Skurriler Effekt: Wenn künftige Mars-Drohnen auch im Dunkeln auf dem Roten Planeten fliegen, könnten sie dabei ein geisterhaft blau-grünes Licht ausstrahlen. Hinter diesem Leuchten steckt ein elektrischer Effekt, den die Reibung von Staubkörnchen an den sich drehenden Rotorblättern verursacht, wie Forscher berichten. Dabei reicht in der dünnen Marsatmosphäre schon eine geringe triboelektrische Aufladung aus, um eine wahre Elektronenkaskade freizusetzen – und diese bewirkt das Leuchten.
Den Effekt kennen wir vom elektrischen Schlag beim Anfassen der Türklinke oder von der Aufladung der Haare nach dem Reiben an einem Luftballon: Durch Reibung können sich leitfähige Materialien elektrisch aufladen. Der triboelektrische Effekt lässt sich zur Stromerzeugung nutzen, beispielsweise in Bandgeneratoren oder in Form winziger Nanogeneratoren in Schuhsohlen oder der Kleidung. Im Extremfall kann sich diese Energie aber auch durch überspringende Funken oder ein diffuses Leuchten entladen.
Staubkörnchen laden Rotorblätter auf
Auch bei Hubschraubern kann eine solche Reibungs-Elektrizität auftreten: „Sie entwickelt sich durch die triboelektrische Aufladung der Rotorblätter, wenn diese mit Aerosolen und Schwebteilchen in der Atmosphäre kollidieren“, erklären William Farrell vom Goddard Space Flight Center der NASA und seine Kollegen. Dieser Effekt ist in staubiger oder von Eiskristallen durchsetzten Luft am stärksten. Bei Helikoptern, die über sandigem Terrain schweben, wurden schon elektrische Potenziale von mehr als 100 Kilovolt gemessen.
Auf der Erde hat das keine sichtbaren Folgen, doch in der dünnen Atmosphäre des Mars könnte das anders sein, wie das Forscherteam herausgefunden hat. Sie haben im Laborversuch und mithilfe von Modellsimulationen untersucht, ob und wie stark sich die Rotorblätter des Mars-Helikopters „Ingenuity“ beim Flug über das Mars-Terrain aufladen – und welche Folgen dies hätte. Denn obwohl die Gashülle des Roten Planeten sehr dünn ist, enthält sie besonders in Bodennähe viele Schwebteilchen, wie Messungen ergeben haben.
Reicht es für eine Gasentladung?
Die Experimente ergaben: Unter den Bedingungen der Marsatmosphäre und mit Rotoren nach Bauart des Mars-Helikopters reichen schon 30 Sekunden des Betriebs aus, um die Rotorblätter aufzuladen. „Das elektrische Feld auf den flachen Oberflächen erreicht dann rund 36 Kilovolt pro Meter“, berichten Farrell und sein Team. Für die Marsdrohne sei dies kein Problem, ihre elektrischen Systeme seien durch eine solche Aufladung nicht gefährdet.
Dafür kann diese triboelektrische Aufladung aber weitere, möglicherweise sichtbare Effekte auslösen. Denn wenn die Spannung einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, kommt es zu einem Überspringen auf die umgebende Atmosphäre. Das elektrische Feld ionisiert dann die Elektronen der Gasmoleküle und mobilisiert sie. Dadurch entsteht eine Kaskade von Elektronen – eine Gasentladung. Je nach Stärke kann diese Entladung ein diffuses Glimmen auslösen oder sich als klar abgegrenzter Funke manifestieren.
Geisterhaftes Leuchten
Genau dies kann auch auf dem Mars passieren, wie die Wissenschaftler herausfanden. Die Aufladung der Rotorblätter bei Ingenuity reicht demnach aus, um eine Gasentladung auszulösen. „Ein solche atmosphärische Entladung ist vor allem beim Abheben und bei der Landung möglich, wenn Staub aufgewirbelt wird“, so das Team. Im Dunkeln könnte die Entladung dann als schwaches bläuliches Leuchten sichtbar sein.
Möglich wird dies, weil die Marsatmosphäre nur ein Hunderstel so dicht ist wie die irdische. Dadurch wird die Elektronenkaskade weniger stark durch Gasmoleküle gebremst und die Reichweite der Entladung steigt, wie Farrell und seine Kollegen erklären. Während ein elektrisches Feld in der Erdatmosphäre rund 3.000 Kilovolt pro Meter erreichen muss, um die Schwelle zum Leuchten zu überschreiten, reichen in der dünnen Marshülle schon 230 Kilovolt pro Meter aus – und das schaffen Ingenuitys Rotoren.
Nachweis bei künftigen Marsflügen
Ob der kleine Mars-Helikopter wirklich im Dunkeln leuchtet, ließ sich bisher nicht feststellen, weil seine Testflüge alle während des Tages stattfanden. „Ob die Elektronenkaskade wirklich stark genug ist, um ein solches Leuchten zu verursachen, und ob dieses Leuchten sichtbar wäre, müssen daher künftige Drohnenflüge auf dem Mars zeigen“, sagt Farrrell. Denkbar wäre aber durchaus dass künftige Marsdrohnen bei Nachtflügen ihre eigene Lichtaura erzeugen.
Zusätzlich schlägt Farrell vor, kleine Elektrometer an den Roten den Beinen solcher Drohnen anzubringen, um den Effekt zu messen. „Diese elektrischen Messungen könnten sowohl vo wissenschaftlichem Wert sein als auch wichtige Informationen über den Zustand und mögliche Gefährdungen der Drohnen liefern“, sagt der Forscher. (The Planetary Journal, 2022; doi: 10.3847/PSJ/abe1c3)
Quelle: NASA