nicht direkt miteinander verkoppelt werden können“, erklären die Forscher. Um trotzdem ein logisches Gatter zu konstruieren, nutzten sie ein zusätzliches Elektron als Vermittler. Beide Phosphor-Qubits lassen sich mit diesem Elektron verschränken und ermöglichen so eine Verschaltung.

Eine andere Technologie verwendeten die beiden Teams um Akito Nori vom RIKEN-Forschungszentrum in Japan sowie Xiao Yue von der Technischen Universität Delft. Ihre Qubits bestehen aus einzelnen Elektronen in einer heterogenen Matrix aus mit Germanium angereichertem Silizium und reinem Silizium. Für die logischen Gatter brachten sie die Quantenpunkte so nahe aneinander, dass ihre Spins in Wechselwirkung traten und eine Verschränkung möglich wurde.

Um ihre Systeme und deren Fehleranfälligkeit zu testen, ließen die drei Forschergruppen ihre Silizium-Quantenrechner mehrere standardisierte Algorithmen umsetzen – mit Erfolg. In allen drei Fällen erwiesen sich die Qubit-Gatter als zuverlässig und operabel.

Silizium-Quantencomputer rücken auf

Nach Ansicht der Wissenschaftler belegen diese Fortschritte, dass auch siliziumbasierte Quantencomputer die nötige Fehlertoleranz erreichen können. „Die präsentierten Ergebnisse machen Spin-Qubits erstmals in Bezug auf ihre Leistung wettbewerbsfähig gegenüber supraleitenden Schaltkreisen und Ionenfallen“, sagt Seigo Tarucha vom RIKEN-Forschungszentrum. „Dies demonstriert, dass Silizium-Quantencomputer vielversprechende Kandidaten auch für großskalige Quantenrechner sind.“

Ähnlich sehen es auch Ada Warren und Sophia Economou vom Virginia Polytechnic Institute. In einem begleitenden Kommentar in „Nature“ schreiben sie: „Die Resultate aller drei Gruppen bringen die siliziumbasierte Quanten-Informationsverarbeitung einen Schritt näher an eine praktisch nutzbare Quantencomputer-Plattform – ein Status, den bisher nur wenige andere Systeme darunter supraleitende Qubits und Ionenfallen erreicht haben.“ (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-021-04182-y; doi: 10.1038/s41586-021-04273-w; doi: 10.1038/s41586-021-04292-7)

Quelle: RIKEN, University of New South Wales

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