Eine Stärke der Metamaterialien liegt in ihrer Vielseitigkeit: Je nach Größe und Form ihrer Struktur können sie neben Licht auch andere Bereiche der elektromagnetischen Strahlung, aber auch Magnetfelder und sogar Schall beeinflussen und auf exotische Weise manipulieren.
Meta-Absorber gegen Radio-Störsignale
Praktischen Nutzen hat dies schon jetzt in der Radioastronomie: US-Forscher haben 2021 eine Metamaterial-Beschichtung entwickelt, die unerwünschte Streustrahlung in den Radioteleskopen des Simons Observatory in Chile schluckt. Dieses Teleskop soll künftig die kosmische Hintergrundstrahlung und andere langwellige Strahlung aus der Frühzeit des Kosmos mit hoher Auflösung beobachten. Weil diese Strahlung jedoch Laufe der Jahrmilliarden extrem abgeschwächt wurde, ist eine entsprechend hohe Sensitivität notwendig.
„Wenn die Detektor-Sensitivität von Teleskopen im Millimeterwellen-Bereich besser wird, wird es jedoch immer wichtiger, gestreute Photonen zu kontrollieren“, erklärt Zhilei Xu von der University of Pennsylvania. Dafür sollen Platten aus einem Metamaterial sorgen, das aus Kunststoff und Kohlenstoffpartikeln besteht und speziell strukturiert wurde. „Durch eine wenig reflektierende Oberfläche kombiniert mit einer Matrix aus hochabsorbierendem Material können diese Metamaterial-Platten unerwünschte Signale fast perfekt abfangen“, sagt Xu.
Aktives Metamaterial für effizienteren Mobilfunk
Es geht aber auch umgekehrt: Kanadische Forscher haben ein Metamaterial entwickelt, das die Mikrowellen-Signale von Mobilfunk und WLAN umlenken und verstärken kann. Die Struktur umfasst 20 Millimeter kleinen Grundeinheiten, die anders als bei anderen Metamaterialien aktiv steuerbar sind: Sie bestehen aus „Superzellen“ aus einer dielektrischen Schicht zwischen zwei Leitern, die winzige Antennen mit einstellbaren Phasenwandlern bilden.
„Wenn eine elektromagnetische Welle einer bestimmten Frequenz die Metaoberfläche trifft, verstärkt diese Oberfläche die Welle und reflektiert sie in die gewünschte Richtung“, erklären George Eleftheriades und Sajjad Taravati von der University of Toronto. Die Besonderheit dabei: Anders als bei bisherigen Telekommunikationssignalen ist der Austrittswinkel dadurch nicht automatisch gleich dem Eintreffwinkel. Diese müssen deshalb beim Zurückstrahlen leicht in ihrer Frequenz moduliert werden, damit sie die entgegenkommenden Wellen nicht stören.
Beim Metamaterial-Reflektor ist dies nicht nötig, weil dieser den Austrittswinkel des Signals gerade genug verändert, um solche Störeffekte auszuschließen. „Indem wir die Empfangs- und Sendepfade räumlich entkoppeln, könne wir echte Full-Duplex-Systeme schaffen, die eine bidirektionale Kommunikation gleichzeitig und auf der gleichen Frequenz ermöglichen“, sagt Eleftheriades. Das erhöhe die nutzbare Bandbreite und verdopple die Kapazität des Systems.
Ein Meta-Ring als Schalldämpfer
Sogar Schall, der keine elektromagnetische Welle ist, lässt sich mithilfe von speziell strukturierten und geformten Metamaterialien manipulieren. „Heutige Schallschutzwände sind meist dicke, massive Wände“, erklärt Reza Ghaffarivardavagh von der Boston University. Sie können zwar Lärm entlang der Autobahn oder eine Bahnstrecke abhalten, sind aber für mobile Einsätze direkt an der Lärmquelle wie beispielsweise an einer Flugzeugturbine ungeeignet.
Doch es geht auch anders – mithilfe eines Metamaterials, wie Ghaffarivardavagh und seine Kollegen im Jahr 2019 demonstrierten. Ihr neuartiger Schalldämpfer ähnelt auf den ersten Blick einem simplen Plastikring. Doch wenn dieser vor einen Lautsprecher montiert wird, verstummt der zuvor laute Lärm abrupt. „Als wir diesen Dämpfer platzierten, war es ein Unterschied wie Tag und Nacht“, berichten die Forscher. Der dünne Ring schluckte 94 Prozent des durch ihn hindurchlaufenden Schalls.
Das Geheimnis dieses Meta-Dämpfers steckt im Aufbau seines Rings. Er besteht aus zwei Schichten, deren Struktur stark kontrastierende akustische Eigenschaften hat. Das führt dazu, dass Schallwellen, die die Öffnung passieren, asymmetrisch abgelenkt und letztlich zurück in ihre Ausgangsrichtung reflektiert werden – wie an einer unsichtbaren Wand. Das Entscheidende dabei: „Unsere Struktur ist extrem leicht und offen“, erklären die Forscher.
Dadurch kann der Schallschutzring beispielsweise direkt unter den Rotoren einer Drohne oder an einer Flugzeugturbine angebracht werden: Die Luft strömt ungehindert hindurch, der Schall aber bleibt zurück. „Das hindert den Lärm daran, zum Boden hinunter zu gelangen“, so Ghaffarivardavagh. Weil der Ring aus Metamaterial auch andere Formen annehmen kann, beispielweise den einer sechseckigen Wabe, lässt sich der Metamaterial-Schalldämpfer an verschiedenen Anwendungen anpassen. „Wir können das Prinzip mathematisch so anpassen, dass es den Schall von allem Möglichen schluckt“, so das Team.