Neuer Ansatz gegen Darmkrebs: Ein bei der fettreichen und kohlehydratarmen Keto-Diät gebildetes Molekül verhindert Darmkrebs und stoppt das Wachstum bestehender Tumoren, wie Tests mit Mäusen und menschlichen Zellkulturen belegen. Demnach hemmt eine orale Gabe des ketogenen Moleküls Beta-Hydroxybutyrat das Wachstum von Krebszellen und Tumoren – selbst bei normaler Ernährung. Das könne neue Möglichkeiten der Darmkrebs-Therapie und Vorbeugung eröffnen, berichten Forschende in „Nature“.
Fett ja, Kohlenhydrate nein: Die ketogene Diät ist eine extreme Form der fettreichen Low-Carb-Ernährung, bei der Fette bis zu 90 Prozent der gesamten Kost ausmachen. Auf Dauer ist dies zwar wenig gesund, es kann aber gesundheitsfördernde Umstellungen im Stoffwechsel verursachen: Wie beim Fasten verbrennt der Körper vorwiegend Fett und dadurch werden in der Leber sogenannte Ketonkörper gebildet – Moleküle wie Acetoacetat und Beta-Hydroxybutyrat (BHB).
Studien legen nahe, dass die Keto-Diät und die dabei gebildeten Ketonkörper das Immunsystem stärken, beim Abnehmen helfen und den Blutzuckerspiegel senken können. Auch entzündungshemmende Effekte werden den ketogenen Molekülen zugeschrieben.
Keto-Diät hemmt Darmkrebs-Wachstum
Jetzt lieferte eine Studie Hinweise darauf, dass das ketogene Molekül Beta-Hydroxybutyrat sogar gegen Krebs wirksam sein könnte. Oxana Dmitrieva-Posocco von der University of Pennsylvania in Philadelphia und ihre Kollegen hatten dafür zunächst untersucht, ob eine ketogene Diät bei Mäusen die Bildung und das Wachstum von Darmkrebs-Tumoren beeinflussen kann. Die Tiere erhielten dafür verschiedene Futtermischungen, darunter ein ketogenes Futter mit 70 und 90 Prozent Fettanteil.
Tatsächlich zeigten sich deutliche Effekte: „Wir haben beobachtet, dass die Größe und Zahl der Tumoren mit zunehmenden Fettanteil im Futter abnahmenm“, berichtet das Team. Die Keto-Diät hemmte bei den Mäusen sowohl die Neubildung der Darmkrebs-Geschwüre als auch das Wachstum schon bestehender Tumore. „Das deutet darauf hin, dass eine ketogene Diät sowohl als Vorbeugung wie als Behandlung gegen Darmkrebs wirkt“, sagen die Wissenschaftler.
Ketogenes Molekül wirkt auch ohne Diät krebshemmend
Doch was steckt dahinter? Nähere Analysen enthüllten, dass vor allem ein Molekül für die krebshemmende Wirkung der ketogenen Diät verantwortlich ist: der Ketonkörper Beta-Hydroxybutyrat. Bekamen Testmäuse dieses Molekül verabreicht, hemmte dies das Darmkrebswachstum auch bei normalem Futter. „Die Behandlung mit BHB allein reichte aus, um die Tumorlast im Dickdarm zu senken“, berichten Dmitrieva-Posocco und ihre Kollegen.
Anschließende Untersuchungen unter anderem an Darmorganoiden und Zellkulturen ergaben, dass das ketogene Beta-Hydroxybutyrat ein Gen aktiviert, das die Zellen der Darmwand langsamer wachsen lässt – und das auch das Wachstum der entarteten Krebszellen stört. Offenbar reagieren dabei vor allem die Zellen auf das BHB, die einen bestimmten Rezeptor, Hcar2, auf ihrer Oberfläche tragen.
Funktioniert auch bei menschlichen Zellen
Die entscheidende Frage ist jedoch, ob diese Krebshemmung auch beim Menschen funktioniert. Um das herauszufinden, haben Dmitrieva-Posocco und ihr Team bereits erste Versuche mit menschlichen Tumororganoiden und Darmkrebs-Zelllinien durchgeführt. Das Ergebnis: Auch beim Menschen scheinen Darmkrebs-Tumore auf das Beta-Hydroxybutyrat zu reagieren. Allerdings sind nicht alle Darmkrebs-Zelllinien anfällig für die BHB-Wirkung, wie die Forschenden berichten.
Dennoch sehen die Wissenschaftler im Ketonkörper Beta-Hydroxybutyrat einen vielversprechenden neuen Ansatz für die Vorbeugung und Therapie von Darmkrebs beim Menschen. „Das Molekül könnte eines Tages zur Standardkomponente der colorektalen Krebstherapie und Prävention werden“, sagt Seniorautor Maayan Levy von der University of Pennsylvania. Denkbar wäre beispielsweise, dass Beta-Hydroxybutyrat ergänzend zu Operationen oder der Chemotherapie verabreicht wird.
Klinische Studie in Planung
Die Forschenden warnen Darmkrebs-Patienten jedoch davor, nun auf Verdacht dauerhaft einer Keto-Diät zu folgen oder auf eigene Faust Beta-Hydroxybutyrat einzunehmen. „Selbst wenn ernährungsbasierte Interventionen attraktiv erscheinen, kann der chronische Konsum einer so spezifischen Diät systemische Nebenwirkungen hervorrufen“, schreiben sie. Umso vielversprechender sei der tumorhemmende Effekt des Beta-Hydroxybutyrats auch bei normaler Ernährung.
Bis das ketogene Molekül jedoch zur Krebstherapie eingesetzt werden kann, ist noch einiges an Forschung und klinischen Studien nötig, wie das Team betont. Eine erste solche Studie ist jedoch bereits in Planung. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-022-04649-6)
Quelle: University of Pennsylvania School of Medicine