Medizin

Sonne macht Männer hungrig

UV-Strahlung aktiviert die Freisetzung des Hungerhormons Ghrelin aus Hautfettzellen

Appetit
Der Einfluss der UVB-Strahlung aus dem Sonnenlicht regt bei Männern den Appetit an, bei Frauen hingegen nicht. © Halfpoint/ Getty images

Verblüffender Effekt: Die erhöhte UV-Strahlung im Sommer verstärkt bei Männern den Appetit – bei Frauen aber nicht, wie eine Studie an Menschen und Mäusen enthüllt. Demnach bringt das UV-Licht bestimmte Fettzellen der Haut dazu, vermehrt das Hungerhormon Ghrelin auszuschütten. Das regt den Appetit an. Bei Frauen hemmt das Geschlechtshormon Östrogen diesen Prozess, wodurch sie weniger lichtabhängigen Hunger entwickeln, wie die Forschenden im Fachmagazin „Nature Metabolism“ berichten.

Ob wir Appetit und Hunger verspüren, hängt von einer Vielzahl von inneren und äußeren Einflussfaktoren ab. So löst ein Absinken der Blutzuckerspiegel und anderer Nährstoffe im Blut die Ausschüttung des Hungerhormons Ghrelin aus. Dieses aktiviert dann seinerseits das Appetitzentrum in unserem Gehirn. Die Folge: Wir bekommen Hunger. Aber auch unsere Darmflora oder äußere Einflüsse wie der Geruch oder Anblick von Essbarem können unseren Appetit stimulieren.

Ghrelin und Leptin
Bisher ging man davon aus, dass das Hungerhormon Ghrelin vor allem im Magen-Darm-Trakt produziert wird. © ttsz/ Getty images

Mehr Appetit und Kalorien unter UV-Einfluss

Jetzt zeigt sich, dass auch das Sonnenlicht unseren Appetit beeinflussen kann – zumindest bei Männern. Den ersten Hinweis darauf erhielten Shivang Parikh von der Universität Tel Aviv und seine Kollegen, als sie die Daten von 3.000 Teilnehmenden einer israelischen Ernährungsstudie auswerteten. Sie ergab, dass Männer während der besonders sonnenreichen Sommermonate signifikant mehr Kalorien pro Tag zu sich nahmen als im Winter. Bei Frauen änderte sich der Energiegehalt der Nahrung hingegen nicht.

Dieser lichtabhängige Effekt bestätigte sich in Tests, bei denen eine Gruppe Männer und Frauen täglich 25 Minuten einer Bestrahlung mit einer UVB-Lampe ausgesetzt wurden. „Die Männer berichten nach dieser Behandlung von einem stärkeren Hungergefühl“, so Parikh und sein Team. In Blutproben maßen sie zudem eine Intensivierung des Fett- und Steroid-Stoffwechsels bei den Männern. Wieder blieb eine vergleichbare Reaktion bei den Frauen aus.

Hautfettzellen schütten Hungerhormon aus

Was aber steckt dahinter? Um das zu klären, führten die Forschenden ergänzende Versuche mit Mäusen und Hautproben von Menschen durch. Es zeigte sich: Wenn die männliche Haut mit UVB-Strahlung bestrahlt wird, produzieren bestimmte Fettzellen der Unterhaut vermehrt das Hungerhormon Ghrelin und geben dies ans Blut ab. Dadurch steigt der Ghrelin-Gehalt im Blut – und damit der Appetit. „Die Appetitzunahme war bei Männern und Mäusen mit den erhöhten Gehalten des Ghrelins verknüpft“, berichtet das Team.

Nähere Analysen enthüllten, dass die Ghrelin-Produktion im Unterhaut-Fettgewebe eng mit dem p53-Protein zusammenhängt. Dieses wird in unseren Zellen immer dann vermehrt produziert, wenn DNA-Schäden auftreten und die Reparaturmechanismen der Zelle in Aktion treten müssen. In der Haut passiert dies unter anderem durch UV-bedingte Zellschäden. Die Hautfettzellen produzieren dann vermehrt p53, das wiederum die Ghrelin-Ausschüttung anregt, wie Parikh und seine Kollegen herausfanden.

Bei Frauen hemmt Östrogen den Prozess

Doch warum passiert dies nur bei Männern? Ein naheliegender Grund wäre der Einfluss der Geschlechtshormone Testosteron und Östrogen. „Frühere Studien haben bereits Wechselwirkungen zwischen Ghrelin und diesen Steroidhormonen aufgezeigt“, erklären die Forschenden. Um dem nachzugehen, untersuchten sie, wie Kulturen der Hautfettzellen bei Zugabe von Testosteron oder aber Östrogen auf die UV-Bestrahlung reagieren.

Das Ergebnis: Das männliche Geschlechtshormon verstärkte die Ghrelin-Freisetzung unter UVB-Licht, doch das weibliche Geschlechtshormon Östrogen hemmte die Produktion des Hungerhormons. Wie Parikh und sein Team feststellten, bindet das Östrogen direkt an das p53-Protein und hemmt seine Aktivität. „Dies blockiert bei Frauen den positiven Effekt der Sonnenstrahlung auf den Appetit und die Nahrungsaufnahme“, berichten sie.

Unsere Haut als Stoffwechsel-Akteur

Damit enthüllt diese Studie erstmals, dass auch unsere Haut – das größte Organ unseres Körpers – eine unerwartet wichtige Rolle für die Regulation von Appetit und Nahrungsaufnahme spielt. Das könnte auch neue Möglichkeiten eröffnen, krankhafte Appetitlosigkeit bei Männern zu behandeln – beispielsweise durch eine gezielte UVB-Bestrahlung. „Unsere Studien deutet darauf hin, dass die Einsatzmöglichkeiten der Phototherapie damit erweitert werden“, schreiben die Forschenden.

Darüber hinaus könnten die UV-Bestrahlung oder andere Umwelteinflüsse auf unsere Haut auch weitere noch unerkannte Effekte hervorrufen: „Es wird spannend sein zu untersuchen, ob noch andere Hormone durch DNA-Schäden oder andere Hautreize freigesetzt werden – und ob und wie sie das menschliche Verhalten verändern können“, so Parikh und sein Team.

Ähnlich sehen es auch Carlos Dieguez und Ruben Nogueiras von der Universität von Santiago de Compostela in Spanien. In einem Kommentar schreiben sie: „Diese Arbeit wird sicher den Weg ebnen für weitere Studien zur Rolle der Haut für den Energiehaushalt und das Stoffwechsel-Gleichgewicht – ein Feld, das lange übersehen wurde.“ (Nature Metabolism, 2022; doi: 10.1038/s42255-022-00587-9)

Quelle: Nature Metabolism

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