Klima

CO2-Capture: Was hilft beim Klimaschutz?

Nur wenige CCU-Technologien sind bis 2030 ausgereift und emissionsarm genug

CO2
Welche Technologien der CO2-Abtrennung und -Nutzung können helfen, die Klimaschutzziele bis 2030 und 2050 zu erreichen? © 3sbworld/ Getty images

Wettlauf mit der Zeit: Die CO2-Abscheidung und -Umwandlung (CCU) gilt als entscheidend, um die Klimaschutzziele noch zu erreichen. Doch welche CCU-Technologie ist weit genug entwickelt und ausreichend emissionsarm, um bis 2030 einen messbaren Klimaschutzbeitrag zu leisten? Das haben Forscher nun für 74 solcher Methoden untersucht. Das Ergebnis: Nur acht der 74 können zum Erreichen der Klimaziele bis 2030 beitragen, viele andere erzeugen noch mehr Emissionen als sie einsparen.

Die Chancen, das Ziel des Pariser Klimaabkommens allein durch Reduktion der Treibhausgas-Emissionen zu erreichen, schwinden zusehens. Deshalb rücken nun zunehmend technische Lösungen wie das Carbon Capture in den Fokus, das Kohlendioxid aus Abgas oder der Luft abtrennt und es entweder dauerhaft speichert oder es als Rohstoff für andere Produkte nutzt.

CCU
Für die Bewertung der Klimaschutz-Effizienz müssen die von der CCU-Technologie erzeugten primären und sekundären Treibhausgas-Emissionen berücksichtigt werden. © Kiane de Kleijne

Wohin mit dem CO2?

Zu den bereits in Pilotanlagen getesteten Methoden der Carbon-Capture and Utilisation (CCU) gehört die Umwandlung von CO2 aus Luft oder Abgas in synthetische Kraftstoffe oder Chemierohstoffe wie Methanol. Meist wird dafür Wasserstoff aus der Elektrolyse benötigt, es gibt aber auch sogenannte Sun-to-Liquid-Verfahren, die ohne Elektrolyse auskommen und nur die Sonnenhitze und Katalysatoren nutzen. Andere Ansätze nutzen Mikroalgen, um CO2 aus Abgasen mittels Photosynthese in Biomasse zu binden.

Ebenfalls bereits getestet wird die Abtrennung von CO2 aus Industrie- und Kraftwerksabgasen und die darauffolgende Bindung in Festmaterial wie Carbonatgestein oder Beton. Diese Feststoffe können dann als Baumaterialien, Füllstoffe oder Zementersatz verwendet werden und so das CO2 längere Zeit aus dem Verkehr ziehen. Diese Mineralisierung wird auch in der Stahlindustrie erprobt, um Stahlschlacke durch Einleitung von CO2 in nutzbare Carbonate umzuwandeln.

Eine direkte Nutzung des abgetrennten CO2 ist zudem in der Pflanzenzucht oder als Rohstoff in der Chemie- und Lebensmitteindustrie möglich. Aus der Luft eingefangenes CO2 könnte zudem zum Austreiben von Erdöl und Erdgas aus unterirdischen Reservoiren verwendet werden, solange die Förderung fossiler Brennstoffe noch anhält. Dann wäre das CO2 im Untergrund gespeichert.

Machbarkeit und Emissionsbilanz unter der Lupe

Aber welche CCU-Technologie ist effizient und in absehbarer Zeit anwendbar? Das haben Kiane de Kleijne von der Radboud Universität und ihre Kollegen untersucht. „CCU klingt erstmal gut: Es nimmt problematische Abgase und wandelt sie in wertvolle Produkte um“, so die Forscherin. „Aber die dafür nötigen Prozesse verbrauchen Energie und oft wird das eingefangene CO2 schon kurze Zeit später durch Verwendung des Produkts wieder freigesetzt.“

Das Team hat daher untersucht, wie die tatsächliche Emissionsbilanz der zurzeit geplanten, erforschten oder schon getesteten Technologien zur CO2-Abtrennung und Umwandlung aussieht. Außerdem ermittelten die Forschenden, welche CCU-Ansätze technologisch reif genug sind, um bis 2030 oder 2050 signifikante Beiträge zum Klimaschutz zu leisten. Dafür werteten sie Studien zu 44 verschiedenen CCU-Technologien und 74 verschiedenen Kombinationen solcher Technologien mit CO2-Quellen aus.

Nur acht von 74 erfüllen die Kriterien

Das Ergebnis: Der größte Teil der heute diskutierten CCU-Technologien wird nicht dazu beitragen, die Pariser Klimaziele zu erreichen. „Einige Technologien reduzieren die CO2-Emissionen im Laufe ihres Lebenszyklus nicht ausreichend, andere werden die Einsatzreife nicht rechtzeitig erreichen“, erklärt de Kleijnes Kollegin Heleen de Coninck. Von den 74 untersuchten CCU-Methoden können demnach acht dabei helfen, die für 2030 gesetzten Klimaziele zu erreichen. Nur vier sind geeignet, um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erzielen.

Zu den ausgeschiedenen Ansätzen gehören unter anderem CCU-Technologien, die CO2 in synthetische Kraftstoffe umwandeln: Weil diese Kraftstoffe schnell wieder verwendet werden, setzen sie auch ihr CO2 schnell wieder frei. Zwar spart dies fossile Brennstoffe und damit zusätzliche Emissionen ein, trägt aber nicht zu einer Netto-Reduktion des CO2 in der Luft bei. „Diese Produkte können nur dann Paris-kompatibel sein, wenn CO2-Einfang und Umwandlung keine zusätzlichen Emissionen generieren“, so das Team.

