Biologie

Fische mit Zahlensinn

Buntbarsche und Stechrochen können einfache Additions- und Subtraktionsaufgaben lösen

Buntbarsch
Buntbarsche wie dieser hier können das Rechnen lernen. © NERYX/ Getty images

Rechnende Fische: Buntbarsche und Stechrochen können lernen, einfache Additions- und Subtraktionsaufgaben zu lösen. Ein Forschungsteam brachte ihnen dafür bei, dass Blau für plus und Gelb für minus steht. Schon nach kurzem Training lernten die Fische dann, zielsicher zur richtigen Lösung zu schwimmen. Die Studie liefert somit einen weiteren Beleg dafür, dass Fische ausgereiftere kognitive Fähigkeiten besitzen als gemeinhin angenommen.

Rechnen gilt oft als einzigartig menschliche Fähigkeit. Studien haben sogar gezeigt, dass unser Gehirn spezifische Rechenareale hat. Fischen hingegen traut man in der Regel kein numerisches Verständnis zu. Noch vor wenigen Jahren wurde diskutiert, ob sie überhaupt denken und fühlen können. Studien haben jedoch gezeigt, dass Fische nicht nur in der Lage sind, Schmerzen zu empfinden, sondern auch erstaunliche kognitive Leistungen vollbringen können. So können sie lernen, Symbole zu lesen und menschliche Gesichter wiederzuerkennen.

Tierische Rechenkünstler

Ein Team um Vera Schluessel von der Universität Bonn hat nun gezeigt, dass Fische sogar rechnen können. Dazu trainierten sie acht Buntbarsche und acht Stechrochen darauf, die Farbe Blau als Signal für Addition und die Farbe Gelb als Signal für Subtraktion zu erkennen. Dazu zeigten sie den Fischen jeweils Bildkarten mit ein bis fünf blauen oder gelben Symbolen. Je nach Farbe mussten die Fische entweder eins addieren oder subtrahieren.

Als Antwortmöglichkeiten präsentierten die Forschenden ihnen jeweils zwei Bildkarten, eine mit der richtigen Lösung, eine mit einer falschen. Schwamm der Fisch zur richtigen Lösung, bekam er eine Belohnung. Ähnliche Experimente wurden in der Vergangenheit bereits mit anderen Tieren durchgeführt. Dabei haben sich zum Beispiel Honigbienen als Rechenkünstler erwiesen.

Erfolg auch bei unbekannten Aufgaben

Auch die Fische konnten die Aufgabe erfolgreich lösen: Sechs Buntbarsche und vier Stechrochen erreichten im Training eine Trefferquote von über 70 Prozent, wie die Schluessel und ihre Kollegen berichten. Die Fische konnten in anschließenden Transferversuchen das Gelernte auch auf Rechenaufgaben übertragen, die sie noch nicht aus dem Training kannten.

Bei den Transferversuchen nutzten die Forschenden zum einen neue Rechenaufgaben, zum anderen variierten sie die Form und Größe der Symbole sowie die zur Auswahl stehenden Antwortmöglichkeiten. Während zum Beispiel in einem Fall für die Aufgabe drei plus eins die Antwortmöglichkeiten zwei und vier angeboten wurden, waren es in einem anderen Fall vier und fünf.

Lieber plus als minus

Auch bei diesen Aufgaben schwammen die Fische, die das Training erfolgreich absolviert hatten, meist zur richtigen Lösung. „Die Individuen lernten also nicht nur, die höchste oder niedrigste Zahl zu wählen, die auf der Grundlage der jeweiligen Farbe präsentiert wurde, sondern sie lernten speziell, exakt eins zu addieren oder zu subtrahieren“, schreiben die Forschenden.

Dabei fiel den Fischen das Addieren offenbar leichter als das Subtrahieren: Die Buntbarsche lagen bei den Transferaufgaben mit Addition in 296 von 381 Versuchen richtig (78 Prozent), die Stechrochen sogar bei 169 von 180 Tests (94 Prozent). Bei den Subtraktionsaufgaben hatten die Buntbarsche eine Trefferquote von 69 Prozent, die Stechrochen eine von 89 Prozent. Bereits im Training hatte sich gezeigt, dass die Fische Plusaufgaben schneller zu lösen lernten als Minusaufgaben.

Denken mit „primitivem“ Gehirn

„Wenn man bedenkt, welche kognitiven Aufgaben Fische bisher schon gemeistert haben, sind die Ergebnisse nicht wirklich überraschend“, schreiben Schluessel und ihr Team. „Dennoch offenbaren sie eine neue Ebene kognitiver Fähigkeiten bei diesen Arten.“ Dies sei angesichts ihrer oft als primitiv eingestuften Hirnstruktur erstaunlich. „Offensichtlich ist kein (Neo-)Cortex erforderlich, um komplexe kognitive Fähigkeiten auszuführen“, schreiben die Forschenden.

Sie sehen in ihrer Studie einen weiteren Beleg dafür, dass der tierschutzrechtliche Status von Fischen verbessert werden sollte – „insbesondere im Hinblick auf die schädlichen anthropogenen Bedrohungen, denen Fische täglich ausgesetzt sind“, so die Biologen. (Scientific Reports, 2022, doi: 10.1038/s41598-022-07552-2)

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