Technik

Strom und Wasser aus Sonne und Wüstenluft

Hydrogel kühlt Photovoltaik und absorbiert gleichzeitig Wasser aus der Atmosphäre

WEC2P-Anlage
Solarstrom und Trinkwasser für entlegenen Wüstenregionen – ein neues System könnte dies leisten. © Renyuan Li

Wasser und Strom für die Wüste: Ein neuartiges Kombisystem erzeugt selbst unter Wüstenbedingungen Wasser und Strom – dezentral und ohne, dass zusätzliche Ressourcen nötig sind. Kern des Systems ist ein Hydrogel, das tagsüber die Solarzellen kühlt und so ihre Effizienz steigert. Nachts absorbiert das Gel Wasserdampf aus der Luft, den es dann tagsüber an ein Gewächshaus voller Pflanzen abgeben kann.

Viele Bewohner trockener Gebiete stehen vor einem doppelten Problem: Ihnen fehlt nicht nur Wasser für Trinkwasser und Landwirtschaft, sondern auch Strom für Pumpen und anderes Gerät. Wegen fehlendem Leitungsanschluss sind dezentrale Lösungen nötig. Für die Stromerzeugung bietet sich dabei die Photovoltaik an, Wasser kann theoretisch selbst in Wüsten aus der Nachtluft gewonnen werden – sofern ausreichend effiziente und autark funktionierende Methoden verfügbar sind.

Feldtest
Feldversuch mit Solarzellen und den darunterliegenden Wasserboxen sowie dem Minigewächshaus für die Spinatpflanzen. © Renyuan Li

Hydrogel als zentrales Element

Eine solche Methode haben nun Forscher der King Abdullah Universität in Saudi-Arabien entwickelt und vorgestellt. „Unser System gewinnt Wasser aus der Luft und nutzt dafür saubere Energie, die ansonsten verlorengegangen wäre“, erklärt Seniorautor Peng Wang. „Das eignet sich daher besonders für dezentrale, kleine Siedlungen in entlegenen Gebieten wie Wüsten oder Inseln.“

Das WEC2P getaufte System besteht aus zwei Komponenten, die über ein Hydrogel miteinander verknüpft sind. Dieses Material besteht aus einem Polymergerüst in Form der organischen Verbindung Polyacrylamid und dem Salz Calciumchlorid. Diese Kombination befähigt das Hydrogel dazu, große Mengen an Wasser reversibel aufzunehmen und zu binden. Schon bei relativ geringer Luftfeuchte wirkt es zudem wasseranziehend.

Kühlung für Solarzellen und Wassergewinnung in einem

Der Clou dabei: Das Hydrogel hat sowohl für die Wassergewinnung wie die Stromerzeugung einen Nutzen: Unter den kühlen Bedingungen der Wüstennacht kann das Hydrogel dadurch Wasser aus der Luft anziehen und binden. Tagsüber wird das Hydrogel durch die Sonne und das von ihr aufgeheizte Photovoltaik-Panel erhitzt und setzt dabei das gespeicherte Wasser in einen angrenzenden Behälter frei. In diesem kondensiert das Wasser wegen der hohen Sättigung aus und es entsteht flüssiges Wasser, das aufgefangen und beispielsweise zur Bewässerung verwendet werden kann.

Dazu kommt noch ein zweiter Effekt: Während das Hydrogel tagsüber sein Wasser allmählich durch Verdunstung wieder abgibt, wirkt es gleichzeitig wie eine Kühlplatte für die direkt darüber montierten Solarzellen: Es absorbiert einen Teil ihrer Wärme und verbessert dadurch die Stromausbeute, denn zu heiße Solarzellen verlieren an Effizienz.

Genug Wasser für den Anbau von Spinat

Wie gut dieses Kombisystem im praktischen Einsatz funktioniert, haben Wang und sein Team im April und Mai, sowie noch einmal im Juli 2021 bei einem Feldtest in der Wüstenhitze Saudi-Arabiens untersucht. Dabei zeigte sich: Ohne das Hydrogel heizten sich die Photovoltaikmodule tagsüber bis auf gut 80 Gad auf. Das kühlende Hydrogel senkte die Temperatur der Solarzellen hingegen im Schnitt um 13 bis 14 Grad. „Dadurch stieg die Stromausbeute um neun bis 9,9 Prozent gegenüber den ungekühlten Panelen an“, berichtet das Team.

Die Wasserausbeute lag für eine Anlage mit einer Kondensationsbox und einer 30 mal 60 Zentimeter großen Solarzelle bei rund 600 Milliliter pro Tag, wie die Forschenden ermittelten. Insgesamt produzierte die WEC2P-Anlage im ersten 30-Tage-Test rund 3,4 Liter Wasser. Im zweiten Feldversuch konnte das Team mit dem aus der Luft gewonnenen Wasser 60 Spinatsämlinge aufziehen und anschließend ernten.

Wasser und Strom abseits der Versorgungsnetze

„Unser Ziel ist es, ein integriertes System für saubere Energie, Wasser und die Nahrungsproduktion zu entwickeln“, sagt Wang. „Vor allem der Wassergewinnungs-Teil unseres Konzepts unterschiedet uns dabei von anderen Agro-Photovoltaik-Ansätzen.“ Um ihre Anlage noch weiter zu optimieren, arbeiten die Wissenschaftler bereits an einem noch effizienteren Hydrogel, das mehr Wasser aus der Luft ziehen kann.

„Sicherzustellen, dass jeder Mensch auf der Erde Zugang zu sauberem Wasser und bezahlbarer sauberer Energie hat, ist Teil der nachhaltigkeitsziele der UN“, so Wang weiter. „ich hoffe, dass unser System dazu beitragen kann, dezentral Strom und Wasser zu erzeugen.“ (Cell Reports Physical Science, 2022; doi: 10.1016/j.xcrp.2022.100781)

Quelle: Cell Press

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