Subtile Signale: Wenn wir sexuell erregt sind, lässt sich dies auch an unserem Atem ablesen. Denn unsere Ausatemluft enthält dann eine charakteristische Signatur flüchtiger Moleküle, wie nun ein Experiment nahelegt. Dabei atmeten sexuell erregte Testpersonen weniger Isopren und Kohlendioxid aus, dafür stieg vor allem bei Männern der Gehalt an Phenol, Kresol und Indol – Verbindungen, die eng mit bestimmten Hirnbotenstoffen verknüpft sind.
Unser Atem kann eine ‚Menge über unser körperliches und emotionales Innenleben verraten. Denn mit der Ausatemluft geben wir nicht nur Kohlendioxid und andere Luftbestandteile ab. Auch Abbauprodukte unseres Stoffwechsels in Form flüchtiger organischer Verbindungen gelangen über das Blut und die Lunge in unseren Atem. Dadurch können beispielsweise Hunde Krankheiten wie Krebs oder Covid-19 erschnüffeln. Aber auch Angst oder Stress verändern die Zusammensetzung unserer Ausatemluft.
Erotikvideo schauen für die Wissenschaft
An diesem Punkt setzt das Experiment von Nijing Wang vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und ihren Kollegen an. Sie wollten wissen, ob auch sexuelle Erregung eine spezifische chemische Signatur in unserer Ausatemluft hinterlässt. Dafür baten sie zwölf Männer und zwölf Frauen, sich vier verschiedene zehnminütige Filmclips anzuschauen: eine Naturdokumentation, einen Horrorfilm, ein Fußballspiel und einen Erotikfilm.
Während des Videoguckens wurde der Erregungszustand der Testpersonen auf klassische Weise durch Sensoren an den Genitalien überwacht, außerdem wurden sie nach jedem Video nach ihrem subjektiven Erregungszustand gefragt. Zusätzlich trugen alle Teilnehmenden eine spezielle Maske, die ihre Ausatemluft ableitete. Diese analysierte das Forschungsteam auf rund 100 flüchtige organische Verbindungen hin.
Weniger Kohlendioxid und Isopren
Die Auswertung ergab: Wenn ein Mensch sexuell erregt ist, verändert sich auch seine Ausatemluft. Das Team konnte bei den Testpersonen während der Erotikvideos eine charakteristische Signatur flüchtiger Moleküle im Atem nachweisen. So sank zum einen die Konzentration von Kohlendioxid und Isopren (C5H8) signifikant ab. Beide Atemgase hängen eng mit der Durchblutung und dem Blutaustausch-Volumen in der Lunge zusammen.
„Dass die Konzentration von CO2 und Isopren im Atem sank, könnte daran liegen, dass die Genitalien stärker durchblutet waren, die Muskeln und Lunge dagegen weniger“, erklärt Wang. Parallel dazu verringerten sich bei diesen Molekülen auch die individuellen Unterschiede zwischen den Teilnehmenden. Dies schreiben die Wissenschaftler der stärker fokussierten Aufmerksamkeit und verringerten Bewegung ihrer Versuchspersonen zu: „Sexuelle Stimuli fesseln die Aufmerksamkeit stärker als andere emotionale Reize“, erklären sie.
Chemische Signatur von Neuro-Botenstoffen
Zum anderen jedoch erhöhte sich bei sexueller Erregung auch der Gehalt bestimmter Moleküle in der Ausatemluft, wie die Analysen enthüllten. Dazu gehörten vor allem bei den Männern Phenol (C6H6O), Kresol (C7H8O) und Indol (C8H7N). Diese Verbindungen entstehen, wenn Vorläufersubstanzen der Neuro-Botenstoffe Serotonin, Dopamin und Noradrenalin im Körper abgebaut werden.
„Diese Neurotransmitter werden bei sexueller Erregung ausgeschüttet und spielen eine entscheidende Rolle im menschlichen Sexualverhalten“, erklären Wang und ihre Kollegen. So gilt Dopamin als euphorisierender „Glücklichmacher“, Noradrenalin weitet die Gefäße und fördert generell den Erregungszustand, Serotonin ist hingegen eher mit der Selbstbeherrschung in einer solche Situation verknüpft.
Bei einer der Teilnehmerinnen ließ sogar direkt den Botenstoff Dopamin in der Ausatemluft nachweisen. „Auch das legt eine direkte Verbindung der Atemkomponenten zur sexuellen Erregungsreaktion nahe“, so das Team. Im Allgemeinen fielen die Reaktionen der Frauen jedoch sowohl bei den klassischen Messungen als auch bei der Atemluft weniger eindeutig aus als bei den Männern.
Können wir diese Veränderungen beim Partner wahrnehmen?
Auch wenn dies nur ein erster Pilotversuch mit wenigen Testpersonen war, halten Wang und ihre Kollegen es für sehr wahrscheinlich, dass sich die sexuelle Erregung eines Menschen auch durch die chemische Signatur der Ausatemluft messen lässt. Das wäre gegenüber störenden Genitalsonden ein großer Vorteil für Forschung und Medizin und könnte beispielsweise neue Erkenntnisse über sexuelle Funktionsstörungen erbringen.
Interessant ist aber auch die Frage, ob diese subtilen chemischen Signale möglicherweise auch von anderen Menschen unbewusst wahrgenommen werden können: Detektieren wir beim Sprechen, Umarmen oder Küssen womöglich diese Signale beim Partner? Ob das der Fall ist, möchte das Forschungsteam nun in Folgestudien untersuchen. (Scientific Reports, 2022; doi: 10.1038/s41598-022-10325-6)
Quelle: Max-Planck-Gesellschaft