Es reicht noch nicht: Der dritte Teil des Weltklimaberichts unterstreicht, dass es zwar positive Ansätze beim Klimaschutz gibt, aber noch nicht genug. Er zeigt aber auch, welche Maßnahmen nötig und erfolgversprechend sind. So sind die Kosten für erneuerbare Energie drastisch gesunken und vor allem der Stadtumbau hat ungenutzte Potenziale. Nötig werden jedoch auch technische und biologische Methoden zur CO2-Entfernung aus der Luft.
Eigentlich waren die Fakten schon nach dem ersten Teil des sechsten Weltklimaberichts klar: Die Erde steuert auf eine neue Heißzeit zu und wir Menschen und unsere Treibhausgasemissionen sind schuld. Der im Februar 2022 veröffentlichte zweite Teil präzisierte noch einmal die schwerwiegenden Folgen, die der Klimawandel schon jetzt überall auf der Welt verursacht. Klar ist auch, dass die junge Generation die Hauptlast dieser Klimafolgen tragen wird.
„Wir stehen am Scheideweg“
Jetzt hat der Weltklimarat IPCC den dritten Teil seines Sachstandsberichts veröffentlicht – und auch dieser könnte in seinen Aussagen kaum deutlicher sein. In ihm ziehen Wissenschaftler die Bilanz der bisherigen Klimaschutz-Bemühungen und benennen die Möglichkeiten und Maßnahmen, die helfen könnten, das Schlimmste noch abzuwenden. „Wir stehen an einem Scheideweg: Die Entscheidungen, die wir heute fällen, können eine lebensfreundliche Zukunft noch ermöglichen“, sagt der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee.
Allerdings: Dafür ist unmittelbares Handeln nötig. Um die globale Erwärmung auf 1,5 oder zwei Grad zu beschränken, müssten die Treibhausgase-Emissionen spätestens im Jahr 2025 ihren Höhepunkt erreichen und bis 2030 um 43 oder 25 Prozent sinken. „Selbst wenn wir dies schaffen, wird es unvermeidbar sein, dass wir die Temperaturschwellen vorübergehend überschreiten“, so das IPCC. „Es heißt jetzt oder nie, wenn wir die Klimaschutzziele noch erreichen wollen“, so Jim Skea, Leiter der IPCC-Arbeitsgruppe III.
Emissionen steigen weiter, aber langsamer
Der Bericht stellt den bisherigen Klimaschutzbemühungen ein eher gemischtes Zeugnis aus. Einerseits ist die Weltgemeinschaft weit von den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens entfernt: Die Treibhausgas-Emissionen waren in der Dekade 2010 bis 2019 so hoch wie nie zuvor. Geht der Emissionstrend so weiter, wird die Erwärmung mindestens 2,8 Grad erreichen. Andererseits jedoch hat sich der globale CO2-Ausstoß gegenüber dem vorhergehenden Jahrzehnt bereits verlangsamt.
Konkret haben sich die Emissionen durch effizientere Prozesse und eine geringere Nutzung fossiler Energien im Energiesektor gegenüber vorhergehenden Dekade um 1,3 Prozent verlangsamt, die der Industrie um rund zwei Prozent. Gleich geblieben ist hingegen die Zunahme des Treibhausgas-Ausstoßes im Transportsektor. Insgesamt allerdings waren die Reduktionen bisher aber nicht groß genug, um den weltweiten Anstieg der Emissionen in nahezu allen Sektoren auszugleichen.
Es gibt positive Entwicklungen
Positiv jedoch: In vielen Bereichen gibt es erste Ansätze für eine Transformation und Dekarbonisierung – und einige hoffnungsvolle Zeichen. „Es gibt Maßnahmen, Regulierungen und Marktinstrumente, die sich als effektiv erweisen“, sagt Lee. „Wenn diese hochskaliert werden und breiter und gleichmäßiger verteilt angewendet werden, können sie tiefgreifende Emissionsverringerungen unterstützen und Innovationen fördern.“ Den IPCC-Berechnungen zufolge wurden durch solche Maßnahmen bereits Emissionen von mehreren Gigatonnen CO2 pro Jahr vermieden.
Fortschritte sehen die Wissenschaftler zum einen in Gesetzen und Maßnahmen, die Emissionen beschränken und den Klimaschutz fördern. So waren 2020 bereits rund 20 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen in CO2-Steuern oder den Emissionshandel eingebunden. „Auch wenn Abdeckung und Preise bisher nicht ausreichend waren, um tiefgreifende Reduktionen zu erzielen“, so der Bericht. In 56 Ländern gibt es zudem Klimaschutzgesetze, die direkt Vorgaben zu Emissionen machen.
