Hungrig durch den Tag zu gehen, ist nie eine gute Idee: Zu Magenknurren und Konzentrationsschwierigkeiten kommen dann häufig noch strapazierte Nerven und Gereiztheit hinzu. Wir werden schneller aggressiv und können mit Kritik und Problemen nicht mehr gut umgehen. Doch warum folgt eigentlich auf das „hungry“ meist auch ein „angry“?
Haben wir eine Weile nichts gegessen, fehlt unserem Körper Energie und der Blutzuckerspiegel sinkt. „Dagegen steigen die Spiegel von Cortisol und Adrenalin an – unseren ‚Fight-or-Flight‘ Hormonen“, erklärt Ernährungswissenschaftlerin Sophie Medlin vom King’s College in London. Solche Stresshormone bereiten uns psychisch und körperlich auf eine Kampf- oder Fluchtsituation vor. Dieser evolutionär konservierte Mechanismus rettete unseren Vorfahren oft das Leben. Denn das Adrenalin hilft unserem Körper, trotz fehlender Energie, alle Kräfte zu mobilisieren und so schnell wie möglich Nahrung zu finden.
Hunger bedeutet Stress
Diese Stresshormone sind allerdings auch für unsere schlechte Stimmung bei Hunger mitverantwortlich: Unser Körper ist in Alarmbereitschaft, unsere Wahrnehmung wird sensitiver und wir sind reaktionsbereiter und impulsiver. „Da kann es auch zu aggressivem Verhalten kommen“, sagt der Psychologe Michael Macht von der Universität Würzburg. Dieser Effekt ist anscheinend umso stärker, je gestresster wir im Allgemeinen sind. Im Ruhezustand werden wir nicht so schnell hangry, wohingegen in Stresssituationen der Hunger einen sehr starken Einfluss auf unseren Gemütszustand haben kann.
Doch nicht nur dem Körper allgemein fehlen Zucker und Nährstoffe und damit Energie, sondern vor allem unserem Gehirn. Dies kann dazu führen, dass Mechanismen wie die Selbstkontrolle über unsere Impulse und Aggressionen nicht mehr einwandfrei funktionieren.
Chemische Verwirrung im Kopf
Der „Hangry-Zustand“ lässt sich aber noch mit einer weiteren Gegebenheit erklären: Unser Hungergefühl wird über ein bestimmtes Gehirnareal gesteuert, den Hypothalamus. Dieser ist auch für die Regulierung von Emotionen verantwortlich. „Einige der chemischen Signale, die freigesetzt werden, wenn wir hungrig sind, sind die gleichen wie bei Wut“, erklärt Medlin. „Das bedeutet, dass bei Hunger und Wut die gleichen Signalwege in unserem Gehirn ausgelöst werden, so dass es schwierig ist, die beiden Gefühle voneinander zu unterscheiden“. Es kann also passieren, dass unser Gehirn das Grummeln in unserem Magen fälschlicherweise als Emotion interpretiert.
Gegen die Verwechslung des körperlichen Zustands mit Gefühlen kann man aber etwas tun. Forschende der North Carolina University untersuchten den unterschiedlichen Umgang von Menschen mit Hunger und fanden heraus: Teilnehmende, die sich bewusst machten, dass sie gerade einfach nur hungrig waren, ordneten ihre Gefühle besser ein und kontrollierten sie erfolgreicher. Diejenigen die sich keine Gedanken über ihre Gefühle machten, kämpften hingegen häufiger mit Wut und Aggression.
Immer einen Snack in die Tasche
Am schnellsten regeneriert man seine innere Balance und Ausgeglichenheit wieder mit Nahrung, die schnell in ATP umgewandelt werden kann, dem chemischen Energieträger unserer Zellen. Dazu gehören zum Beispiel Traubenzucker oder süßes Obst. Diese Lebensmittel enthalten Glucose, eine Zuckerform, die besonders schnell von unserem Körper in Energie umgesetzt werden kann.
Ist gerade kein Snack in der Nähe, kann es auch helfen, den eigenen Gefühlszustand zu reflektieren und sich vor Augen zu führen, dass man gerade nur so reagiert, weil man Hunger hat. Da dies aber gerade im Zustand des Hangry-Seins oft schwerfällt, ist es aber immer besser, einen kleinen Snack in der Tasche zu haben.