Forscher / Entdecker

Paradoxa der Quantenphysik

Schrödingers Katze und das EPR-Paradoxon

Dass Gedankenexperimente dazu beitragen können, Vorgänge besser zu begreifen, zeigt sich auch in der Quantenphysik. Denn Objekte verhalten sich dort nicht so, wie man es aus dem Alltag kennt. Sie nehmen keinen greifbaren, stabilen Zustand ein, sondern gehorchen den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit.

Schrödingers Katze
Schrödingers Katze repräsentiert die Überlagerung von zwei Zuständen: tot und lebendig. © Dhatfield/CC-by-sa 3.0

„So befindet sich ein Atom, etwa was seinen Zerfall angeht, in einer sogenannten Superposition von Zuständen. Es ist zerfallen und nicht zerfallen zugleich – solange wir es nicht beobachten“, erklärt Kristel Michielsen vom Jülich Supercomputing Centre (JSC). „Darum geht es auch in dem berühmten Gedankenexperiment über Schrödingers Katze, die zugleich tot und lebendig sein kann.“

Schrödingers Katze: tot und lebendig zugleich

In diesem weltberühmte Gedankenexperiment des österreichischen Physikers Erwin Schrödinger aus dem Jahr 1935 wird eine Katze in eine Kiste gesteckt. Dazu kommt eine kleine Menge einer radioaktiven Substanz, ein Detektor und ein Gefäß mit Gift. Dann wird die Kiste verschlossen. Zerfällt auch nur ein einziges Atom der Substanz, schlägt der Detektor an und setzt automatisch das Gift frei: Die Katze stirbt. Doch genauso ist es möglich, dass kein Atom zerfällt. In diesem Fall bleibt die Katze lebendig.

Solange man nicht in die Kiste hineinsieht, ist der Zustand der Katze unbestimmt – sie ist lebendig und tot zugleich. Natürlich kann eine Katze nicht gleichzeitig tot und lebendig sein. Ein unbeobachtetes Atom kann sich jedoch nach den Regeln der Quantenmechanik durchaus gleichzeitig in zwei Zuständen befinden. Diese Überlagerungszustände haben Wissenschaftler schon bei Photonen, Elektronen und Molekülen nachgewiesen. Auch eine mobile Version sowie eine „Quantenkatze“, die in zwei Kästen gleichzeitig sitzt, wurden schon umgesetzt.

Das Rätsel der Verschränkung

„Ich nutze Gedankenexperimente als Hypothese, die ich dann mit wissenschaftlichen Werkzeugen teste“, erläutert Michielsen, die die Gruppe „Quantum Information Processing“ am JSC leitet. Sie und ihre Kollegen nutzen Computersimulationen, um ein spezielles Phänomen der Quantentheorie besser zu verstehen: die Quantenverschränkung. Diese wurde 1935 in einem Gedankenexperiment beschrieben, dem Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon (EPR-Paradoxon). Quantenverschränkung heißt, dass zwei Teilchen miteinander verknüpft sind, auch wenn sie weit voneinander entfernt sind.

Verschränkung
EPR-Paradox: Wenn einer der beiden Empfänger den Spin seines verschränkten Photons misst, beeinflusst dies das Ergebnis beim anderen Empfänger – ohne direkte Kommunikation zwischen beiden. © Nemirov1/ CC-by-sa 4.0

Aber wie funktioniert diese Verknüpfung über große Entfernung? Wie wissen die Teilchen über ihren jeweiligen Zustand Bescheid? Tauschen sie Informationen aus, „kommunizieren“ sie miteinander? Diese Möglichkeit hat Albert Einstein bis zum Ende angezweifelt und Quantenverschränkung berühmterweise als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichnet. Denn sie würde bedeuten, dass Informationen schneller als mit Lichtgeschwindigkeit ausgetauscht werden.

Nicht alle seine Kollegen stimmten Einstein zu – bis heute gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Interpretationen, wie Quantenverschränkung funktioniert. Die Diskussionen darüber füllen seit 80 Jahren zahllose Bücher, Zeitschriftenartikel und inzwischen auch Internetseiten.

Gedankenspiele im Computer

Mithilfe ihrer Computersimulation haben Michielsen und ihr internationales Team das Gedankenexperiment überprüft und herausgefunden, dass Einstein recht gehabt haben könnte: Es muss andere Ursachen als die der „Kommunikation“ dafür geben, dass sich die Zustände verschränkter Teilchen gegenseitig beeinflussen. Computersimulationen zur Überprüfung von Gedankenexperimenten nutzen zu können, ist ein – relativ neuer – großer Vorteil für die Wissenschaft.

„Bei einer Computersimulation können wir in einer Art geschütztem Rahmen mit den Teilchen spielen und Hypothesen überprüfen. Wir können uns alles ansehen, ohne unseren Untersuchungsgegenstand zu beeinflussen oder sogar zu zerstören“, sagt Michielsen. Das sei im Labor oft anders. „Dort muss außerdem die nötige Apparatur – zum Beispiel Teilchenquellen und Detektoren – technisch korrekt umgesetzt werden. Das lässt sich nicht immer realisieren“, so Michielsen.

Auch zum EPR-Paradoxon werden seit den 1970er Jahren Laborexperimente durchgeführt. „Immer schwierig dabei ist, zwei Teilchen eindeutig einem verknüpften Paar zuzuordnen. Zum Beispiel können fälschlicherweise Teilchen registriert werden, die gar nicht zum Experiment gehören, etwa aus kosmischer Strahlung. Im Labor sind zudem Prozeduren nötig, die Einstein in seinem Gedankenexperiment so nie vorgesehen hatte. Beides führt zu falschen Schlussfolgerungen, wie wir nachweisen konnten“, so die Physikerin. „In einer Simulation hingegen können wir all diese Rahmenbedingungen exakt kontrollieren.“

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. weiter
Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Gedankenexperimente
Wie Analogien und Paradoxa der Wissenschaft auf die Sprünge helfen

Was ist ein Gedankenexperiment?
Raumfahrer-Zwillinge und eine antike Schildkröte

Paradoxa der Quantenphysik
Schrödingers Katze und das EPR-Paradoxon

Gedankenspiele zur KI
Silicon Brain und das chinesische Zimmer

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema

Albert Einstein - Wie die Zeit relativ wurde und die vierte Dimension entstand

Alan Turing - Genialer Computerpionier und tragischer Held