Lichtstrahlen reagieren normalerweise nicht aufeinander – es sei denn, man kreuzt sie in speziellen Kristallen. Damit ist es nun Forschenden gelungen, Infrarot- und Röntgenstrahlen zu einer neuartigen Wechselwirkung zu bringen. Dabei übertragen zwei Infrarot-Photonen ihre Energie auf ein Röntgenphoton und lösen dabei einen sonst „verbotenen“ Elektronensprung im kristallinen Material aus. Dieser „Vier-Wellen-Mischprozess“ bietet neue Einblicke in die Wechselwirkung von Licht und Materie.
Anders als bei den fiktiven Laserschwertern der „Star Wars“-Filme interagieren Lichtstrahlen normalerweise nicht miteinander. Treffen zwei Laserstrahlen aufeinander, passiert daher – nichts. Die Strahlen reagieren nicht aufeinander. Anders ist dies jedoch, wenn man Laserstrahlen durch spezielle Kristalle schickt. Dann kann die Wechselwirkung des Lichts mit der Materie dazu führen, dass auch die Lichtteilchen miteinander interagieren.
Dieser Effekt bildet die Basis für die nichtlineare Optik und wird beispielsweise für die Erzeugung von Laserstrahlen bestimmter Frequenzen oder spezielle Formen der Spektroskopie genutzt. Bisher gelangen diese Wellenmischungen aber vorwiegend im sichtbaren und infraroten Bereich des Lichts.
Wechselwirkung zweier Laserstrahlen
Jetzt ist es einem Team um Horst Rottke vom Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie in Berlin gelungen, Infrarot- und Röntgenstrahlung zu einer solchen Interaktion zu bewegen. Dafür ließen sie ultrakurze Laserpulse aus weicher Röntgenstrahlung und Infrarotstrahlung in einem Einkristall aus Lithiumfluorid (LiF) zusammentreffen.
Es zeigte sich: Der Einfluss des umgebenden Kristalls bringt die beiden unterschiedlichen Laserstrahlen dazu, miteinander zu wechselwirken. Die Physiker beobachteten, wie die Energie von zwei Infrarotphotonen jeweils auf ein Röntgenphoton übertragen wird. Dadurch ändert sich die Wellenlänge und damit „Farbe“ der Röntgenstrahlung.
„Verbotener“ Übergang des Elektrons
Nähere Analysen enthüllten, dass es sich dabei um einen sogenannten nichtlinearen Prozess dritter Ordnung handelt – eine bisher bei Röntgenstrahlung noch nie nachgewiesenen Wechselwirkung. Diese resonante Vier-Wellen-Mischung tritt nur dann auf, wenn ein Elektron in der innersten Schale eines Lithiumatoms durch die Energieaufnahme in einen speziellen Anregungszustand gebracht wird. Dieser ansonsten „verbotene “ Übergang eines Innerschalenelektrons führt dazu, dass das Elektron fest mit der von ihm zurückgelassenen Leerstelle gekoppelt ist.
„Nur wenn sich das angeregte Elektron in unmittelbarer Nähe des Lochs befindet, das es zurückgelassen hat, beobachten wir das Signal der Vierwellenmischung“, sagt Koautor Robin Engel vom Deutschen Elektronensynchrotron DESY in Hamburg. „Da wir eine bestimmte Farbe der Röntgenstrahlung verwendet haben, wissen wir, dass sich dieses Loch sehr nahe am Atomkern des Lithiumatoms befindet.“
Nützlich für Photochemie und Photovoltaik
Der Nachweis dieser Interaktion ist nicht nur für die Grundlagenforschung interessant, er hat auch ganz praktische Bedeutung. Denn solche Wellenmischungsprozesse ermöglichen es Forschenden, Feinheiten der elektronischen Struktur einer Probe spektroskopisch zu untersuchen. Weil Röntgenstrahlen dank ihrer höheren Energie auch Elektronen nahe an den Atomkernen des Materials anregen können, sind dabei besondere Einblicke möglich.
“Da sich unser Ansatz der Wellenmischspektroskopie an Röntgenlasern auf viel höhere Photonenenergien skalieren lässt, können viele verschiedene Atomsorten im Periodensystem selektiv angeregt werden“, erklärt Rottkes Kollege Daniel Schick. „Wir erwarten daher, dass es zukünftig möglich sein wird, die kurzzeitige Anwesenheit von Elektronen an den verschiedenen Atomen eines komplexeren Materials zu verfolgen, was neue Einblicke in diese wichtigen Prozesse ermöglicht.“
Wichtig sind diese Einblicke unter anderem für Anwendungen wie photochemische Reaktionen, die Photovoltaik oder auch die solargestützte Produktion von synthetischen Kraftstoffen. (Science Advances, 2022; doi: 10.1126/sciadv.abn5127)
Quelle: Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie/ Forschungsverbund Berlin