In dem auf humanen Blutkonserven basierenden Nährmedium Humanes Plättchenlysat (HPL) sieht Dr. Hatim Hemeda ein großes Potenzial in der Weiterentwicklung von Stammzelltherapien. Der Mitgründer und CEO des Biotechunternehmens PL BioScience erklärt im Interview mit „scinexx“, warum.
Herr Dr. Hemeda, Sie entwickeln und vertreiben mit Ihrem Unternehmen PL BioScience Humanes Plättchenlysat. Was sind Ihre Beweggründe?
Die Idee entstand 2013 im Labor, als ich noch am Helmholtz-Institut für Biomedizinische Technik der RWTH Aachen gearbeitet habe. Damals forschte ich als Zellbiologe im Bereich der automatisierten Isolierung humaner Stammzellen. Dabei stieß ich auf ein Nährmedium aus menschlichem Thrombozytenkonzentrat, HPL, das damals nicht kommerziell erhältlich war. Wir stellten HPL in unserer Arbeitsgruppe in kleinem Maßstab selbst her und erzielten damit viel bessere Ergebnisse als mit FBS.
Um die Reproduzierbarkeit zu gewährleisten, suchten wir nach einem standardisiert hergestellten HPL. Als diese Suche scheiterte, war die Idee zur PL BioScience geboren. Anfang 2015 wurde aus der Idee ein Start-up: Zusammen mit meinem Geschäftspartner Christian Wilkes gründete ich, ebenfalls in Aachen, die PL BioScience GmbH. Unser Ziel: Ein effizientes und sicheres Zellkulturmedium herzustellen und zu vertreiben, um die Brücke zwischen Forschung und Klinik zu schlagen.
Kann HPL mit dem Standardmedium mithalten?
HPL ist eine sichere und wissenschaftlich geprüfte Alternative zu Fetalem Kälberserum (FBS). Die Einsatzgebiete decken sich in der Grundlagenforschung zu großen Teilen mit denen von FBS und umfassen eine Vielzahl humaner und tierischer Primärzellen sowie Zelllinien. In vielen Bereichen der akademischen Forschung ist FBS deshalb durch HPL ersetzbar. Die Qualität des Zellwachstums und die Performance der Zellkultur sind vergleichbar oder besser, wie publizierte Studien mit HPL von PL BioScience belegen.
So veröffentlichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Würzburg im Jahr 2019 in der Open-Access-Datenbank der Fachzeitschrift „Nature“ ihre Ergebnisse zur Verträglichkeit von Biomaterialien. Bei der Anzucht von Makrophagen und Mesenchymalen Stammzellen (MSC) in verschiedenen Nährmedien schnitt HPL besser ab als FBS. Eine Arbeitsgruppe des Universitätsklinikums Heidelberg belegte 2020 in einer im Journal „Cells“ publizierten Studie den positiven Einfluss von HPL auf die Zellproliferation Mesenchymaler Stammzellen; mit HPL erzielte die Gruppe eine doppelt so schnelle Proliferationsrate wie mit FBS.
Ihr HPL basiert auf „abgelaufenen“ menschlichen Blutkonserven. Ethisch ist das selbstverständlich dem Standard überlegen. Wie sieht es aber mit der Qualität der Lösung aus?
Mit unserem HPL bieten wir eine tierfreie und qualitativ bessere Alternative zum FBS an. Für klinische Studien, etwa in der Stammzelltherapie, ist FBS meist ungeeignet. Es birgt Risiken wie die potenzielle Übertragung von Prionenerkrankungen und die Möglichkeit, dass eine nachteilige Immunantwort beim Patienten hervorgerufen wird. Unser HPL löst dieses Problem, denn es wird gemäß GMP (Gute Herstellungspraxis) hergestellt.
Darüber hinaus fördert es das Zellwachstum für humane Stammzellen, die für die Entwicklung von Zelltherapien verwendet werden, sogar besser als FBS. Das liegt neben der Zusammensetzung unserer Produkte auch am humanen Ursprung sowohl der kultivierten Zellen als auch unseres Mediums. Genauso kann unser HPL aber auch zur Kultivierung anderer primärer Zellen und Zelllinien eingesetzt werden. So fördern unsere wissenschaftlich geprüften Produkte die Zellkultivierung in allen Stadien der Entwicklung regenerativer Therapien – von der Grundlagenforschung bis zur Zellproduktion für Stammzelltherapien.
Kritikpunkte an FBS sind unter anderem potenzielle Verunreinigungen, die Übertragbarkeit von nicht entdeckten Krankheiten sowie Unterschiede nach Chargen. Ist das bei HPL nicht genauso?
Nein, HPL ist da klar überlegen. Es handelt sich bei den Thrombozytenkonzentraten ja um ein Rohmaterial, das bereits für den Einsatz am Patienten, nämlich zur Transfusion, zugelassen wurde. Wir arbeiten mit zertifizierten Blutbanken zusammen, durch die das Ausgangsmaterial auf Viren untersucht und freigegeben wurde. Um höchste regulatorische Anforderungen auf Kundenseite zu erfüllen, bieten wir zudem ein HPL an, das zusätzlich durch Virusinaktivierungsschritte behandelt wurde. Alles in allem vergleicht man hier die Situation von Blutspendezentren und deren höchsten Qualitätsstandards mit der Gewinnung von FBS auf Schlachthöfen.
