Indiz für Leben? Der Marsrover „Curiosity“ hat Marssedimente mit ungewöhnlichen Isotopenwerten entdeckt – und Forscher suchen nun nach einer plausiblen Erklärung. Denn an mindestens sechs Probenstellen im Gale-Krater ergaben die Analysen extrem geringe Anteile des Kohlenstoff-Isotops C13. Eine mögliche Erklärung für solche Werte wäre die einstige Präsenz von Leben, aber auch abiotische Prozesse kommen in Frage. Bei jedem der drei denkbaren Szenarien bleiben aber Fragen offen.
Gab es auf dem Mars einst Leben? Bisher gibt es auf diese Frage keine eindeutige Antwort. Zwar war der Rote Planet in seiner Frühzeit lebensfreundlicher und könnte sogar Ozeane besessen haben. Ob aber diese habitable Phase ausreichte, um Organismen entstehen zu lassen, ist offen. Als mögliche Indizien für eine vergangene biologische Aktivität gelten organische Verbindungen wie Chlormethan, Dimethylsulfat oder Thiophen. Diese Moleküle werden auf der Erde oft von Mikroben produziert, können allerdings auch rein geochemisch entstehen. Ähnliches gilt für marsianisches Methan.
Rover als Isotopen-Labor
Entscheidende Hinweise auf den Ursprung dieser marsianischen Kohlenstoffverbindungen kann ihr Isotopengehalt geben. Denn er unterscheidet sich je nach Syntheseweg: Auf der Erde nutzen Organismen bevorzugt das leichtere Kohlenstoff-Isotop 12C und bauen es in ihre Gewebe ein. Daher gilt organisches Material mit im Verhältnis zu Atmosphäre und Grundgestein wenig 13C als potenziell biogen.
Um herauszufinden, wie es in dieser Hinsicht mit den marsianischen Kohlenstoffverbindungen aussieht, hat der NASA-Rover „Curiosity“ im Laufe seiner Erkundung des Gale-Kraters mehr als 30 Bohrproben von unterschiedlichen Stellen und Gesteinen entnommen. 24 dieser Proben wurden vom SAM-Instrument des Rovers chemisch analysiert und mithilfe des Laserspektrometers auch auf ihren Isotopengehalt hin untersucht. Ein Team um Christopher House von der Pennsylvania State University hat diese Daten nun ausgewertet.
Ungewöhnlich verarmt
Das überraschende Ergebnis: Die marsianischen Proben wiesen nicht nur sehr unterschiedliche Isotopengehalte auf – zehn Proben enthielten auch ungewöhnlich wenig 13C-Kohlenstoff. „Diese Proben von sechs verschiedenen Probenstellen hatten 13C-Werte von weniger als minus 70 Promille“, berichten House und sein Team. Zum Vergleich: Die Werte der Mars-Atmosphäre für dieses Isotop liegen bei plus 46 Promille.
Das bedeutet: Diese Proben weisen weit weniger 13C auf als zu erwarten wäre. „Auf der Erde würden wir ein solches Kohlenstoff-Signal als biologischen Ursprungs einstufen“, erklärt House. „Aber auf dem Mars müssen wir anders vorgehen. Wir müssen erst noch verstehen, ob die gleichen Erklärungen auch auf dem Roten Planeten gültig sind oder ob es andere Prozesse gibt, denn der Mars ist in vieler Hinsicht anders.“
Szenario 1: Interstellarer Staub
Auf der Suche nach einer Erklärung haben die Wissenschaftler drei Szenarien näher untersucht. Im ersten hat der Kohlenstoff einen kosmischen Ursprung: „Im Schnitt einmal alle 100 Millionen Jahre bewegt sich das Sonnensystem durch eine molekulare Staubwolke“, erklären sie. Dabei kommt es zu einem verstärkten Einstrom von kohlenstoffhaltigem, in Bezug auf 13C verarmtem Staub auf die Erde. „Analysen von interstellarem Staub aus dem Allende-Meteoriten ergaben 13C-Werte von minus 206 Promille“, berichten die Forscher.
