Unterdessen erforscht der RUB-Biologe Maximilian Schweinsberg die molekulare Zusammensetzung von sogenannten Chimären, das heißt Korallenkolonien, die aus mehreren Individuen bestehen. „Das kommt häufig in Korallenriffen vor“, erklärt Doktorand Fabian Gösser. „Von außen sieht die Koralle aus wie ein Organismus, aber schaut man sich die Koralle auf molekularer Ebene an, stellt man fest, dass hier mehrere Genotypen miteinander verschmolzen sein können.“
Bei den Stresstests am Lehrstuhl zeigten sich diese Chimären deutlich fitter als Korallen, die nur aus einem Genotyp bestehen. „Wenn eine Korallenkolonie auf mehr als einen Grundstock an genetischem Material zurückgreifen kann, ist die Hoffnung groß, dass dieses erhöhte genetische Repertoire die Überlebenschance der Kolonie verbessern kann“, erläutert Gösser das Potenzial von Chimären.
Hilfe durch assistierte Evolution?
Könnte man folglich hybride Korallen-Systeme mit besonderen Überlebensfähigkeiten heranzüchten, die den Klimaveränderungen Stand halten können? Und darf der Mensch überhaupt gezielt in den marinen Lebensraum eingreifen, um ihn zu erhalten?
Diese Fragen stellen sich nicht nur die Korallenforscher an der Ruhr-Universität Bochum. Die Idee der sogenannten assisted evolution wird weltweit kontrovers diskutiert. Bei dieser will man mithilfe verschiedener biologischer und genetischer Metzhoden die Entwicklung von Korallenarten fördern, die gegenüber Hitze und Versauerung besonders widerstandsfähig sein. Die Spanne der Maßnahmen reicht dabei von der Suche nach günstigen Genen im Genom der Korallen über die Zucht bis zu Kreuzungsexperimenten mit wärmeadaptierten Arten.
Forscherinnen und Forscher arbeiten bereits an Konzepten zur künstlichen Korallenerhaltung. Für die assistierte Evolution ist ein molekulares Verständnis der Korallen unabdingbar. Die Bochumer Wissenschaftler erarbeiten ebendiese Grundlagen – um dem Klimawandel einen Schritt voraus zu sein.