Die Hausmaus ist nicht nur ein enger Kulturfolger des Menschen, ihre genetische Vielfalt übertrifft die unsrige auch bei weitem, wie nun eine weltweite Genomstudie enthüllt. In ihr rekonstruierten Forschende den Werdegang der drei Hausmaus-Unterarten und deckten dabei überraschend stark Vermischungen auf. Genetische Flaschenhälse verraten zudem, wo und wann die Hausmäuse von der menschlichen Landwirtschaft profitieren konnten – und wo nicht.
Die Hausmaus (Mus musculus) hat eine lange Erfolgsgeschichte hinter sich. Dank ihrer Fähigkeit, sich an den Menschen anzupassen, konnten sich ihre Vorfahren von ihrem Ursprungsgebiet im Norden Indiens über die ganze Welt ausbreiten. Nur Europa blieb lange hausmausfrei. Erst in der Bronzezeit kam zuerst die östliche Unterart Mus musculus musculus, in der Antike zog dann mit den Römern die noch heute bei uns dominierende Unterart Mus musculus domesticus ein. Die dritte Mäuse-Unterart, Mus musculus castaneus, blieb hingegen auf Südasien beschränkt.
Doch wann und wo diese drei Unterarten entstanden, wie sie genetisch zusammenhängen und wie stark sie sich mischen, war bislang unklar. Die genetische Vielfalt der Hausmäuse weltweit haben deshalb nun Kazumichi Fujiwara von der Universität Hokkaido und seine Kollegen näher untersucht. Dafür analysierten und verglichen sie das Erbgut von 141 Hausmäusen aus allen Regionen der Erde. „Dies ist die erste Genomstudie an wilden Hausmäusen, die alle drei Unterarten mit einbezieht“, erklärt das Team.
Mehr genetische Vielfalt als der Mensch
Die Analysen enthüllten: Hausmäuse sind nicht nur zahlreicher als wir Menschen, auch ihre genetische Vielfalt ist viel höher, wie die DNA-Analysen bestätigten. Ein Grund dafür ist wahrscheinlich, dass die drei Unterarten weniger stark geografisch und genetisch isoliert sind als zuvor angenommen. „Unsere Resultate verändern die einfache Vorstellung eines Unterarten-Dreiecks substanziell“, konstatieren Fujiwara und seine Kollegen.
Die in Europa dominierende Unterart M. musculus domesticus kann sich zwar nur eingeschränkt mit ihrem südlichen Nachbarn M. musculus musculus fortpflanzen. Dadurch gehören die wilden Hausmäuse bei uns fast ausschließlich zur domesticus-Unterart. In Asien jedoch vermischen sich die beiden dort vorkommenden Hausmaus-Unterarten so stark, dass kaum Mäuse mit „reinem“ Genom nur einer Unterart vorkommen. „Das Genmuster deutet daraufhin, dass sich castaneus und musculus in Asien seit 10.000 Jahren vermischen“, berichten die Forschenden.
Populationsentwicklung spiegelt unsere Geschichte wider
Die Genvergleiche zeigten auch, wann sich die drei Hausmaus-Unterarten aufgespalten haben. Demnach trennten sich die Stammeslinien der domesticus- und musculus-Hausmäuse schon vor rund 245.000 Jahren. Deutlich später, vor rund 188.000 Jahren liefen dann auch die beiden Unterarten musculus und castaneus auseinander. Letzteres könnte erklären, warum sich gerade diese beiden Hausmaus-Typen bis heute oft mischen, so das Team.
Interessant auch: Die Populationsgeschichte der Hausmäuse spiegelt auch die menschliche Geschichte wider. So durchlebten die Vorfahren der heute in Deutschland verbreiten Hausmäuse vor 50.000 und vor 5.000 Jahren ausgeprägte Populationseinbrüche mit anschließender Ausbreitung. Bei der Unterart M. musculus musculus verlief die Entwicklung ähnlich. „Diese Abfolge von genetischem Flaschenhals und dann starker Vermehrung ist wahrscheinlich eng mit der Ausbreitung der Landwirtschaft verknüpft“, erklären Fujiwara und seine Kollegen.
Wichtig auch für Labormaus-Forschung
Nach Ansicht der Forschungsteams ist die Aufklärung der Hausmaus-Geschichte und Genetik nicht nur für die Grundlagenforschung und Evolutionsbiologie wichtig, sondern auch für die Forschung mit Labormäusen. Denn selbst die Inzucht-Stämme – meist Abkömmlinge von wilden Hausmäusen der Unterart Mus musculus domesticus – sind untereinander relativ verschieden und tragen auch geringe Anteil der jeweils anderen Unterarten in sich.
„Den Hintergrund und die evolutionäre Geschichte dieser Art aufzuklären, trägt auch signifikant zum Verständnis solcher Mausmodelle in der Forschung bei“, schreiben die Wissenschaftler. (Genome Biology and Evolution, 2022; doi: 10.1093/gbe/evac068)
Quelle: Hokkaido University