Technik

Neuartige Linse für Röntgenstrahlung

Achromatische Röntgenlinse erleichtert Blick in die Nanowelt

MIkrostruktur
Sieht aus wie ein Türmchen, ist aber eine neuartige Linse für Röntgenstrahlen. © Paul Scherrer Institut/ Umut Sanli

Mehr Fokus für energiereiche Strahlung: Forscher haben erstmals eine Linse entwickelt, die auch Röntgenlicht verschiedener Wellenlängen fokussieren kann. Möglich wird dies durch die Kombination zweier Mikrostrukturen, die die kurzwellige Strahlung erst zerlegen, dann wieder bündeln. Die achromatische Linse könnte dadurch Röntgenanalysen einfacher und unabhängiger von Synchrotronanlagen machen.

Achromatische Linsen sind in Optik und Fotografie längst Standard. Sie bündeln selbst Licht verschiedener Wellenlängen und ermöglichen so scharfe Bilder. Üblicherweise bestehen solche Linsen aus zwei Materialien, von denen das erste den Lichtstrahl in seine Spektralfarben aufspaltet. Das zweite Material bündelt alle Strahlenkomponenten auf einen gemeinsamen kleinen Punkt.

Wie bündelt man Röntgenlicht?

Doch bei Röntgenstrahlung funktionieren solche achromatischen Linsen nicht – sie fokussieren die Röntgenstrahlen je nach Wellenlänge leicht abweichend. „Für Röntgenlicht existieren keine Materialien, die sich in den optischen Eigenschaften über breite Wellenlängenbereiche so stark unterscheiden, dass das eine Material den Effekt des anderen wieder aufheben könnte“, erklärt Seniorautor Christian David vom Paul Scherrer Institut (PSI) im schweizerischen Villigen.

Das hat zur Folge, dass hochauflösende Röntgenanalysen bisher nur mit „einfarbigem“ Röntgenlicht möglich waren. Dabei werden aus dem Röntgenstrahl alle abweichenden Wellenlängen herausgefiltert, bis er weitgehend homogen ist. Das Problem jedoch: Weil dadurch viel an Intensität verloren geht, funktioniert dies nur an starken Röntgenquellen wie Synchrotronen – und diese sind teuer, riesig und oft ausgebucht.

Fresnellinse und Mikrotürmchen

Abhilfe schafft nun eine erste achromatische Linse für Röntgenstrahlung. Anders als gängige Linsen beruht sie nicht auf zwei Materialien mit unterschiedlichem Brechungsindex, sondern nutzt speziell erstellte Mikrostrukturen. Das Fokussieren übernimmt dabei eine sogenannte Fresnel-Zonenplatte (FZP), ein durch Nanolithografie erstelltes Brechungsmuster aus Nickel in einer Siliziumnitrid-Membran. Solche Fresnellinsen werden schon länger für Röntgenstrahlung eingesetzt.

Linsenaufbau
Aufbau der Apparatur, Fresnel-Zonenplatte (b) und Refraktor-Struktur (c) © Kubec et al/ Nature Communications, CC-by 4.0

Neu und ungewöhnlich ist jedoch der zweite Teil der Achromatlinse: Er besteht aus einem länglichen, wenige hundert Mikrometer hohen Bauteil, dessen Form und Struktur eher an einen winzigen Turm oder eine Rakete erinnern als an eine Linse. Das Konstrukt hat einen vierstöckigen Aufbau aus einer parabolischen Form, die von gekreuzten Mikrobälkchen umgeben ist. Diese Kombination von Strukturen sorgt dafür, dass die auftreffenden Röntgenstrahlen nach ihrer Wellenlänge zerlegt und aufgespreizt werden.

Scharfes Bild selbst bei uneinheitlichen Wellenlängen

Die Kombination beider Mikrostrukturen wirkt wie eine achromatische Linse für Röntgenstrahlung und ermöglicht es nun erstmals, selbst mit „unsauberem“ Röntgenlicht aus verschiedenen Wellenlängen scharfe Bilder zu erzeugen. Wie gut dies gelingt, demonstrierten erste Tests am Röntgensynchrotron des PSI. Dafür platzierte das Team um David und Erstautor Adam Kubec ein wenige Mikrometer großes „Testbild“ in den durch die beiden Linsenteile fokussierten Strahl.

Das Ergebnis: „Während unser Achromat eine hohe räumliche Auflösung und starke Kontraste über ein breites Energiespektrum lieferte, wurden Bilder nur mit der Fresnel-Zonenplatte schon bei geringen Abweichungen von 200 Elektronenvolt von der Sollenergie von 6,2 Kiloelektronenvolt stark unscharf“, berichtet das Team. Die neue achromatische Linse stellte damit unter Beweis, dass sie selbst bei sehr uneinheitlichen Wellenlängen noch scharf fokussieren kann, ohne dass dabei nachjustiert werden muss.

Neue Möglichkeiten für Röntgenanalysen

Nach Ansicht von Kubec und seinen Kollegen eröffnet die neue Achromatlinse damit neue Möglichkeiten, hochpräzise Röntgenanalysen künftig auch abseits der Synchrotron-Großforschungsanlagen durchzuführen. „Unsere achromatische Röntgenlinse wird kompakte Röntgenmikroskopie ermöglichen, die Industrieunternehmen auf ihrem eigenen Areal betreiben können“, sagt Kubec.

Profitieren könnte davon unter anderem die industrielle Forschung und Entwicklung beispielsweise von Mikrochips, Batterien und die Materialforschung. (Nature Communications, 2022; doi: 10.1038/s41467-022-28902-8)

Quelle: Paul Scherrer Institut (PSI)

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