Feurige Wasserlieferanten: Seine aktiven Vulkane könnten dem Mond früher eine Gashülle mit reichlich Wasserdampf verliehen haben, wie eine Studie nahelegt. Als diese vorübergehenden Atmosphären dann ausfroren, lagerten sich Milliarden Tonnen Wassereis ab und bildeten an den Polen bis zu 400 Meter dicke Eisschichten. Relikte davon könnten noch heute unerkannt unter dem lunaren Regolith erhalten sein – und künftig Astronauten als Ressource dienen.
Inzwischen ist klar, dass es selbst auf dem Mond Wasser gibt. Das kostbare Nass liegt gebunden in den Mineralen des Mondgesteins vor, aber auch als Wassereis in den schattigen, kalten Kratern der Polarregionen. Woher dieses lunare Wassereis allerdings stammt und wie viel es ist, ist bislang strittig. Als mögliche Quellen gelten Asteroiden- und Kometeneinschläge, aber auch der Plasmaschweif der Erde oder der Sonnenwind.
Vulkanausbrüche als Wasserlieferanten?
Doch es gibt noch eine potenzielle Wasserquelle auf dem Mond: die lunaren Vulkane. Die ausgedehnten, dunklen Basaltflächen der Mondmare sowie zahlreiche Lavahöhlen zeugen davon, dass der Erdtrabant bis vor rund zwei Milliarden Jahren vulkanisch aktiv war. Proben der Apollo-Missionen legen zudem nahe, dass das lunare Magma auch Wasser enthielt. Bei den Eruptionen könnten demnach auch größere Mengen Wasserdampf freigesetzt worden sein.
Wie viel Wasserdampf dies war und wo er geblieben ist, haben nun Andrew Wilcoski und seine Kollegen von der University of Colorado in Boulder untersucht. Ihre Hypothese: Nach einem lunaren Vulkanausbruch könnte sich ein Teil des freigesetzten Wasserdampfs als Eis auf der kalten Mondoberfläche niedergeschlagen haben. Dieses ausgefrorene Wassereis könnte sich dann in den polaren Kältefallen als dicke Eisschicht angereichert haben – sofern die Ablagerung gegenüber dem Wasserverlust durch Sublimation und Ausgasung in den Weltraum überwog.
Mond hatte eine Atmosphäre – aber nur zeitweise
Ob dieses Szenario realistisch ist und was dies für die heute noch vorhandenen Wassereis-Vorkommen auf dem Mond bedeuten könnte, untersuchten Wilcoski und seine Kollegen mithilfe einer physikalischen Simulation, die unter anderem den Wassergehalt von Mondmagma, die Kondensation und Sublimation sowie die lunaren Temperaturen berücksichtigte. Die Zahl und Größe der lunaren Eruptionen kalkulierten die Forscher auf Basis von früheren Studien, die von rund 100 Kubikkilometer Lava pro Ausbruch und rund zehn Millionen Kubikkilometer insgesamt ausgehen.
Die Rekonstruktion ergab: Im Schnitt setzte ein lunarer Vulkanausbruch neben anderen Gasen rund 1,2 Milliarden Tonnen Wasserdampf frei – genug, um dem Mond zumindest vorübergehend eine dünne Atmosphäre zu verleihen. „Das Lebensdauer einer solchen Atmosphäre lag bei rund 2.500 Jahren“, berichten die Forscher. In dieser Zeit entwich ein Teil der Gase ins All, rund 40 Prozent des Wasserdampfs gefroren jedoch aus und lagerten sich als Frost ab.
Frostschicht einst von der Erde aus sichtbar
Der aus den Vulkangasen auskondensierende Frost entstand überall dort, wo die Mondoberfläche kalt genug war: An den Polen, aber auch auf der Nachtseite des Erdtrabanten. „Wegen der starken Tagesschwankungen der lunaren Temperaturen könnte sich der Frost auf der Nachtseite in allen Breiten gebildet haben“, berichten Wilcoski und seine Kollegen. Die Eisschicht wuchs im Laufe der Nacht heran und erreichte ihre größte Dicke kurz vor der Dämmerung.
Dieser lunare „Raureif“ könnte sogar dick und flächendeckend genug gewesen sein, um von der Erde sichtbar zu sein. „Er wäre als helle Schicht zu erkennen, die sich vom Morgen-Terminator aus über die Nachtseite erstreckt“, beschreiben die Forscher den Anblick. An den Polen wären zudem weiße Eiskappen zu sehen gewesen.
Dicke Eisschichten an den lunaren Polen
Das Entscheidende jedoch: Während der größte Teil der nächtlichen Frostablagerungen während des folgenden Mondtages wieder verdampfte, war dies in den dauerkalten Polarregionen des Mondes anders: Dort waren die Temperaturen niedrig genug, um das Wassereis auch während des lunaren Tages festzuhalten. Der Rekonstruktion zufolge könnte sich dadurch im Laufe der Zeit eine bis zu 410 Meter dicke Eisschicht in den Regionen jenseits des nördlichen und südlichen 80. Breitengrads gebildet haben.
Die Menge des dort akkumulierten Wassereises ist beträchtlich: Am Nordpol könnten den Berechnungen der Forscher drei Milliarden Tonnen Wassereis abgelagert worden sein, am Südpol sogar mehr als fünf Milliarden Tonnen. Von diesen urzeitliche Eisreserven ist zwar ein Teil bis heute sublimiert, der größte Anteil dieses Wassereise könnte aber erhalten geblieben sein. Das Team beziffert diese Vorkommen auf bis zu 3,5 Milliarden Tonnen am lunaren Südpol und 1,65 Milliarden Tonnen am Nordpol.
Bis heute vorhanden?
Aber wo steckt dieses Eis? „Die Tatsache, dass diese massiven Eisablagerungen heute auf dem Mond nicht sichtbar sind, bedeutet, dass sie vergraben oder mit Regolith vermischt sein müssen“, sagen Wilcoski und seine Kollegen. Vor allem die Einschläge von Mikrometeoriten und Meteoriten haben im Laufe der Jahrmillionen die oberen Meter des Monduntergrund so durchgemischt, dass das Eis nach und nach bedeckt wurde.
„Es ist daher durchaus möglich, dass sich fünf bis zehn Meter unter der Mondoberfläche dicke Eisschichten verbergen“, sagt Koautor Paul Hayne. Seiner Ansicht nach könnte es daher lohnend sein, bei künftigen Missionen zum lunaren Südpol robotische Grabungen durchzuführen. „Wir sollten wirklich anfangen, danach zu suchen“, so Hayne. Denn für künftige Astronauten und Mondkolonien wäre dieses Wassereis eine willkommene und notwendige Ressource. (The Planetary Science Journal, 2022; doi: 10.3847/PSJ/ac649c)
Quelle: University of Colorado at Boulder