Thermonuklearer Schock: Astronomen ist es erstmals gelungen, die Nova eines Weißen Zwergs im energiereichen Gammastrahlen-Bereich mitzuverfolgen. Dies enthüllte, dass die Explosion am 7.500 Lichtjahre entfernten Sternenrest RS Ophiuchi genug Energie freisetzte, um subatomare Teilchen bis nah ans theoretische Maximum zu beschleunigen. Nova-Ausbrüche sind demnach effiziente kosmische Beschleuniger und damit eine mögliche Mit-Ursache kosmischer Strahlung, wie das Team in „Science“ berichtet
Eine Nova ereignet sich, wenn sich ein Weißer Zwerg in einem Doppelsternsystem „überfrisst„: Er saugt seinem Begleitstern so lange Materie ab, bis seine Masse eine kritische Grenze überschreitet, das Chandrasekhar-Limit. Als Folge kommt es zu einer thermonuklearen Kettenreaktion in seiner aufgeblähten Hülle und sie explodiert. Eine solche Nova setzte große Mengen Strahlung frei und kann am Himmel sogar mit bloßem Auge sichtbar werden.
Anders als bei der Supernova massereicher Sterne bleibt der Weiße Zwerg bei einer Nova erhalten. Er kann daher seinen stellaren Kannibalismus fortsetzen – bis zur nächsten Nova.
Ein Weißer Zwerg explodiert
Jetzt haben Astronomen erstmals eine solche Nova im Gammastrahlenbereich beobachtet. Möglich wurde dies durch einen Nova-Ausbruch im 7.500 Lichtjahre entfernten Doppelsternsystem RS Ophiuchi. In ihm umkreisen sich ein Weißer Zwerg und ein Roter Riese in der knapp eineinhalbfachen Entfernung der Erde zur Sonne. Weil der Weiße Zwerg seinem Begleiter kontinuierlich Material abzieht, kommt es immer wieder zu Novae – allein zwischen 1889 und 2006 waren es acht.
Am 8. August 2021 detektierten optische Teleskope erneut einen solchen Nova-Ausbruch bei RS Ophiuchus. Sofort wurden Astronomen weltweit alarmiert, darunter auch Forschende am H.E.S.S-Observatorium in Namibia und das Team des Fermi-Weltraumteleskops der NASA. Das ermöglichte es, den Ablauf der kosmischen Explosion erstmals anhand der dabei freigesetzten Gammastrahlen über einen Monat lang zu verfolgen.
Gammastrahlen mit hoher Energie und Intensität
„Das ist die erste Beobachtung einer Nova im sehr hochenergetischen Gammalicht“, sagt Alison Mitchell von der Universität Erlangen-Nürnberg, Leiterin des H.E.S.S.-Nova-Programms. Die Art und Intensität dieser energiereichen Strahlung liefert damit nun wertvolle Einblicke in das Geschehen am Weißen Zwerg. Unter anderem bestätigen die Beobachtungen, dass auch eine Nova Gammastrahlung aussendet und dabei überraschend hohe Intensitäten erreichen kann.
Wie die Astronomen ermittelten, erreichte die Gammastrahlung von RS Ophiuchi hohe Intensitäten bis in den Teraelektronenvolt-Bereich hinein. Die Teleskope registrierten dabei zuerst einen Anstieg der energieärmeren Gammastrahlen, dann folgten mit rund zwei Tagen Verzögerung auch die energiereicheren. Insgesamt war die Menge der freigesetzten Gammastrahlung so groß, dass diese Nova Protonen und andere Teilchen auf hundertfach höhere Energien beschleunigt haben muss als zuvor für solche Explosionen vermutet.
Von der Schockfront mitgerissen
Woher aber kommt diese Strahlung? „Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass Protonen und andere Atomkerne an der sich ausdehnenden Explosions-Schockfront stark beschleunigt werden und mit komprimiertem Material des Sternwinds, den der Rote Riese ins All bläst, kollidieren. Das setzt Gammastrahlung frei“, erklärt Koautor Brian Reville vom Max-Planck-Institut für Kernphysik.
Das Team schätzt anhand optischer Daten, dass die Schockfront von RS Ophiuchi mit mehreren tausend Kilometern pro Sekunde in All hinaus raste. Insgesamt könnte diese Nova eine Energie von 1043 erg freigesetzt haben – das entspricht einer Materialmenge von 0,3 Erdmassen, die auf 4.000 Kilometer pro Sekunde beschleunigt wurden.
Nahe am theoretischen Maximum
Überraschend dabei: Die Teilchen des bei der Nova ausgeschleuderten Materials wurden offenbar bis auf Werte nahe am theoretischen Maximum beschleunigt. „Die Beobachtung, dass in kosmischen Schockwellen das theoretische Limit der Teilchenbeschleunigung erreicht werden kann, hat enorme Auswirkungen für die Astrophysik“, sagt Koautor Ruslan Konno vom DESY in Zeuthen. „Sie legt nahe, dass der Beschleunigungsprozess genauso effizient bei noch viel extremeren kosmischen Explosionen – den sogenannten Supernovae – sein könnte.“
Das Spannende daran: Damit könnten auch Novae stärker als bislang angenommen zur kosmischen Strahlung beitragen. Diese ist im gesamten Weltall überall vorhanden und besteht aus energiereichen, schnell fliegenden subatomaren Teilchen. Welche Quellen diese allgegenwärtige Strahlung speisen, ist jedoch erst in Teilen geklärt. Die neuen Beobachtungen enthüllen nun, dass auch Explosionen an Weißen Zwergen dazu beitragen könnten.
Für RS Ophiuchi haben die Astronomen ausgerechnet: „Jedes Nova-Ereignis erzeugt genug kosmische Strahlung, um einen Würfel von einem Kubikparsec Volumen mit einer Energiedichte von 0,1 Elektronenvolt pro Kubikzentimeter zu füllen – das liegt in der gleichen Größenordnung wie die durch Supernovae produzierte kosmischen Strahlung in unserer lokalen galaktischen Umgebung“, so das Team. Ein Kubikparsec entspricht einem Würfel von rund 3,2 Lichtjahren Kantenlänge. (Science, 2022; doi: 10.1126/science.abn0567)
Quelle: Max-Planck-Gesellschaft, Deutsches Elektronennsynchrotron DESY