Der letzte seiner Gattung? Vor rund sechs Millionen Jahren lebten noch Riesenpandas in den Sumpfwäldern Bulgariens – es waren wahrscheinlich die letzten und hochentwickeltesten Vertreter dieser Bären in Europa. Anders als der moderne Panda in China fraß der Agriarctos nikolovi getaufte Urzeit-Panda aber noch keinen Bambus. Seine Zähne waren eher für weichere Pflanzennahrung ausgelegt. Die europäischen Riesenpandas starben vermutlich aus, als das Klima im Mittelmeerraum trockener wurde.
Die Großen Pandas gehören zu den bekanntesten und gleichzeitig am meisten bedrohten Arten unseres Planeten. Nur noch knapp 3.000 Tiere leben in den Bambuswäldern Chinas. Anders als andere Bären sind sie hochspezialisierte Pflanzenfresser: Sie fressen nur Bambus. 2012 wurde in Spanien das Fossil des Kretzoiarctos entdeckt, des ältesten bekannten Vorfahren der heutigen Pandas. Ob sich die Pandas in Asien oder aber Europa entwickelten ist seither strittig.
Sechs Millionen Jahre alte Zähne eines Riesenpandas
Jetzt haben Paläontologen einen weiteren europäischen Panda identifiziert. Der Agriarctos nikolovi getaufte Riesenpanda lebte vor rund sechs Millionen Jahren in den feuchten Sumpfwäldern des heutigen Bulgarien und ist der bisher letzte und am weitesten entwickelte Urzeit-Panda Europas. „Er war zwar kein direkter Vorfahre der heutigen Gattung der Großen Pandas, aber ein enger Verwandter“, erklärt Nikolai Spassov vom bulgarischen Nationalmuseum für Naturgeschichte in Sofia.
Entdeckt hat Spassov die Existenz von Agriarctos nikolovi, als er zwei fossile Zähne untersuchte, die schon seit gut 40 Jahren im Museum aufbewahrt wurden. „Sie hatten nur ein spärlich per Hand beschriftetes Etikett“, so Spassov. „Ich brauchte Jahre um herauszufinden, woher sie stammten und wie alt sie waren.“ Auch die Zuordnung zu den fossilen Riesenpandas habe einige Zeit gedauert.
Pflanzenfresser im urzeitlichen Sumpfwald
Aus den Analysen der Zähne geht hervor, dass der europäische Riesenpanda wahrscheinlich eine ähnliche Größe und Statur hatte wie die heutigen Riesenpandas der Gattung Ailuropodina. Anders als sie fraß Agriarctos aber wohl noch keinen Bambus: Zum einen kam dieser in Europa auch damals schon kaum vor, zum anderen waren die Zähne nicht stabil genug, um die harten Stängel des Bambus knacken zu können, wie die Forscher erklären.
Der europäische Riesenpanda war daher zwar schon ein Vegetarier, fraß aber wahrscheinlich eher weicheres Pflanzenmaterial. Dafür spricht auch der Fundort: Die Zähne stammen aus einer Braunkohle-Schicht, die aus Ablagerungen eines feuchten Sumpfwalds entstanden ist. In diesem Lebensraum fraß der Panda wahrscheinlich vorwiegend die Blätter der dort wachsenden Bäume.
„Auch wenn Agriarctos nikolovi in Habitat und Speiseplan nicht so stark spezialisiert war wie der moderne Riesenpanda, ist die Evolution der fossilen Pandas wahrscheinlich eng mit feuchten, bewaldeten Lebensräumen verknüpft“, erklärt Spassov. „Vermutlich brachte die Konkurrenz mit anderen Bären und Raubtieren die Riesenpandas dazu, sich auf pflanzliche Nahrung in solchen sumpfigen Habitaten zu spezialisieren.“
Austrocknen des Mittelmeers ließ auch den Panda verschwinden
Allerdings könnte genau diese Spezialisierung dem europäischen Riesenpanda zum Verhängnis geworden sein. Denn vor rund sechs Millionen Jahren änderte die messinische Salinitätskrise das Klima im Mittelmeerraum und Balkan drastisch: Durch eine Hebung des Meeresgrunds bei Gibraltar wurde das Mittelmeer vom Atlantik abgeschnitten und trocknete allmählich aus. Das Klima in den umliegenden Regionen wurde trockener.
Dies brachte auch die Sumpfwälder zum Austrocknen, in denen Agriarctos nikolovi damals lebte. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Klimawechsel in Südeuropa am Ende des Miozän auch negative Folgen für die Existenz der europäischen Pandabären hatte“, sagt Spassov. „Wahrscheinlich trug die messinische Salinitätskrise zum Verschwinden dieses letzten europäischen Pandas bei.“
Europa oder Asien?
Rätselhaft ist allerdings weiterhin, wo und wie die Evolution der Riesenpandas verlief. „Der gemeinsame Vorfahre von Agriarctos und Ailuropodina ist noch unbekannt“, erklären die Paläontologen. Unklar ist auch weiterhin die Ursprungsregion der Pandas. Einerseits spricht einiges für eine Entstehung in Südasien, allerdings fehlen bisher entsprechende Fossilien,
„Andererseits wurden die ältesten Vertreter dieser Tiergruppe in Europa gefunden. Und wenn man die weite Verbreitung von Feuchtwäldern im mittleren Miozän in Europa berücksichtigt, kann die Hypothese eines europäischen Ursprungs nicht ausgeschlossen werden“, schreiben Spassov und seine Kollegen. Um diese Frage zu klären, seien weitere Fossilfunde nötig. (Journal of Vertebrate Paleontology, 2022; doi: 10.1080/02724634.2021.2054718)
Quelle: Taylor & Francis Group