Theoretisch wäre es demnach denkbar, dass der Mars eine „Dusche“ mit diesem interstellaren Staub abbekam, der sich auf Eis und Gletschern ablagerte. Dazu würde passen, dass die ungewöhnlichen Isotopenwerte vor allem in Proben aus ehemaligen Oberflächenschichten stammten. Die bei der Analyse freigesetzten Atome könnten dann aus organischen Molekülen dieses interstellaren Staubs gekommen sein.
Szenario 2: Photochemische Reaktion
Ein zweites Szenario wären photochemische Reaktionen von Kohlendioxid oder Methan in der Marsatmosphäre. Unter dem Einfluss des energiereichen UV-Lichts der Sonne könnten diese Reaktionen zur abiotischen Bildung und Ablagerung organischer Moleküle geführt haben. Aus Laborversuchen ist bekannt, dass solche Reaktionen zur selektiven Anreicherung schwererer Kohlenstoffisotope führen können.
Allerdings sind die von Curiosity gemessenen Abweichungen zu stark, um allein durch diese Methan-Reaktionen erklärt zu werden. Etwas besser passen die Isotopenwerte zur photochemischen Umwandlung von Kohlenmonoxid in organische Verbindungen wie Formaldehyd. „Es gibt Studien, die diese Art von Fraktionierung unter UV-Strahlung postulieren“, sagt House. Allerdings fehlen bisher experimentelle Belege für ein solches Szenario.
Szenario 3: Marsianisches Leben
Eine dritte Erklärung wäre die einstige Existenz von Leben auf dem Mars: Ähnlich wie auf der Erde könnten methanoxidierende Mikroben organische Verbindungen erzeugt haben. Aus Messungen von Orbitersonden und Rovern weiß man, dass auch auf dem Mars Ausgasungen von Methan vorkommen – auch wenn deren Ursprung noch unbekannt ist. Potenzielle Marsmikroben könnten dann dieses Methan in ihre Zellen eingebaut haben. Diese biogenen organischen Verbindungen blieben dann als Rückstand im Marssediment erhalten.
„Dieses Szenario könnte auch erklären, warum viele Proben mit stark negativen 13C-Werten auch reduzierten Schwefel enthielten“, so House und seine Kollegen. Denn auf der Erde ist die anaerobe Methanoxidation durch marine Bakterien meist mit der chemischen Reduktion von Sulfat verknüpft. Allerdings: Auch dieses Szenario kann die starke Verarmung an 13C nur in Teilen erklären und wirft die Frage auf, woher das dafür nötige Methan kam.
Hinzu kommt: „Es gibt keine sedimentologischen Belege, die eine mikrobielle Methanotrophie auf den einstigen Marsoberflächen stützen würden“, konstatiert das Forschungsteam. Denn anders als bei vielen Fundorten auf der Erde finden sich keinerlei Hinweise auf urzeitliche Bakterienmatten oder andere Lebensspuren.
Entscheidung offen
Zusammenfassend kommen House und seine Kollegen zu dem Schluss, dass alle drei Erklärungen denkbar sind. Gleichzeitig bleiben aber bei allen Szenarien Fragen offen. „Auf Basis des aktuellen Wissensstands wird es schwer herauszufinden sein, welches dieser drei Szenarien den Ereignissen entspricht, die sich vor Milliarden Jahren auf dem Roten Planeten abgespielt haben“, sagt House. „Wir brauchen einfach noch mehr Daten, um sie zu bestätigen oder zu widerlegen.“
Klar scheint aber schon jetzt, dass es auf dem Mars andere Reaktionen und Prozesse gab als auf der Erde. „Alle Szenarien deuten auf einen Kohlenstoffkreislauf hin, der sich deutlich von dem auf der heutigen Erde unterscheidet“, so House. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2022; doi: 10.1073/pnas.2115651119)
Quelle: NASA/ Jet Propulsion Laboratory, Pennsylvania State University, PNAS