Aber auch konkrete technische Maßnahmen sind im Kommen – unter anderem im treibhausgas-intensiven Industriesektor. „Für viele Grundstoffe , darunter Stahl, Baumaterialien und Chemikalien sind Produktionsprozesse mit verringerten oder keinen Treibhausgas-Emissionen schon in der Pilotphase oder kurz vor der kommerziellen Anwendungen“, so das IPCC. Allerdings sei dort noch einiges zu tun, bis Null-Emissions-Technologien auch im großen Maßstab greifen.
Kostensturz bei erneuerbaren Energien, aber zu wenig Investitionen
Positive Entwicklungen sieht die IPCC auch im Energiesektor: Dort haben sich die Kosten für erneuerbare Energien seit 2010 drastisch verringert. Bei Solarenergie sanken sie um 85 Prozent, bei Windenergie um 55 Prozent und auch die für die Elektromobilität wichtigen Lithium-Ionen-Batterien sind um 985 Prozent günstiger geworden. „Dies hat zu einem starken Ausbau geführt, beispielsweise bei Solarenergie um das mehr als Zehnfache, bei Elektrofahrzeugen um gut das Hundertfache, wenngleich dies je nach Region stark variiert“, so der IPCC-Bericht.
Auch im Bereich der Bebauung gebe es erste Fortschritte: „Wir sehen Beispiele für Null-Energie oder Null-Carbon-Gebäude in fast allen Klimazonen“, sagt Skea. Bisher allerdings seien diese Ansätze zu kleinteilig, zu wenig und zu ungleich verteilt. Hinzu kommt: Fast überall fehlt es an ausreichend Investitionen, obwohl die Mittel grundsätzlich vorhanden wären. „Die öffentlichen und privaten Finanzierungen für fossile Brennstoffe sind noch immer größer als die für Klimaschutz und Klimaanpassungen“, so der Bericht.
Potenzial auch in den Städten
Was aber kann getan werden? Neben der weiten Dekarbonisierung von Energieproduktion und Industrie sehen die IPCC-Wissenschaftler großes Potenzial auch im Gebäudesektor und bei der Nachfrage nach Energie und Gütern: Hier seien Einsparungen von 40 bis 70 Prozent möglich. Konkret könnte dies unter anderem durch energieeffizientere Gebäude, kompaktere Infrastruktur mit verkürzten Wegen zwischen Wohnen und Arbeiten, aber auch veränderte Ernährungsgewohnheiten passieren.
Vor allem in urbanen Ballungsräumen, in denen schon jetzt ein Großteil der Weltbevölkerung lebt, seien Veränderungen nötig und machbar. Diese bestehen unter anderem im Bau von Null-Emissionshäusern und einem verstärkten Recycling von Materialien, aber auch im Umbau der Transport-Infrastruktur. „Es gibt Optionen für bestehende, schnell wachsende und auch neue Städte“, so der IPCC-Bericht.
Ohne Carbon-Capture geht es nicht
Klar wird aber auch, dass die Klimaschutzziele ohne Lösungen zum CO2-Einfang aus Abgasen und Luft wohl nicht erreichbar sein werden. „Der Einsatz von CDR (CO2-Entfernung) um die schwer zu verringernden Restemissionen auszugleichen ist unvermeidbar, wenn wir Netto-Null-Emissionen erreichen wollen“, konstatieren der IPCC. Dabei sei der Grad der Reife und Umsetzbarkeit allerdings je nach Methode sehr unterschiedlich. Als weiter fortgeschritten und bereits machbar sehen die Wissenschaftler vor allem eine CO2-Bindung durch Aufforstung, angepasste Waldwirtschaft, die Renaturierung von Mooren und Bodenpflege.
Technische Lösungen wie die CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS) oder das Carbon-Capture aus der Luft durch spezielle Anlagen stuft der Bericht hingegen als teuer und zumindest bis 2030 noch als wenig effektiv ein. „Der Einsatz von CDR im großen Maßstab hängt von der Entwicklung effektiver, machbarer und nachhaltiger Ansätze ab“, so das IPCC.
Insgesamt lautet das Fazit der Wissenschaftler: Ein Erreichen der Klimaschutzziele ist machbar, viele der Methoden dafür haben wir auch schon – aber sie müssen umgesetzt werden. „Wir haben die Werkzeuge und das Knowhow, um die Erwärmung zu begrenzen“, sagt Lee. Es gelte nun, sie anzuwenden. (AR6 Climate Change 2022: Mitigation of Climate Change, Contribution of Working Group III)
Quelle: Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), UN