Die Automatisierung erleichtert Beschäftigten in der Industrie im Normalfall den Arbeitsalltag. Wenn das System allerdings gestört ist, kommt es darauf an, dass sie ihre selten angewandten Kompetenzen schnell parat haben. Wie man vor langer Zeit Gelerntes und selten genutztes Wissen und Können vor dem Einrosten bewahren kann, hat ein Team um Marina Klostermann untersucht. Gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung haben die Arbeits-, Organisations-, und Wirtschaftspsychologinnen der Ruhr-Universität Bochum (RUB) unter der Leitung von Prof. Dr. Annette Kluge dazu 58 Studien ausgewertet.
Studien aus über 45 Jahren
Dass lange nicht gebrauchtes Wissen einrostet, kennt jeder. Auch Mitarbeitenden von Industrieunternehmen geht das nicht anders. Im Fall von komplexen industriellen Prozessen in risikoreichen Industrien kann es aber katastrophale Folgen haben – man stelle sich zum Beispiel eine Chemiefabrik vor, in der es eine Störung gibt. Sitzt dann nicht jeder Handgriff, kann es schnell gefährlich werden. „Wir wollten wissen, worauf es ankommt, damit Mitarbeitende in solch einem Fall auch unter Zeitdruck ihre Kompetenzen abrufen und auf neue Situationen anwenden können“, sagt Marina Klostermann. Dazu hat sie mit ihrem Team eine fachübergreifende systematische Auswertung von 58 Studien aus den Jahren 1972 bis 2019 vorgenommen.
Ob und wie schnell Wissen sich verflüchtigt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wie komplex ist zum Beispiel der Prozess, um den es geht? Ist eine Aufgabe neu oder nur lange nicht mehr ausgeführt worden? Ebenfalls bedeutsam ist, auf welche Weise die Kenntnisse gelernt wurden. „Wir konnten feststellen, dass Feedback, Hirnstimulation und Hilfsmittel wie das sogenannte Gaze-Guiding (ein Instrument, um Lernende zu unterstützen ihre Aufmerksamkeit auf relevante Systeminformationen zu lenken) beim Erlernen und Behalten einer komplexen kognitiven Fertigkeit während Trainings helfen“, erklärt Marina Klostermann. Einen Einfluss haben auch die Lernenden. Ihre allgemeinen kognitiven Fähigkeiten spielen ebenso eine Rolle wie ihre Motivation und ihre Erfahrung. „Je ausgeprägter diese Faktoren waren, desto wahrscheinlicher ist, dass Kompetenzen über lange Zeit erhalten bleiben und auf neue Situationen übertragen werden können“, fasst Marina Klostermann zusammen.
Auch kleine Maßnahmen sind erfolgreich
Viele Industrieunternehmen begegnen dem drohenden Verlust der Kompetenzen ihrer Mitarbeitenden mit Auffrischungsangeboten. „Auch wenig aufwändige Interventionen können sehr hilfreich sein“, so Marina Klostermann. Das Auffrischen durch Beobachtung, zum Beispiel in einem Video, kann etwa Fertigkeiten ins Gedächtnis rufen und auch dazu beitragen, dass die Mitarbeitenden dieses Wissen auch auf neue Situationen anwenden können. Personen mit weniger Erfahrung profitieren mehr von praktischen Übungen als von rein kognitiven Wiederholungen. „Bei der Konzeption einer Auffrischungsmaßnahme sollte man die Person im Auge haben, für die man die Maßnahme plant“, so Marina Klostermann. „Ihr Lernstadium und ihre Vorlieben beeinflussen den Erfolg.
Quelle: Ruhr-Universität Bochum