Physik

Neustart für den Large Hadron Collider (LHC)

Weltstärkster Teilchenbeschleuniger könnte endlich Belege für "neue Physik" liefern

LHC
Nach drei Jahren Pause für Umbauten und Verbesserungen startet der Large Hadron Collider (LHC) nun mit seiner dritten Laufzeit. © CERN/ Daniel Dominguez

Der größte und stärkste Teilchenbeschleuniger der Erde läuft wieder: Am 22. April hat der Large Hadron Collider (LHC) des CERN seine drei Jahre lange Umbaupause beendet – die ersten Protonen zirkulierten wieder im Beschleunigerring. In ihm sind nun mehr und energiereichere Kollisionen möglich, die vier großen Detektoren wurden weiter optimiert. Sie könnten nun Hinweise auf Abweichungen vom Standardmodell erhärten. Außerdem sollen zwei neue Detektoren gezielt nach Teilchen der Dunklen Materie suchen.

Er ist die mit Abstand größte Maschine der Welt: Seit 2008 beschleunigt der 27 Kilometer große Ring des Large Hadron Collider (LHC) Protonen und schwere Atomkerne auf Rekordenergien und lässt sie kollidieren. In seinen Teilchendetektoren wurde 2012 das Higgs-Boson nachgewiesen. Seither allerdings blieben große Entdeckungen zur Enttäuschung vieler Physiker aus – trotz der in der zweiten Laufzeit des Teilchenbeschleunigers verdoppelten Leistung.

LHC-Kontrollraum
22. April 2022: Gespanntes Warten auf die ersten Protonenstrahlen im Kontrollraum des LHC. © CERN/ Julien Marius Ordan, Jacques Herve Fichet

Doch in den letzten Jahren haben die Daten des LHC zumindest einige Indizien dafür geliefert, dass es womöglich Teilchen und Kräfte jenseits des etablierten Standardmodells der Teilchenphysik gibt. Dazu gehören im LHC festgestellte Anomalien beim Zerfall des B-Mesons, aber auch Auffälligkeiten beim Zerfall des Beauty-Quarks. Bisher waren diese Anomalien aber nicht ausreichend signifikant, um offiziell als Entdeckung zu gelten.

Start der dritten Laufzeit

Das könnte sich nun ändern: Nach einer dreijährigen Umbaupause ist der Large Hadron Collider nun wieder angelaufen. Am 22. April 2022 zirkulierten erstmals wieder Protonen in zwei entgegengesetzten Strömen durch den Beschleunigerring. „Noch enthielten diese Teilchenstrahlen relativ wenige Protonen und erreichten nur niedrige Energien“, erklärt der Leiter der LHC-Strahlkontrolle Rhodri Jones. Die Protonen zirkulierten nur mit 450 Gigaelektronenvolt – das entspricht der Energie, mit der sie in den Ring eingespeist wurden.

„Aber diese ersten Strahlen markieren den erfolgreichen Neustart des Beschleunigers nach all der harten Arbeit des Long Shutdown“, erklärt Jones. Im Laufe der nächsten Wochen und Monate wird das LHC-Team nun die Energien langsam immer weiter erhöhen und die Funktionen aller Bauteile und der vier großen Detektoren ATLAS, CMS, LHCb und ALICE testen. Im Sommer soll dann die auf vier Jahre angelegte dritte Laufzeit der Datenerhebung am Teilchenbeschleuniger beginnen.

Höhere Energie und mehr Kollisionen

In den drei Jahren der Umbaupause hat das CERN sowohl am Beschleuniger selbst wie auch an den vier großen Detektoren umfangreiche Umbauten durchgeführt, die die Leistung und Sensitivität der Komponenten noch einmal stark erhöhen. So wurden am LHC mehrere supraleitende Magnete ausgetauscht, das Kühlsystem optimiert und auch die zuführenden Ringbeschleuniger aufgerüstet, so dass die Teilchen schon mit höherer Anfangsenergie in den LHC eingespeist werden.

Dadurch steigert sich die erreichbare Kollisionsenergie auf 13,4 Teraelektronenvolt – ein neuer Rekordwert. Noch wichtiger aber ist, dass auch die Menge und Dichte der im Ring beschleunigten Protonen stark erhöht wird. Dadurch erhöht sich auch die Zahl der Kollisionen in den Detektoren und damit die Chance, seltener auftretende Teilchen und Effekte zu entdecken.

Neustart für den Large Hadron Collider (LHC).© CERN

Bessere Teilchenfänger für ATLAS und Co

Um den verstärkten Einstrom von Teilchen durch die Kollisionen auswerten zu können, haben auch die vier Hauptexperimente des LHC neue, verbesserte Teilchensensoren und Analysetechnologien erhalten. Im ATLAS-Detektor wurden vor allem die fast zehn Meter großen, ringförmigen Myonen-Sensoren erneuert und ihre Sensitivität und Auflösung für die bei den rund 40 Millionen Kollisionen pro Sekunde freiwerdenden Teilchen erhöht.

CMS
Blick in den geöffneten CMS-Detektor, der wie die anderen drei großen Experimente aufgerüstet und optimiert wurde. © CERN/ Samuel Joseph Hertzog

Auch der CMS-Detektor hat neue Sensoren und Pixeltracker erhalten, außerdem wurde das zuvor in diesem Bereich aus Edelstahl bestehende Strahlrohr gegen ein neues aus einer Aluminiumlegierung ausgetauscht. ATLAS und CMS werden durch ihre Upgrades in der neuen Laufzeit mehr Kollisionen verarbeiten und analysieren können als in den beiden vorhergehenden Laufzeiten zusammen, wie das CERN berichtet.

Der für die Zerfälle des Beauty-Quarks ausgelegte LHCb-Detektor wurde fast komplett erneuert und kann nun dreimal mehr Kollisionen auswerten als zuvor. Er könnte damit die Anomalien bestätigen und erhärten, die schon in der letzten Laufzeit bei diesen Zerfällen beobachtet worden waren. Der vierte im Bunde, der ALICE-Detektor, hat ebenfalls zahlreiche neue Teilchentracker erhalten und kann künftig 50-mal mehr Schwerionen-Kollisionen aufzeichnen als zuvor.

Zwei neue Detektoren für die Dunkle Materie

Für die neue Laufzeit wurde der LHC auch um zwei neue Experimente ergänzt. Das Forward Search Experiment (FASER) liegt 480 Meter hinter dem ATLAS-Detektor und ist darauf spezialisiert, besonders leichte und nur schwach wechselwirkende Teilchen zu detektieren – unter ihnen könnten sich die lange gesuchten Teilchen der dunklen Materie verbergen. Der Subdetektor FASERv kann zudem die bei den Kollisionen und Zerfällen freiwerdenden Neutrinos einfangen – auch sie könnten Hinweise auf die Natur der Dunklen Materie liefern.

Ebenfalls auf Neutrinos ausgelegt ist der neue Scattering and Neutrino Detector (SND@LHC). Anders als FASERν liegt dieser neue Detektor aber nicht direkt im Beschleunigerring, sondern leicht seitlich davon. Dadurch kann er auch die Neutrinos detektieren, die in größerem Winkel von den Protonenkollisionen ausgehen. Auch dies könnte dabei helfen, endlich die Teilchen der Dunklen Materie dingfest zu machen.

Quelle: CERN

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