Auf der langen Liste der seltenen Erkrankungen finden sich auch einige bekannte Namen, die man als gar nicht so selten eingeschätzt hätte. Das kann ein enormer Vorteil für die Betroffenen sein, denn mit der Bekanntheit der Krankheiten steigt auch die Wahrscheinlichkeit von finanziellen Förderungen und Investitionen in die Forschung. Aber warum sind manche Krankheiten so bekannt?
Ein Star unter den seltenen Krankheiten
Die Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) tritt zwar nur bei etwa fünf von 100.000 Personen auf, aber ist dennoch den meisten Menschen ein Begriff. An dieser Erkrankung litt der berühmte Astrophysiker Stephen Hawking, der einen bedeutenden wissenschaftlichen Beitrag zur Allgemeinen Relativitätstheorie und dem Verständnis schwarzer Löcher leistete.
Bei dieser neurodegenerativen Erkrankung verlieren die motorischen Nervenzellen fortschreitend ihre Funktion, so dass die Muskulatur nicht mehr gesteuert werden kann und als Folge davon abgebaut wird. Die Mund- und Zungenmuskulatur ist beispielsweise auch betroffen, wodurch die Patienten ab einem bestimmten Stadium nicht mehr sprechen können.
Die Bekanntheit der Nervenkrankheit gipfelte im Sommer 2014 in der „Ice Bucket Challenge“. Bei dieser Spendenkampagne sollte man sich in einem Video einen Eimer mit Eiswasser über den Kopf schütten, weitere Personen nominieren und anschließend zehn US-Dollar oder Euro an die ALS Association (ALSA) spenden. Dies entwickelte sich in den sozialen Medien zu einem echten Hype, und auch wenn irgendwann der tatsächliche Sinn der Aktion etwas in den Hintergrund geriet, gingen im Jahr 2014 allein innerhalb einer Augustwoche 41,8 Millionen Dollar bei der ALSA ein. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum des Vorjahres erhielt die Organisation 2,1 Millionen Dollar Spendengelder.
Seltene Erkrankung: Feuer im Kopf
Wer kein weltberühmter Physiker ist, kann auch anderweitig die eigene Krankheitsgeschichte erzählen, wie das Beispiel Susannah Cahalans zeigt. In ihrem Buch berichtet sie die unglaubliche Geschichte von einer Immunerkrankung, die sie selbst als „Brain on fire“ bezeichnet und die viele Ärzten als Schizophrenie abtaten.
Cahalan litt unter plötzlichen Verhaltensveränderungen, Migräne, Bewusstseinsstörungen und epileptischen Anfällen. Von Depressionen über Alkoholentzugserscheinungen bis hin zur Schizophrenen Psychose erhielt die Amerikanerin viele Fehldiagnosen, bis schließlich ein Arzt ihre extrem seltene Erkrankung erkannte: Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis. Bei dieser seltenen Autoimmunerkrankung bildet der Körper Antikörper gegen den NMDA-Rezeptor, der eine wichtige Rolle bei der Signalübertragung im Gehirn spielt. Der Körper greift dadurch das eigene Gehirn an.
Mehr Aufmerksamkeit schaffen
Cahalan ist erst die 217. Patientin, bei der Ärzte diese Krankheit nach der Erstbeschreibung im Jahr 2007 diagnostizierten. Spätestens nachdem ihre Krankheitsgeschichte mit „Brain of fire“ im Jahr 2016 verfilmt wurden, erlangte ihre Geschichte und damit auch ihre Krankheit internationale Bekanntheit. Mit ihrer Erzählung will Cahalan ihre seltene Krankheit mehr in den Fokus rücken: „Wegen des Artikels, den ich geschrieben, konnte ich die Nachricht verbreiten. Menschen wurden diagnostiziert, aufgrund dessen, was ich geschrieben habe“, sagte Cahalan gegenüber der britischen Zeitung „The Guardian“.
Auch die Ärztin Lisa Sanders nutzt soziale Netzwerke und Massenmedien, um das Bewusstsein für seltene Erkrankungen zu erhöhen. „Es ist wichtig, jeder Person, die eine Diagnose bekommen kann, auch eine zu ermöglichen“, sagt Sanders. Die Professorin an der Yale University schreibt seit 2002 für die New York Times die Kolumne „Diagnosis“, in der sie rätselhafte Krankheitsbilder ihrer Patienten vorstellt. Ihre große Reichweite will sie im Sinne des „Crowdsourcing“ nutzen, um mit dem „Wissen der Masse“ die seltenen Symptome diagnostizieren zu können. Gleichzeitig soll die Kolumne anderen Betroffenen vermitteln, dass sie mit ihrer Erkrankung nicht alleine sind.