Polsprung der Superlative: Astronomen könnten erstmals ein aktives Schwarzes Loch bei einer Polumkehr beobachtet haben – das gesamte Magnetfeld eines supermassereichen Schwarzen Lochs wechselte dabei innerhalb weniger Monate seine Ausrichtung um 180 Grad. Indiz für dieses Umkippen waren eine drastische Erhöhung der Helligkeit dieses aktiven Galaxienkerns um das 100-Fache und eine rätselhafte Pause der energiereichen Röntgenstrahlung.
Während das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unsere Milchstraße zurzeit eher unauffällig und inaktiv ist, ist dies bei aktiven Galaxienkernen anders: Weil diese Schwarzen Löcher große Mengen an Material in sich aufsaugen, sind sie von einer schnell rotierenden Akkretionsscheibe aus heißem, starke Strahlung abgebendem Plasma umgeben. Beobachtungen des Event Horizon Teleskops belegen zudem, dass die schnelle Bewegung geladener Teilchen wie ein Dynamo wirkt und starke Magnetfelder erzeugt – so weit, so bekannt.
Rätselhafter Helligkeitsanstieg
„Normalerweise erwarten wir, dass sich solche Schwarzen Löcher über Millionen Jahre hinweg entwickeln“, erklärt Koautor Nicolas Scepi vom Joint Institute for Laboratory Astrophysics (JILA) in Boulder. Zwar gibt es immer mal kürzere Strahlenausbrüche, wenn gerade mehr Material eingesaugt wird, in größerem Maßstab aber verändert sich die Strahlungsemission eines solchen Galaxienkerns nur langsam.
Umso überraschender ist das Verhalten des supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum der rund 236 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie 1ES 1927+65. Im Dezember 2017 begann ihr ohnehin schon aktives Zentrum, immer mehr sichtbares und ultraviolettes Licht abzustrahlen. Bis März 2018 hatte sich dessen Helligkeit um das rund 100-Fache erhöht. Astronomen vermuteten damals zunächst, dass es sich um ein sogenanntes Tidal Disruption Event handeln könnte – das Zerreißen eines Sterns durch das Schwarze Loch.
Röntgenstrahlung passt nicht ins Bild
Merkwürdig jedoch: Während UV- und sichtbare Strahlung zunahmen, schwächte sich die energiereiche Röntgenstrahlung vom Schwarzen Loch immer weiter ab. „Dies ist das erste Mal, dass die Röntgenstrahlung komplett verschwindet, während die anderen Wellenlängen zunehmen“, sagt Erstautor Sibasish Laha vom Goddard Space Flight Center der NASA. Erst im Herbst 2018 begann sich der aktive Galaxienkern allmählich wieder zu normalisieren: Seine Helligkeit verringerte sich wieder und die Röntgenstrahlung nahm im Gegenzug zu.
Doch was war die Ursache? Um dies herauszufinden, haben Laha und sein Team noch einmal alle verfügbaren Beobachtungsdaten zu 1ES 1927+65 vor und während des Ereignisses ausgewertet und zusätzlich neue Beobachtungen im Röntgen- und Radiobereich durchgeführt. Insgesamt konnten die Astronomen so die Veränderungen des Schwarzen Lochs mit sieben Teleskopen und auf allen Wellenlängen rekonstruieren. Dies enthüllte unter anderem, dass neben der Röntgenstrahlung auch die Radioemission des aktiven Galaxienkerns während des Ereignisses absank.
Magnetfeld-Umpolung statt Sternentod
Beides zusammen lieferte Laha und eine Kollegen ein starkes Indiz dafür, was in der Galaxie 1ES 1927+65 passiert sein könnte: Das supermassereiche Schwarze Loch durchlebte eine magnetische Feldumkehr. „Eine magnetische Umpolung, bei der der Nordpol zum Südpol wird, erscheint uns als die beste Erklärung für die Beobachtungen“, sagt Koautor Mitchell Begelman von der University of Colorado Boulder.
Wie dies konkret abläuft, erklären die Astronomen so: „Das Magnetfeld schwächt sich zuerst an der Außenseite der Akkretionsscheibe ab“, so Begelmann. „Das führt zu einer stärkeren Aufheizung und der vermehrten Emission von sichtbarem und ultraviolettem Licht.“ Im Laufe von rund drei Monaten nimmt die Magnetintensität auch weiter innen ab und sinkt schließlich so weit, dass die Corona des Schwarzen Lochs zusammenbricht – die Wolke aus heißen, energiereichen Teilchen, die für die Röntgenstrahlung verantwortlich ist.
Auf dem Höhepunkt der Polumkehr bricht das Magnetfeld des Schwarzen Lochs komplett zusammen, wodurch auch der „Motor“ für die Radioemission stillsteht. Kurze Zeit später beginnt sich das Magnetfeld in umgekehrter Polung wieder zu regenerieren und nach einiger Zeit ist die Intensität wieder hoch genug, um Röntgen- und Radiostrahlung wieder ansteigen zu lassen.
Kein Einzelfall
Nach Ansicht der Astronomen könnte der Helligkeitsausbruch von 1ES 1927+65 damit nicht nur die erste Beobachtung einer Polumkehr am Schwarzen Loch sein – es ist wahrscheinlich auch kein Einzelfall im Kosmos. Denn schon länger sagen Modelle voraus, dass es solche Magnetfeld-Umkehrungen bei aktiven Schwarzen Löchern gibt. Die Umpolung bei 1ES 1927+65 bestätigt dies und unterstreicht gleichzeitig, dass auch supermassereiche Schwarze Löcher schnelle, dynamische Veränderungen durchlaufen können.
„Wenn wir dies in diesem einen Fall gesehen haben, dann werden wir es definitiv auch woanders nochmal beobachten – jetzt wissen wir ja, wonach wir suchen müssen“, sagt Begelmann. (The Astrophysical Journal, accepted; arXiv:2203.07446)
Quelle: University of Colorado Boulder