Geowissen

Erdmagnetfeld: Keine Umpolung in Sicht

Rekonstruktion enthüllt periodische Schwankungen des Magnetfelds

Erdmagnetfeld
Trotz einiger Anomalien und einer deutlichen Abschwächung steuert das irdische Magnetfeld offenbar nicht auf eine Umpolung zu. © Petrovich9/ iStock

Entwarnung: Die aktuellen Anomalien im Erdmagnetfeld sind wohl keine Anzeichen für eine bevorstehende Umpolung. Denn ganz ähnliche Abschwächungen und regionale Anomalien hat es in den letzten 9.000 Jahren mehrfach gegeben, wie eine Studie enthüllt. Dies deutet auf einen nahezu regelmäßigen Zyklus hin, bei dem das Erdmagnetfeld alle rund 1.300 Jahre in seiner Intensität schwankt. Sollte sich dies bestätigen, müsste die aktuelle Schwächeperiode in den nächsten 300 Jahren enden.

Das irdische Magnetfeld ist unser wichtigster Schutz gegen Sonnenstürme und harte Strahlung. Aber schon mehrfach in der Erdgeschichte hat es chaotische Schwächephasen und Umpolungen erlebt, mit teils dramatischen Folgen für Klima und Lebenswelt. Häufig kündigte sich eine solche Polumkehr durch ein abnehmendes Dipolfeld und das Auftreten riesiger Schwächezonen an. Auch aktuell gibt es eine solche Magnetfeld-Anomalie im Südatlantik und das globale Erdmagnetfeld ist in den letzten 180 Jahren um zehn Prozent schwächer geworden.

Südatlantik-Anomalie
Die Südatlantik-Schwächezone hat eine zweite Senke vor Afrika entwickelt – warum ist unklar.© N. Gillet/ ESA

Steht uns demnach erneut eine Umpolung bevor? Bisher ist dies strittig, weil die Vorzeichen einer Polumkehr nur schwer von vorübergehenden Schwankungen und Störungen des Magnetfelds zu unterscheiden sind. So deuten archäologische Keramik- und Metallproben darauf hin, dass es vor rund 800 Jahren eine regionale Anomalie in Südostasien gab und vor 3.000 Jahren eine vorübergehende Abschwächung des Magnetfelds, ohne dass dies größere Folgen hatte.

Magnetfeld-Entwicklung rekonstruiert

Jetzt gibt es Hinweise darauf, dass solche Schwankungen sogar einem regelmäßigen Zyklus folgen könnten. Für ihre Studie haben Andreas Nilsson von der Lund Universität in Schweden und seine Kollegen geomagnetische Daten und archäologische Magnetdaten der letzten 9.000 Jahre ausgewertet. Dazu gehören gebrannte Tonobjekte, Lava und Sedimente, deren Material die damals aktuellen Feldstärken und Ausrichtungen konserviert haben.

Aus diesen Daten rekonstruierte das Team die Entwicklung des Erdmagnetfelds und seiner globalen und regionalen Veränderungen. „Wir haben dafür eine neue Modellierungstechnik entwickelt, die diese indirekten Daten aus verschiedenen Zeitperioden und Orten zu einer globalen Rekonstruktion des Magnetfelds der letzten 9.000 Jahren vereint“, erklärt Nilsson.

Magnetfeld-Schwankungen
Schwankungen der Magnetfeldstärke in den letzten 9.000 Jahren. © Andreas Nilsson

Quasiperiodische Schwankung der Feldstärken

Das Ergebnis bestätigt: Die aktuellen Veränderungen im Erdmagnetfeld sind kein Einzelfall – schon mehrfach in der Vergangenheit gab es ganz ähnliche Schwankungen. Dies ist besonders deutlich vor rund 3.000 Jahren, als die Feldstärken zwischen einem Minimum um 1300 vor Christus, einem Maximum um 1000 v. Chr. und einem erneuten Minimum um 700 v. Chr. schwankten“, berichten die Forschenden.

Und auch aus den Jahrtausenden davor gibt es Indizien für wiederkehrende Abschwächungen des Magnetfelds, deren Amplituden der aktuellen gleichen. „Diese Fluktuationen sind Teil einer quasiperiodischen Schwankung, die in den letzten rund 4.000 Jahren alle rund 650 Jahre auftrat“, erklärt das Team. Vor dieser Zeit zeigt das irdische Dipolfeld ähnliche Schwankungen, die aber rund 1.300 Jahre lang dauerten – etwa doppelt so lange.

Anomalie
Um etwa 600 vor Christus gab es schon einmal eine ganz ähnliche regionale Magnetfeld-Anomalie. © Andreas Nilsson

Periodische Asymmetrie des Dipols erzeugt regionale Schwächezonen

Auch regionale Anomalien, wie die zurzeit im Südatlantik liegende Schwächezone, hat es in den letzten Jahrtausenden immer wieder gegeben. Sie kommen zustande, wenn Strömungsturbulenzen an der Grenze von Erdkern und Erdmantel zu Ost-West-Asymmetrien im Dipolfeld führen. So gab es um 600 v. Chr. schon einmal eine ganz ähnlich Anomalie wie heute. „Insgesamt gibt es ein Muster von exzentrischen Phasen, die etwa alle 1.300 Jahre wiederkehren“, erklären die Forschenden.

Nach Ansicht von Nilsson und seinen Kollegen spricht all dies dafür, dass die aktuellen Schwankungen kein Vorzeichen einer unmittelbar bevorstehenden Umpolung sind. Stattdessen durchlebt das Erdmagnetfeld zurzeit offenbar wieder eine seiner periodischen Schwankungen. Auch wenn einige der aktuelle Phänomene, darunter auch die ungewöhnlich schnelle Polwanderung, bisher nicht vollständig erklärt werden können, gibt es demnach erst einmal Entwarnung.

„Basierend auf den Ähnlichkeiten mit früheren Anomalien sagen wir woraus, dass die Südatlantik-Anomalie wahrscheinlich schon in den nächsten 300 Jahren wieder verschwinden wird“, sagt Nilsson. Damit verbunden wird die Asymmetrie des irdischen Dipolfelds abnehmen und auch die Feldstärke wird sich wieder erholen, so die Prognose. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2022; doi: 10.1073/pnas.2200749119)

Quelle: Lund University, PNAS

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