Istanbul, Athen und Neapel, aber auch Lissabon, Brüssel und Basel: Diese europäischen Städte sind besonders anfällig gegenüber schwerwiegenden Folgen eines Erdbebens, wie die erste Erdbebenrisikokarte für Europa enthüllt. Anders als bloße Gefährdungskarten zeigt die neue Risikokarte, wo Untergrund, Bausubstanz und Bebenhäufigkeit das Risiko für Bevölkerung und Wirtschaft in die Höhe treiben. Eine weitere Karte zeigt die aktualisierte Erdbebengefahr in Europa.
Erdbeben ereignen sich vor allem dort, wo tektonische Platten aneinandergrenzen und durch ihre Bewegungen Spannungen im Gestein entstehen. Anhand geophysikalischer Daten und historischer Beben lässt sich meist abschätzen, wie hoch die Erdbebengefahr für ein Gebiet oder eine Stadt ist. So zeigen Gefährdungskarten für Deutschland, das es im Rheingraben, im Voralpenland, aber auch an der tschechischen Grenze häufiger Erschütterungen gibt.
Gefährdung in Südosteuropa am höchsten
Wie es damit in Europa aussieht, zeigt jetzt zum einen eine aktualisierte Erdbebengefährdungskarte, die ein europäisches Forschungsteam unter Leitung des Schweizer Erdbebendienstes erstellt hat. Die interaktive Karte beruht auf neuen Daten zur Seismologie, Geodynamik und Bebenhäufigkeit, die die Wissenschaftler in ein weiterentwickeltes Erdbebenmodell implementiert haben.
Das aktualisierte Modell bestätigt die Türkei, Griechenland, Albanien, Italien und Rumänien als die Länder mit der höchsten Erdbebengefährdung in Europa, gefolgt von den anderen Ländern des Balkans. Gegenüber früheren Gefährdungskarten wurden die Einschätzungen der zu erwarteten Bodenerschütterungen für einige Regionen in der westlichen Türkei, Griechenland, Albanien, Rumänien sowie den Süden Spaniens und Portugals nach oben korrigiert.
Erdbebenrisiko: Wo sind die Auswirkungen am schwersten?
Eine zweite Karte zeigt das Erdbebenrisiko in Europa – es ist die erste europäische Kartierung dieser Art. Das Erdbebenrisiko beschreibt die Auswirkungen, die ein Erdbeben auf Bevölkerung und Wirtschaft hätte. Dafür werden Informationen über den lokalen Untergrund, die Gebäude- und Bevölkerungsdichte, die Verletzbarkeit von Gebäuden sowie die Erdbebengefährdung mit einbezogen.
Die Risikokarte enthüllt, dass Städte wie Istanbul und Izmir in der Türkei, Catania und Neapel in Italien, Bukarest in Rumänien und Athen in Griechenland das höchste Risiko aufweisen. Allein auf diese vier Länder entfallen fast 80 Prozent des modellierten wirtschaftlichen Schadens, den Erdbeben im jährlichen Durchschnitt in Europa verursachen. Ursache dafür ist neben der Lage an aktiven Verwerfungen auch eine alte, wenig erdbebensichere Bausubstanz.
Aber auch Städte wie Zagreb, Tirana, Sofia, Lissabon, Brüssel und Basel tragen ein überdurchschnittlich hohes Erdbebenrisiko verglichen mit weniger exponierten Städten wie Berlin, London oder Paris. Die neue Kartierung und das Wissen um das Erdbebenrisiko können dazu beitragen, gezieltere Vorsorgemaßnahmen zu treffen und so die möglichen Folgen zu verringern.
Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)