Aufgrund der Homogenität von HPL sind keine ständigen Überprüfungen der Chargen nötig. Durch große Pools von Thrombozytenkonzentraten ist die Chargenkonsistenz sichergestellt und damit auch die Reproduzierbarkeit von Studienergebnissen. In der Praxis bedeutet das: Anders als bei FBS müssen Chargen nicht vor Verwendung durch die Anwender selbst getestet und qualifiziert werden.
Wenn Sie rein chemische Nährlösungen und HPL vergleichen – schneidet eine der alternativen Nährmedien besser ab?
In der klinischen Forschung schneidet HPL besser ab. Chemisch definierte Medien werden aus synthetisch hergestellten Komponenten in exakten Konzentrationen zusammengesetzt. Protokolle zur Zusammensetzung müssen zudem in den Laboren individuell pro Zelle und Anwendung erprobt werden, unter Zugabe essenzieller Faktoren, zum Beispiel Wachstumsfaktoren. Diese müssten synthetisch rekonstruiert werden, weshalb häufig Wachstumsfaktoren tierischen Ursprungs beigemischt werden. Das ist notwendig, um das Zellwachstum zu ermöglichen.
Die Auswahl vorgefertigter synthetischer Medien ist noch begrenzt und diese sind teils patentrechtlich geschützt, was die Preise hochtreibt. Eine Offenlegung der Inhaltsstoffe und deren Konzentrationen würde das Vertrauen der Forschenden stärken.
Humane Wachstumsfaktoren werden während des Herstellungsprozesses von HPL extrahiert. Das Endprodukt ist ein Lysat, das reich ist an Wachstumsfaktoren und Zytokinen, die die Zellproliferation stimulieren sowie den Phänotypen und das Differenzierungspotenzial der Zellen erhalten. Das sorgt für einen geeigneten Nährboden, der das Zellwachstum fördert und eine Grundlage für aussichtsreiche Therapieansätze in der Humanmedizin bietet.
Forschende, die mit FBS arbeiten, fürchten Komplikationen beim Wechsel auf ein anderes Nährmedium. Berechtigterweise?
Der Wechsel von FBS zu HPL erfolgt in der Praxis unkompliziert, ohne ausschlaggebende Anpassungen der Arbeitsschritte. Werden die im HPL vorkommenden Gerinnungsfaktoren (Fibrinogene) während des Produktionsprozesses nicht entfernt, kann eine Gerinnung im fertigen Medium durch die Zugabe von Antikoagulanzien (zum Beispiel Heparin) vermieden werden. Diese können Anwenderinnen und Anwender dem Basalmedium zusammen mit dem HPL beimischen. Daneben sind Fibrinogen-depletierte HPL-Varianten verfügbar (also ohne Gerinnungsfaktoren), sodass die Zugabe eines Antikoagulanz obsolet ist.
Bei tierischen Zellen kann eine sequenzielle Adaption der Zellen an das neue Zellkultursupplement notwendig sein. Dieser Vorgang ist nach ein bis zwei Passagen abgeschlossen. Humane Zellen vertragen in der Regel einen direkten Wechsel zu HPL. Bei dem Wechsel gilt es, die optimale Konzentration (also den Anteil des Humanen Plättchenlysats im Gesamtmedium) auszumachen. Ist diese Konzentration einmal ermittelt, lässt sich der Zellkulturprozess nahtlos fortführen.
Sie arbeiten seit mehreren Jahren mit HPL. Wo sehen Sie die größten Hürden, FBS vom Thron zu stoßen?
FBS ist seit Jahrzehnten Bestandteil zahlreicher Zellkulturlabore und wird breit verwendet, Forschungsergebnisse basieren auf FBS. Die Umstellung wird da häufig gescheut. Viele Anwender wissen nicht, wie FBS produziert wird und sind sich der ethischen Problematik nicht bewusst. Andere sind sich darüber bewusst und kommen auf uns zu, weil sie aus ethischen und nachhaltigen Motiven eine Alternative suchen. Andere haben von HPL gehört und wollen von den verbesserten Ergebnissen bei der Kultivierung humaner Stammzellen mit HPL profitieren.
Die Zelltherapie entwickelt sich rasant weiter und neue Anwendungsgebiete sind oft nur dann möglich, wenn das Nährmedium hier mithalten kann, also es für klinische Studien zugelassen ist. HPL ermöglicht vor allem bei Stammzelltherapien mehr Anwendungsgebiete als FBS.
Herr Dr. Hemeda, wie optimistisch sind Sie, dass die Stammzellforschung mithilfe von HPL ihre Therapieansätze verbessern wird?
Durch das zur Transfusion freigegebene humane Ausgangsmaterial eignet es sich besonders gut für die Stammzellkultivierung. Da mit HPL sowohl die kultivierten Zellen als auch das Medium humanen Ursprungs sind, ist ein nahtloser Transferprozess von Forschungsergebnissen in die Therapie möglich. So können Zellen von der Grundlagenforschung bis zur Stammzelltherapie in einem Medium kultiviert werden.
Junge Forschende haben bereits heute die Möglichkeit, HPL einzusetzen und so von Anfang an einen Beitrag zu nachhaltiger Forschung zu leisten. Nachhaltig nicht nur im Hinblick auf unsere Umwelt und das Tierwohl, sondern genauso mit Blick auf die langfristige und lückenlose Verwendbarkeit ihrer Studienergebnisse.