Nach ihrem 80. Geburtstag meldete sich Lydia S., eine alleinstehende Dame, beim Hausnotrufdienst der Caritas an. Sie erhielt einen Druckschalter an einer Schnur. Ein Druck auf den Knopf löste in der Zentrale des Hausnotrufdienstes Alarm aus, und eine Mitarbeiterin meldete sich per Telefon bei Frau S. und fragte, ob alles in Ordnung sei. Wenn sie in ihrer Wohnung war, hängte sie sich den Schalter um den Hals. Er gab ihr das gute Gefühl, Hilfe herbeirufen zu können, sollte sie zum Beispiel einmal stürzen.
Als Lydia S. dann einen leichten Schlaganfall erlitt, stürzte und den Notruf dringend gebraucht hätte, lag der Schalter auf dem Sessel, wo sie ihn beim Fernsehen hingelegt hatte – unerreichbar für die am Boden Liegende. Es dauerte eine Weile, bis sie sich aus eigener Kraft aufrappeln und zum Telefonapparat schleppen konnte, um Hilfe zu rufen. Notrufsysteme für ältere Menschen in Form von Handsendern zum Umhängen oder an Armbändern haben den Nachteil, dass sie abgelegt und im entscheidenden Moment nicht erreichbar sein können.
Das Dilemma der Privatsphäre
Videokameras etwa in der Wohnung sind allerdings kaum eine akzeptable Alternative. „Niemand möchte sein Zuhause per Video von einem Notdienst überwachen lassen“, meint Hilde Kühne, Juniorprofessorin für Bilderkennungssysteme und maschinelles Lernen an der Goethe-Universität Frankfurt. „Schon gar nicht das Schlafzimmer oder das Bad, wo man aber schnell in eine kritische Situation kommen kann.“
Vielleicht wäre es anders, wenn zwar in der Wohnung Videokameras aufgehängt würden, die Bilder aber nur ein Computer und kein Mensch zu sehen bekäme? Wenn der Computer bei einem Sturz den Notdienst alarmieren würde, ohne die Videodaten selbst zu übermitteln? Dann bliebe die Privatsphäre gewahrt, denn „der Computer interessiert sich nicht für die Person, die durch die Wohnung geht“, meint Kühne, die am automatischen Erkennen von Bewegungen forscht. „Für den Computer sind Videos schlicht Zahlenkolonnen.“