Größenlücke enträtselt? Astronomen haben erstmals zwei Mini-Neptune beobachtet, die große Mengen ihrer Gashülle verlieren. Diese Ausgasung könnte dazu führen, dass nur noch der steinige Kern der beiden Exoplaneten übrig bleibt und zur Supererde wird, wie das Team im „Astronomical Journal“ berichtet. Dieser Prozess könnte möglicherweise erklären, warum es im All kaum Zwischenformen zwischen den gasreichen Sub-Neptunen und den deutlich kleineren steinigen Supererden gibt.
Exoplaneten scheint es in allen Varianten und Größen zu geben: vom kalten Winzling über lebensfreundliche Supererden und reine Wasserwelten bis hin zum extrem heißen Gasriesen. Auch einige erdgroße Planeten in der habitablen Zone haben Astronomen schon aufgespürt. Doch inmitten dieser Planetenvielfalt klafft eine auffallende Größenlücke: Es gibt so gut wie keine Exoplaneten zwischen den steinigen Supererden mit bis zu 1,75-facher Erdgröße und den gasreichen Mini-Neptunen mit zwei- bis vierfacher Erdgröße.
Junger Mini-Neptun verliert Gas
Aber warum? Eine mögliche Erklärung könnten nun zwei junge Mini-Neptune um nahe Sterne liefern. Einer davon, HD 63433c, umkreist gemeinsam mit einem inneren Kompagnon einen jungen sonnenähnlichen Stern in 73 Lichtjahre Entfernung. Ein Team um Michael Zhang von California Institute of Technology in Pasadena hat diese Mini-Neptune mit den Spektrometern des Hubble-Weltraumteleskop beim Transit vor ihrem Stern beobachtet.
Die Analysen zeigten: Der äußere Mini-Neptun hat eine stark aufgeblasene Gashülle, die mindestens zwölf Planetenradien weit ins All hinaus reicht. Am Spektrum war zu erkennen, dass diese Hülle zudem große Mengen an Wasserstoffgas verliert. Dieser Wasserstoff rast mit bis zu 50 Kilometern pro Sekunde ins All hinaus und bildet dort eine weit hinausreichende Gasspur, wie die Astronomen beobachteten.
Erste Belege für Atmosphärenverlust
Eine ähnliche Ausgasung beobachteten Zhang und seine Kollegen auch bei einem zweiten Planetensystem in rund 103 Lichtjahre Entfernung. Dort umkreisen ebenfalls zwei Mini-Neptune den jungen, erst 600 Millionen Jahre alten Stern TOI 560 (auch als HD 73583 bekannt). Als sie die Transits dieser Planeten mit den Teleskopen des Keck-Observatoriums auf Hawaii beobachteten, stellten sie beim inneren der beiden Sub-Neptune einen deutliche Ausstrom von heliumreichen Gasen fest.
„Die meisten Astronomen haben schon vermutet, dass junge Mini-Neptune ihre Atmosphären verlieren könnten“, sagt Zhang. „Aber niemand konnte diesen Prozess direkt beobachten – bis jetzt.“ Wie Zhang und seine Kollegen erklären, ist bei beiden ausgasenden Mini-Neptunen die starke, energiereiche Strahlung ihres jungen Sterns der Treiber dieses Gasverlusts: Der Sternenwind reißt die aufgeblähte Atmosphäre mit sich ins All hinaus und die Schwerkraft der beiden Planeten ist nicht stark genug, dieses Gas festzuhalten.
Planetenkern wird zur Supererde
Nach Ansicht der Astronomen stützen diese Beobachtungen eine der gängigen Hypothesen zur Größenlücke zwischen Supererden und Mini-Neptunen: „Es wird vermutet, dass alle Sub-Neptune zunächst mit wasserstoffreichen Gashüllen entstehen“, erklären Zhang und sein Team. ‚“Die Planeten, die zu massearm sind oder die zu nah an ihrem Stern kreisen, verlieren dann diese Hülle nachträglich durch dessen Strahlung.“ Übrig bleibt dann der deutlich kleinere steinige Kern dieser Planeten – und wird zur Supererde.
„Dieser Massenverlust müsste in der Frühzeit der Systeme am stärksten sein, wenn der energiereiche Strahlungsstrom des Sterns am stärksten ist und die Gashülle der Planeten noch aufgebläht und lose gebunden ist“, erklären die Forschenden. Bei den beiden jetzt beobachteten Mini-Neptunen ist genau dies zu beobachten – und dies liefert den ersten direkten Beleg dafür, dass gasreiche Sub-Neptune durch Gasverlust zu Supererden werden können.
Das allerdings schließt nicht aus, dass es auch noch andere Erklärungen für die rätselhafte Größenlücke bei den Exoplaneten gibt, betonen die Astronomen. „Als Exoplanetenforscher haben wir gelernt, das Unerwartete zu erwarten“, sagt Zhangs Kollegin Heather Knutson. „Diese exotischen Welten überraschen uns ständig mit neuen physikalischen Eigenheiten, die über das hinaus gehen, das wir aus unserem eigenen Sonnensystem kennen.“ (The Astronomical Journal, 2022; doi: 10.3847/1538-3881/ac3f3b; doi: 10.3847/1538-3881/ac3fa7)
Quelle: California Institute of Technology, W. M. Keck Observatory, Space Telescope Science Institute