„Unmögliches“ Molekül: Chemiker haben erstmals eine aromatische Ringverbindung aus fünf Atomen, aber nur zwei delokalisierten Elektronen erzeugt. Ein so elektronenarmer Aromat galt als nahezu unmöglich und wurde noch nie zuvor erfolgreich nachgewiesen. Das neue Ringmolekül besteht aus Galliumatomen, die über und unter der Ringebene mit zwei Kaliumatomen assoziiert sind. Solche aromatischen Fünfringe könnten die Synthese neuartiger Komplexmoleküle ermöglichen.
Das Grundprinzip aromatischer Verbindungen entdeckte der Chemiker August Kekulé schon im Jahr 1865 – der Überlieferung nach im Halbschlaf: Er erkannte, dass sich die Kohlenstoffatome im Benzolring einige ihrer Elektronen teilen. Diese sogenannten π-Elektronen sind nicht fest einem Atom zugeordnet, sondern bilden ein über dem gesamten Ring reichendes Orbital – sie sind delokalisiert.
Heute weiß man, dass zwei Drittel aller bekannten chemischen Verbindungen ganz oder teilweise aromatisch sind. Das Gerüst eines solchen Rings kann dabei aus Kohlenstoffatomen bestehen wie beim Benzol, es kann aber auch von anderen Atomen wie Metallen gebildet werden.
Wie groß kann ein Ring mit nur zwei π-Elektronen werden?
Doch wo liegen die Grenzen solcher aromatischen Ringe? Während die Höchstwerte inzwischen Ringe mit 162 π-Elektronen erreicht haben und ein Ende offen scheint, gelten nach unten hin zwei π-Elektronen als absolutes Minimum für einen aromatischer Ring. Bisher wurden solche Minimalringe jedoch nur aus drei oder vier Ringatomen erzeugt, mehr galt als unmöglich. Denn je größer ein Ring wird, desto mehr Atome müssen sich die zwei delokalisierten Elektronen teilen – und desto schwächer wird der stabilisierende Effekt.
Jetzt ist Chemikern das vermeintlich Unmögliche erstmals gelungen: Oleksandr Kysliak von der Universität Jena und seine Kollegen haben einen aromatischen Fünfring mit nur zwei delokalisierten π-Elektronen synthetisiert. Das Ringmolekül ist ein Dikalium-Pentagallen. Der zentrale Ring wird aus fünf Galliumatomen gebildet, die jeweils einen nach außen ragenden organischen Rest tragen. Ober- und unterhalb dieses Rings sind zwei Kaliumatome mit organischen Resten angelagert.
Ring aus fünf Galliumatomen
Diese Konfiguration ermöglicht es, dass sich die zentralen fünf Galliumatome nur zwei delokalisierte π-Elektronen teilen und dennoch aromatisch sind. „Als wir die Kristallstruktur vor Augen hatten, waren wir ziemlich beeindruckt“, berichtet Seniorautor Robert Kretschmer von der Technischen Universität Chemnitz. „Denn die Tatsache, dass der Ring flach ist und dass die Bindungen innerhalb des Rings ähnliche Abstände aufweisen, sind schon deutliche Indizien für den aromatischen Charakter des Moleküls.“
Weitere Indizien für die aromatische Natur dieses Fünfrings lieferten dann spektroskopische Untersuchungen in Verbindung mit Modellrechnungen. Sie bestätigten, dass der Gallium-Fünfring aus fünf sp2-hybridisierten Atomen besteht. „Die Verbindung ist aromatisch, wenn auch nur schwach, was jedoch erwartet werden kann, wenn sich zwei Elektronen auf fünf Ringatome verteilen müssen“, erklärt Kretschmer.
Damit ist erreicht, was Chemiker seit Jahrzehnten probiert und zwischenzeitlich für unmöglich gehalten haben. „Die Synthese und Charakterisierung eines 2π-aromatischen Fünfrings ist unseres Wissens nach beispiellos“, konstatiert das Team. Als nächstes wollen die Forschenden die Reaktivität der neuen Verbindung genauer studieren und diese für die Synthese neuartiger Komplexe verwenden. (Angewandte Chemie International Edition, 2022; doi: 10.1002/anie.202206963)
Quelle: Technische Universität Chemnitz