Subtile Effekte: Offshore-Windparks in der Nordsee haben einen messbaren physikalischen Einfluss auf das umgebende Meer, wie eine Studie zeigt. Demnach verändern die Windräder durch ihre Wirbelschleppen auch die Strömung und Schichtung der Meeresoberfläche. Das wiederum beeinflusst Temperatur und Salzgehalt des Wassers. Zwar sind diese Effekte bisher geringer als die natürlichen jährlichen Schwankungen, sie könnten aber dennoch ökologische Auswirkungen haben, wie die Forscher berichten.
Die Windenergie gilt als wichtige Säule der künftigen Stromversorgung. Neben Windturbinen an Land sollen vor allem Offshore-Windparks dieses Potenzial anzapfen. Allein in der deutschen Nordsee sollen die Kapazitäten bis zum Jahr 2050 auf 50 bis 70 Gigawatt ausgebaut werden. Allerdings ist dies nicht unumstritten, denn neben möglichen Folgen solcher Anlagen für Meerestiere sind die Windturbinen auch nicht unbegrenzt dicht platzierbar: Weil jede Windturbine dem Wind Energie entzieht, nimmt sie der hinter ihr stehenden Anlage buchstäblich den Wind aus den Rotoren.
Genauerer Blick auf Wechselwirkung von Luft und Meer
Doch das ist nicht alles, wie nun Nils Christiansen vom Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht und sein Team herausgefunden haben. Für ihre Studie hatten sie mithilfe von Messdaten und einem geophysikalischen Modell untersucht, wie sich die Windparks der Nordsee auf Luftströmungen und die Meeresoberfläche auswirken. Ausgangspunkt dafür war die Beobachtung, dass die atmosphärischen Wirbelschleppen in Lee von Windrädern bis zu 70 Kilometer weit hinausreichen können.
„Diese Wirbelschleppen sind charakterisiert durch verringerte Windgeschwindigkeit und eine erhöhte Luftturbulenz im Bereich dieses Defizits“, erklären die Forschenden. Offen war jedoch bisher, ob sich diese atmosphärischen Veränderungen auch auf das Meer auswirken – beispielsweise auf Strömungen, Wasserschichtung, Temperatur und Salzgehalt. Dies untersuchte das Team anhand von Daten aus dem Sommer 2013 für das Meeresgebiet der südlichen Nordsee.
Strömungen und Schichtung verändert
Das Ergebnis: In Lee von Windanlagen gibt es tatsächlich Veränderungen der Wasseroberfläche. Die Veränderungen der Luftströmungen reichen aus, um auch die Strömungen des Meeres im Bereich der Wirbelschleppen zu beeinflussen. Zwar wird die Wasserbewegung nur um rund 0,0025 Meter pro Sekunde verändert, wie Christiansen und sein Team feststellten. Dies entspreche aber immerhin zehn bis 25 Prozent der natürlichen jährlichen Schwankungsbreite.
Noch folgenreicher ist allerdings eine weitere Erscheinung auf der Leeseite der Windparks: Die verringerte Windgeschwindigkeit schwächt die Durchmischung des Wassers ab und behindert so den Austausch zwischen den oberflächennahen Wasserschichten. Das wiederum beeinflusst auch Temperatur und Salzgehalt des Oberflächenwassers. „Die positiven und negativen Veränderungen der Oberflächensalinität reichen von den Windparks mehrere Dutzend Kilometer aufs Meer hinaus“, berichten die Wissenschaftler.
Bei der Temperatur zeigt sich eine leichte, aber messbare Erhöhung der durchschnittlichen Wassertemperatur in Lee der Windparks. „Die mittleren Veränderungen liegen bei 0,02 bis 0,05 Grad“, so das Team. „In der Deutschen Bucht können sie aber mehr als 0,1 Grad erreichen.“
Mögliche Folgen für die Meeresökologie
Insgesamt sind auch diese Veränderungen zwar nur gering und bleiben im Bereich natürlicher Schwankungen. „Dennoch zeigen sie ähnliche Größenordnungen auf wie die vermuteten mittleren Änderungen aufgrund des Klimawandels oder der Variabilität von Jahr zu Jahr“, erklärt Christiansen. Zudem erstrecken sich diese thermodynamischen und strukturellen Veränderungen über relativ große Gebiete.
Die Forschenden schließen nicht aus, dass vor allem der Einfluss der Windparks auf die Schichtung des Wassers auch Auswirkungen auf die Nährstoffverteilung im oberflächennahen Meerwasser haben könnte. Das wiederum könnte die Primärproduktion und die Planktongemeinschaften in diesen Meeresgebieten beeinflussen.
„Es sind daher nun weitere Studien nötig, um die Auswirkungen auf marine Ökosysteme und Organismen in der Nordsee zu untersuchen“, konstatieren Christiansen und seine Kollegen. Dies sei insbesondere im Hinblick auf den geplanten Ausbau der Offshore-Windparks in der Deutschen Bucht wichtig. (Frontiers in Marine Science, 2022; doi: 10.3389/fmars.2022.818501)
Quelle: Helmholtz-Zentrum Hereon