Dekarbonisierung von Strom und Wasserstoff entscheidend

Als in naher Zukunft wenig effizient stufen die Forschenden auch CCU-Technologien ein, die vergleichsweise viel Strom und Hitze für die CO2-Abtrennung und die Umwandlung benötigen oder die auf Wasserstoff angewiesen sind. Denn in den nächsten Jahren werden sowohl Strom als auch Wasserstoff noch nicht vollständig mithilfe erneuerbarer Energien erzeugt werden können. Daher verursachen diese Verfahren zusätzliche CO2-Emissionen durch fossile Brennstoffe.

„In vielen Fällen verringern diese Methoden dadurch die Emissionen im Vergleich zu den konventionellen Herstellungsmethoden für die Endprodukte nicht, daher sind sie problematisch“, erklärt de Kleijne.

Stahlwerk
Bei der Stahlproduktion fällt Schlacke an, die unter Bindung von CO2 zu Baustoffen weiterverarbeitet werden kann. © zhaojiankang/ Getty images

Welche CCU-Technologien sind schon kurzfristig effizient?

Doch welche CCU-Technologien bleiben übrig? Effizient und machbar ist den Forschenden zufolge schon jetzt die direkte Einleitung von CO2 aus der Stahlproduktion in Stahlschlacke, um daraus Baustoffe zu produzieren. „Denn dabei wird das CO2 durch eine exotherme Karbonisierungsreaktion direkt permanent gebunden“, so das Team. Schon bis 2030 einsetzbar und sinnvoll sei auch die Harnstoffproduktion in Stahlwerken mithilfe von Konverter-Rauchgas und der Prozesswärme.

In ihrer Entwicklungsreife noch nicht so weit fortgeschritten, aber ebenfalls besonders emissionsarm sind weitere CCU-Technologien, die konzentrierte Abgase direkt mittels Natrium-Bicarbonat oder indirekt mit alkalischen Absorptionsprozessen in Feststoffen binden. Auch einige Umwandlungsprozesse von CO2 zu Ameisensäure als Chemierohstoff sind den Forschenden zufolge emissionsarm, aber noch nicht großtechnisch anwendungsreif. Allerdings hängt die Effizienz einiger anderer CCU-Ansätze auch entscheidend davon ab, wie schnell die Stromerzeugung dekarbonisiert werden kann.

Gezieltere Investitionen nötig

„Es ist noch viel Innovation ist noch nötig, um CCU-Technologien vollständig CO2-neutral zu machen“, sagt de Kleijne. „Bisher wird aber noch zu viel Geld in Methoden investiert, die zu spät kommen werden oder die Emissionen nicht genügend senken können, um die Pariser Klimaziele zu erreichen.“ Die CCU-Technologien sollten daher nicht als Anlass gesehen werden, andere Klimaschutzbemühungen zu vernachlässigen.

Hinzu kommt, dass die Anforderungen für das Klimaziel einer Netto-Null-Emission bis 2050 noch strenger sind. „Die dann noch sinnvollen CCU-Technologien müssen die Re-Emission von CO2 vermeiden, dürfen nur klimaneutrale Energieformen nutzen und sollten CO2 direkt aus der Atmosphäre oder aus Biomasse verwenden“, so de Kleijne und ihre Kollegen. Von den bisher diskutierten und erforschten Technologien erfüllen nur vier diese Kriterien, darunter die CO2-Bindung in Stahlwerksschlacke und einige Methoden der Chemierohstoffsynthese.

Es kommt auf den Standort und die Umstände an

Nicht ganz so pessimistisch sieht hingegen Roland Dittmeyer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) die CCU-Aussichten: „Es ist ja möglich, durch Nutzung vorhandener CO2-Punktquellen zu Beginn die Wirtschaftlichkeit eines CCU-Verfahrens zu erhöhen – mit Abstrichen bei der CO2-Emissionsreduktion – und eine Anlage nach einer gewissen Laufzeit dann auf eine nachhaltigere CO2-Quelle umzustellen“, erklärt der nicht an der Studie beteiligte Wissenschaftler. Gleiches gelte für Teiltechnologien in einer CCU-Umwandlungskette, beispielsweise ein Elektrolyseverfahren.

Zudem müsse man auch die Standortfrage berücksichtigen: „Eine bestimmte CCU-Technologie kann an einem Standort aufgrund klimatischer Bedingungen, vorhandener Infrastruktur oder sonstiger Aspekte kompatibel mit den Klimazielen sein, an einem anderen aber nicht“, sagt Dittmeyer. Selbst synthetische Kraftstoffe aus CO2 könnten beispielsweise sinnvoll sein, wenn sie mit CO2 aus der Luft und überschüssiger Abwärme oder Sonnenwärme erzeugt werden und es keine bessere, emissionsarme Nutzungsmöglichkeit dafür gibt.

„Letztendlich ist CCU eine Recycling-Fragestellung, in diesem Fall von Kohlenstoff, und die Menschheit befindet sich auch aufgrund der Endlichkeit der allermeisten Ressourcen auf dem Weg von einer linearen zu einer zirkularen Nutzung – so wie dies mit bestimmten Metallen bereits praktiziert wird und in Zukunft umfassender mit vielen Rohstoffen praktiziert werden muss“, kommentiert Dittmeyer abschließend. (One Earth, 2022; doi: 10.1016/j.oneear.2022.01.006)

Quelle: Cell Press, Radboud University, Science Media Center

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Die Klima-Manipulateure: Rettet uns Politik oder Geo-Engineering? - Jahrbuch Ökologie 2011 von Günter Altner

Top-Clicks der Woche