Hilfreiche Mikroben: Eine neuentdeckte Art von Archaeen setzt im Bodensee Tonnen von Ammonium in Nitrat um und ist damit entscheidend für die Balance des Stickstoffkreislaufs in einem der größten Seen Europas. Dieser geriet zuletzt wegen der übermäßigen Verwendung von Ammonium-haltigen Düngemitteln aus dem Gleichgewicht. Daher tragen die urtümlichen Mikroorganismen zur Sicherheit der Trinkwasserversorgung von über fünf Millionen Menschen bei, wie Forschende berichten.
Seen sind wichtig für die Binnenfischerei, den Tourismus und vor allem die Trinkwasserversorgung, denn in der Europäischen Union stammen etwa 36 Prozent des Trinkwassers aus Oberflächengewässern. Umso kritischer, dass die Konzentration der aus gasförmigem Ammoniak gebildeten Ammonium-Ionen (NH4+) in vielen Gewässern durch die häufige Verwendung von Düngemitteln dramatisch zugenommen hat. Denn ein Überschuss an Ammonium ist toxisch für Fische und vermindert die Trinkwasser-Qualität.
Unbekannte Archaeen-Art dominiert im Bodensee
Viele Mikroorganismen, wie die Archaea, sind in der Lage, einer Akkumulation von Ammonium entgegenzuwirken, indem sie das Molekül mithilfe von Sauerstoff in Nitrat umwandeln. Man wusste bereits, dass auch der Bodensee große Populationen solcher Archaeen der Gattung Nitrososphaeria beherbergte. Doch ob sie dort tatsächlich an der Umwandlung von Ammonium-Ionen zu Nitrat (Nitrifikation) beteiligt sind und wenn ja, in welchem Ausmaße, war bisher noch nicht bekannt.
Ein Forschungsteam um Franziska Klotz von der Universität Konstanz führte daher über zwei Jahre lang genetische Analysen zu den im Bodensee vorkommenden Nitrososphaeria-Archaeen durch und beobachtete zudem die Veränderungen der Nährstoff-Zusammensetzung. Eine einzelne, bisher unbekannte Art, stellte sich dabei als Hauptakteur im Bodensee heraus: „Wir konnten zeigen, dass die Ammonium-Oxidation ein Schlüsselprozess im Stickstoffkreislauf des Sees ist, angetrieben von einer einzigen Süßwasserspezies der Archaeen“, berichten Klotz und ihre Kollegen.
Ammonium-Abbau tief unten im See
Die neuentdeckte Spezies dominierte alle anderen Archaeen-Arten des Sees und trat hauptsächlich in einer Wassertiefe von 85 Metern auf. In dieser Zone sanken die Ammonium-Bestände auffallend im Vergleich zu den anderen Wasserschichten, während die Nitratkonzentration anstieg. Zudem enthielt das Genom dieser Archaeen das amoA-Gen, welches ein Schlüsselenzym für die Ammonium-Oxidation kodiert. Damit war für die Forschenden klar, dass diese Population hauptverantwortlich für die Ammonium-Umwandlung im Bodensee ist und sie erhielt die vorläufige Bezeichnung „Candidatus Nitrosopumilus limneticus“.
Wie die Forschenden beobachteten, sind die Archaeen das ganze Jahr über aktiv. Wie Messungen ergaben, ist ihre Umsatzrate trotz der in 85 Metern niedrigen Wassertemperatur von vier Grad beachtlich: Die Archaeen-Population im Bodensee setzt geschätzt 1.763 Tonnen Ammonium pro Jahr um. Dies entspricht etwa elf Prozent der Stickstoff-Biomasse, die sonst in der lichtdurchfluteten Zone des Sees von Phytoplankton gebildet wird.
Wichtiger Akteur im Ökosystem See
Damit spielt die neu entdeckte Archaeen-Art eine entscheidende Rolle dabei, Ammonium im Wasser abzubauen und den darin gebundenen Stickstoff wieder zugänglich zu machen. Denn die nitrifizierenden Mikroben lassen den Bestand an Ammonium nicht einfach verschwinden, sondern setzen das Endprodukt Nitrat frei. Dies kann von Pflanzen zum Aufbau ihrer Biomasse genutzt oder als atmosphärischer Stickstoff freigesetzt werden, erklären die Forschenden.
Diese Ergebnisse demonstrieren, dass auch Archaeen in Binnengewässern wichtige Akteure im Stoffkreislauf sein können: „Ammonium-oxidierende Archaeen spielen eine ebenso wichtige Rolle im Stickstoffkreislauf von tiefen oligotrophen Seen wie ihre Verwandten in marinen Ökosystemen“, erklären Klotz und ihre Kollegen.
Doch mit nur einer vorherrschenden Art ist die Diversität solcher Ammonium-abbauenden Archaeen in Süßwasser-Seen nicht sonderlich hoch. „Das wirft die Frage auf, wie resilient das Ökosystem gegenüber physikalischen und chemischen Veränderungen der Seen angesichts des Klimawandels ist“, geben die Forschenden zu Bedenken. (ISME Journal; 2022, doi: 10.1038/s41396-022-01216-9)
Quelle: Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH