Reversibles „Belauschen“: Nach gängiger Lehrmeinung kollabiert der quantenphysikalische Zustand der Überlagerung, sobald eine Messung erfolgt – dies verdeutlicht das berühmte Gedankenexperiment von Schrödingers Katze. Doch was passiert, wenn man die Box dieser Katze nur ein klein wenig öffnet und beispielsweise nur ihren Schwanz sieht? Die Folgen einer solchen unvollständigen Messung haben Physiker nun in einem Quantenexperiment näher untersucht.
Die Überlagerung ist ein typisches Phänomen der Quantenwelt: Ein Teilchen kann dabei mehrere Zustände gleichzeitig einnehmen. Erst bei einer Messung tritt irreversibel einer der Zustände ein – die Überlagerung kollabiert. Eine Analogie dazu ist das berühmte Gedankenexperiment von Schrödingers Katze: Das mit einem Gift in einem verschlossenen Kasten sitzende Tier ist solange in einem Zustand zwischen Leben und Tod, bis man nachschaut.
Der Überlagerungszustand bildet die Grundlage zahlreicher quantenphysikalischer Anwendungen, von der Unknackbarkeit der Quantenkryptografie bis zur Rechenkraft von Quantencomputern.
Wie viel „Reinschauen“ geht noch?
Doch wie fragil ist die quantenphysikalische Überlagerung? Und wie irreversibel der Effekt einer Messung? Das haben nun Physiker um Seongjin Hong vom Korea Institute of Science and Technology (KIST) näher untersucht. In ihrem Experiment verwendeten sie als „Katze“ ein Photon mit drei möglichen Quantenzuständen, ein sogenanntes Qutrit. Während sich dieses Photon im Zustand der Überlagerung befand, führte das Team unterschiedlich weitgehende Teilmessungen seines Zustands durch.
Ziel war es dabei zu ermitteln, inwieweit die Teilmessungen zu einem Kollabieren der Überlagerung führen und ob geringere Störungen möglicherweise doch reversibel sein könnten. Auf Schrödingers Katze übertragen: Sie öffneten den Kasten nur so weit, dass sie den Schwanz oder das Hinterteil der Katze sahen, aber nicht ihren Gesamtzustand. Anschließend stellten sie fest, wie viel Information durch diese sogenannte schwache Messung gewonnen wurde, wie viel in Überlagerung blieb und damit die Information behielt und wie viel irreversibel gestört wurde.
Überlagerung bleibt trotz Teilmessung
Das Ergebnis: Tatsächlich kollabiert die Überlagerung bei einer nur schwachen Messung nicht vollständig. Stattdessen bleibt ein Teil Information im ungestörten Zustand übrig, ein weiterer Anteil wird zwar gestört, lässt sich aber wieder zurück in die Überlagerung bringen. Allerdings kommt es bei einer solchen reversiblen Teilmessung entscheidend auf den Grad der abgezweigten Information an, wie das Team feststellte.
„Je mehr Information eine Messung gewinnt, desto stärker wird der Überlagerungszustand gestört und desto weniger ist diese Störung reversibel“, erklären Hong und seine Kollegen. „Denn die verschiedenen Anteile der Information stehen in einer gegenseitigen Wechselbeziehung, die alle drei gleichzeitig beeinflusst.“ Das bedeutet: Ändert sich das Ausmaß der Teilmessung, verschieben sich die Anteile der noch ungestört oder reversibel gestört übermittelbaren Information ebenfalls.
Unbemerktes Belauschen funktioniert nicht
Das Experiment bestätigt jedoch auch, dass ein heimliches „Belauschen“ von Quanteninformation durch Messungen Dritter nicht unentdeckt möglich ist. Denn um verwertbare Information abzuziehen, müsste der Datendieb die Teilmessung so weit ausdehnen, dass die Überlagerung kollabieren würde – und dies würde der rechtmäßige Empfänger merken.
„Dies stärkt die Sicherheit der Quantenkryptografie selbst gegenüber schwachen Messungen im Quantenraum“, konstatieren die Forschenden. Gleichzeitig könnten ihre Erkenntnisse dazu beitragen, die Quantenkommunikation zu optimieren. (Physical Review Letters, 2022; doi: 10.1103/PhysRevLett.128.050401)
Quelle: National Research Council of Science & Technology