Archäologie

Wrack der „Endurance“ gefunden

Schiff des Polarforschers Ernest Shackleton am Grund des Weddellmeeres aufspürt

Endurance
Perfekt konserviert: Blick auf das Heck der "Endurance", die vor 106 Jahren im antarktischen Weddellmeer sank. © Falklands Maritime Heritage Trust/ National Geographic

Vor 106 Jahren wurde die „Endurance“ vom Packeis der Antarktis eingeschlossen und sank – jetzt hat eine Suchexpedition das legendäre Schiffswrack des britischen Polarforschers Ernest Shackleton gefunden. Das Schiff ist perfekt konserviert und steht aufrecht am Grund des Weddellmeeres. Mithilfe von historischen Aufzeichnungen und Eismodellen hatte das Forschungsteam zunächst den möglichen Untergangsort im Wedellmeer identifiziert und dann mit Tauchrobotern nach dem Wrack gesucht.

Die Endurance-Expedition des britischen Polarforschers Sir Ernest Shackleton ging in die Geschichtsbücher ein – obwohl sie ihr Ziel nie erreichte. Denn ursprünglich wollte Shackleton vom Weddellmeer aus die Antarktis erstmals zu Fuß überqueren. Doch noch bei der Annäherung an die Küste wurde sein Schiff, die „Endurance“ vom Packeis eingeschlossen. Der enorme Druck des Eises ließ das Schiff nach zehn Monaten Leck schlagen und am 21. November 1915 sank es.

Die Besatzung konnte sich auf das Eis retten und nach monatelangem Umherirren gelang es Shackleton und einem Teil seiner Mannschaft schließlich, mit einem Rettungsbot die Insel South Georgia zu erreichen, von wo aus eine Rettungsexpedition dann auch die restlichen Besatzungsmitglieder bergen konnte. Das Wrack der Endurance jedoch blieb trotz bekannter Koordinaten ihrer Untergangsstelle verschollen – zu unzugänglich war ihre letzte Ruhestätte im eisigen Weddellmeer.

Bug
Bug der „Endurance“ von der Steuerbordseite aus gesehen. © Falklands Maritime Heritage Trust / National Geographic

Fund am Grund des Weddellmeeres

Im Februar 2022 jedoch wurde im Auftrag des Falklands Maritime Heritage Trust eine neue Suche nach dem Wrack der Endurance gestartet. Mit Erfolg: Die Expedition Endurance22 hat das legendäre Schiffswrack aufgespürt. Die „Endurance“ liegt in 3.008 Meter Tiefe auf dem Grund des antarktischen Weddellmeeres – fast genau dort, wo das Team sie anhand von Eisdriftmodellen und Klimadaten vermutet hatte. „Es waren sehr emotionale Momente, als die ersten Bilder des Wracks gezeigt wurden“, sagt Expeditionsmitglied Jakob Belter vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven

Aufgespürt wurde der historische Dreimaster mithilfe von autonomen Tauchrobotern, die den Meeresgrund in einem Suchfenster rund um den vermuteten Untergangsort absuchten. Das Schiff liegt nur rund sechseinhalb Kilometer südlich der letzten, im Jahr 1915 aufgezeichneten Position. „Wir zeugen den Navigationskünsten von Captain Frank Worsley Respekt, dem Kapitän der Endurance, dessen detaillierte Aufzeichnungen unverzichtbar für unsere Suche nach dem Wrack waren“, sagt der Erkundungsleiter der Expedition Mensun Bound.

„Damit haben wir Polargeschichte geschrieben“

„Mit diesem Fund hat die Endurance22-Expedition nicht nur ihr Ziel erreicht – wir haben mit der Entdeckung der Endurance auch Polargeschichte geschrieben und eine der schwierigsten und anspruchsvollsten Wracksuchen erfolgreich abgeschlossen“, sagt Expeditionsleiter John Shears. An der mehrwöchigen Suche waren ein 64-köpfiges Team aus Wissenschaftlern und Bergungsexperten aus mehreren Ländern beteiligt.

„Es ist beeindruckend zu sehen, was wir erreichen können, wenn Menschen mit unterschiedlichen Expertisen und Hintergründen gemeinsam an etwas arbeiten“, sagt Belter. Der für die Unterwassersuche zuständige Projektmanager Nico Vincent ergänzt: „Dies war das komplexeste Unterwasser-Projekt, das jemals unternommen wurde. Wir haben gleich mehrere Weltrekorde gebrochen, um die ‚Endurance‘ aufzuspüren.“

Steuerrad
Steuerrad und Reling am Heck der „Endurance“. © Falklands Maritime Heritage Trust / National Geographic

Bis in die Details perfekt konserviert

Spektakulär ist jedoch nicht nur der Fund selbst – auch der Zustand des legendären Schiffes ist beeindruckend gut. Vom eisigen Wasser des antarktischen Weddellmeeres konserviert, sind selbst feine Details des 44 Meter langen Schiffs gut erhalten. „Dies ist mit Abstand das schönste hölzerne Schiffswrack, das ich jemals gesehen habe“, sagt Bound. „Es steht aufrecht und stolz auf dem Meeresgrund und ist in einem hervorragenden Erhaltungszustand.“

Filmaufnahmen der Tauchroboter zeigen das intakte Steuerrad, Details der hölzernen Aufbauten und der Reling. „Man kann sogar den Schriftzug ‚Endurance‘ am Heck erkennen, direkt unter der Heckreling“, berichtet Bound. Unter dem Schiffsnamen prangt der auf den Schiffrumpf aufgesetzte Polarstern, das Symbol der damaligen Expedition. Bound und sein Team haben das Wrack jedoch nur kartiert und gefilmt, denn es steht als historische Stätte unter dem Schutz des Antarktisvertrags und darf nicht gestört oder beschädigt werden.

Wertvolle Daten aus dem Packeis

„Unser Ziel war es, das Wrack zu finden, es zu untersuchen und zu filmen, aber auch wichtige wissenschaftliche Forschungen anzustellen“, erklärt Donald Lamont vom Falklands Maritime Heritage Trust. Neben der Suche nach dem Wrack hat das Expeditionsteam auch Daten zum Meereis und den Klimabedingungen im Suchgebiet gesammelt und Kartierungen des Meeresgrunds durchgeführt. „Diese Daten werden entscheidend dazu beitragen, diese entlegene Region und ihren Einfluss auf unser sich wandelndes Klima besser zu verstehen“, sagt Chefwissenschaftler Lasse Rabenstein.

Die Aufnahmen und Daten vom historischen Schiffswracks sollen zudem dazu dienen, auch der jungen Generation die Geschichte von Shackleton und seiner Endurance-Expedition nahe zu bringen. „Sie sind es, die künftig mit dem Schutz und der Bewahrung unserer Polarregion und unseres Planeten betraut sind“, sagt Bound.

Quelle: Endurance22, Falklands Maritime Heritage Trust, Alfred-Wegener-Institut – Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Innenleben eines Eisplaneten

Eisriesen: Rätsel des Inneren gelöst?

Das sind die aktuell gefährlichsten Viren und Bakterien

Was beim Hineindenken in unserem Gehirn passiert

Giftrezept des Steinfischs entschlüsselt

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Antarktis - Forschung im ewigen Eis von Norbert W. Roland

Tauchgang in die Vergangenheit - Unterwasser- archäologie in Nord- und Ostsee von Friedrich Lüth (Hrsg.)

Archäologie im Mittelmeer - Auf der Suche nach versunkenen Schiffswracks und vergessenen Häfen Von Michaela Reinfeld

Top-Clicks der Woche