Paläontologie

Paläontologen entdecken ältesten Fruchtfresser

120 Millionen Jahre alter Urvogel zeugt von ökologischem Umbruch in der Kreidezeit

Jeholornis
Der vor 120 Millionen Jahren lebende Urvogel Jeholornis gehörte zu den ersten Früchtefressern der Erde, wie Fossilanalysen nun nahelegen. © Zhixin Han und Yifan Wang.

Beeren statt Körner: Ein 120 Millionen Jahre alter Urvogel aus China könnte eines der ersten fruchtfressenden Tiere gewesen sein. Intakte Samen in seinem Bauch und ein für das Samenknacken zu schwacher Kiefer deuten darauf hin, dass dieser frühe Vogel sich zumindest einen Teil des Jahres von Früchten ernährte. Er und seine Zeitgenossen könnten damit die rapide Ausbreitung der Blütenpflanzen in der Kreidezeit entscheidend vorangebracht haben, wie die Forschenden berichten.

Vögel sind wichtige Helfer der Pflanzenwelt: Sie befreien die Vegetation nicht nur von schädlichen Insekten, sondern helfen auch bei der Samenausbreitung. Wenn die Vögel Beeren und andere Früchte fressen, scheiden sie die Samen andernorts unverdaut wieder aus und eröffnen dieser Pflanzenart so die Chance, neue Lebensräume zu erobern. Umgekehrt haben Pflanzen dadurch auffälligere und süße Früchte entwickelt, um die fruchtfressenden Vögel anzulocken – ein klassisches Beispiel für eine Koevolution mit beiderseitigen Vorteilen.

Jeholornis prima
So könnte der Urvogel Jeholornis ausgesehen haben. © McBlackneck/ CC-by-sa 4.0

Doch wann begann diese Koevolution? Paläontologen vermuten, dass diese enge Beziehung in der mittleren Kreidezeit begann, denn damals begannen erstmals die Blütenpflanzen über die nacktsamigen Pflanzen (Gymnospermen) zu dominieren. Dies leitete eine tiefgreifende ökologische Umwälzung ein, die auch die Tierwelt für immer veränderte. Es liegt daher nahe, dass zu dieser Zeit mit den häufiger werdenden Früchten auch die Vögel zu Fruchtfressern wurden. Bisher fehlte es dafür jedoch an fossilen Belegen.

Was fraß der Urvogel Jeholornis?

Das könnte sich jetzt geändert haben. Denn ein Team um Han Hu von der University of Oxford hat erstmals Indizien für eine zumindest zeitweilige Früchte-Ernährung bei einem Urvogel entdeckt. Ausgangspunkt waren 120 Millionen Jahre alte Fossilien des Urvogels Jeholornis aus China. Dieses geflügelte Wesen besaß wie der ältere Archaeopteryx noch einen langen, knochigen Schwanz, hatte ansonsten aber schon eine etwas modernere, vogelähnlichere Anatomie.

Das Besondere jedoch: „Das erste Jeholornis-Fossil war von fossilen Pflanzenresten umgeben, die offenbar teilweise aus seinem Bauch stammten“, berichtet Koautorin Jingmai O’Connor vom Field Museum in Chicago. „Dieser Mageninhalt schien vorwiegend aus Samen zu bestehen, daher hielt man Jeholornis zunächst für einen Samenfresser.“ Auch der robuste Schnabel und die Präsenz eines Kaumagens schienen dafür zu sprechen. Die zarten Zähnchen im Schnabel des Vogels passten allerdings weniger gut dazu.

Schnabel und Kiefer nicht zum Samenknacken gemacht

Hu und ihr Team haben deshalb nach eindeutigeren Hinweisen auf den Speiseplan des Jeholornis gesucht. Dafür analysierten sie zunächst die Schnabel- und Kiefer-Anatomie des Urvogels mithilfe der Mikro-Computertomografie und verglichen seine Merkmale mit denen von Dutzenden modernen Vögeln, die Früchte fressen, Samen mit ihrem Schnabel knacken oder aber Samen fressen und sie dann im Kaumagen mithilfe von aufgenommenen Steinchen zermahlen.

Das Ergebnis: „Unsere Analysen enthüllen, dass sich die Kiefer- und Schädelform des Jeholornis klar von denen der körnerknackenden Vögel unterscheidet“, berichten Hu und ihre Kollegen. „Stattdessen liegt Jeholornis in einem Bereich, der mit dem der Fruchtfresser, der Samenzermahler und dem von Vögeln mit sonstigen Ernährungsweisen überlappt.“ Damit gehörte der Urvogel schon mal nicht zu den Vögeln, die Körner fressen und diese mit ihren Schnäbeln zerknacken.

Samen
Fossile Samen im Bauchraum verschiedener Jeholornis-Fossilien. © O’Connor et al/ Hu et al.

Fossiler Mageninhalt spricht für Früchtenahrung

Blieb die Frage, ob Jeholornis Früchte fraß oder doch ein Samenfresser war, der die Körner aber erst im Magen zerkleinerte. „Diese Unterscheidung können wir allein auf Basis unserer morphometrischen Analysen nicht treffen“, erklären die Paläontologen. Deshalb haben sie den Mageninhalt des fossilen Urvogels noch einmal mittels CT-Scans genauer untersucht und ihn mit dem moderner Frucht- oder Samenfresser verglichen.

Diese Analysen ergaben: Bei den Vögeln, die Samen mithilfe ihres Kaumagens zerkleinern und verdauen, zeigt der Mageninhalt klare Spuren der Erosion: Die Körner sind abgeschliffen und oft mit aufgenommenen Steinchen verklumpt. „Im Gegensatz dazu sind die Samen bei den Fruchtfressern noch vollständig intakt, oft zeigen sie sogar noch die gleiche Anordnung wie ursprünglich in ihrer Frucht“, berichten Hu und ihre Kollegen. Genau diese Merkmale zeigten auch die bei den Jeholornis-Fossilien gefundenen Samen.

Ältester bisher bekannter Fruchtfresser

Nach Ansicht der Paläontologen spricht dies dafür, dass der Urvogel Jeholornis ein Früchtefresser gewesen sein muss. „Dies ist damit der älteste Beleg für eine frugivore Ernährung bei einem Tier“, sagt O’Connor. Den Paläontologen zufolge ernährte sich der Urvogel allerdings nicht ausschließlich von Früchten, sondern nutzte diese Nahrungsquelle wahrscheinlich nur zu bestimmten Zeiten im Jahr – wenn Beeren und andere Früchte reif wurden.

Den Rest der Zeit ernährte sich Jeholornis wahrscheinlich von anderem Futter – welchem ist allerdings noch unklar. „Die morphologischen Merkmale sprechend gegen das Fressen von Fisch, passen aber zu einem Allesfresser, der auch nach wirbellosen Tieren pickte oder Blätter fraß“, erklären die Forschenden. Auch bei modernen früchtefressenden Vögeln seien solche saisonalen Variationen der Ernährung bekannt.

Win-Win-Beziehung mit den Blütenpflanzen

Gleichzeitig bestätigt die obstlastige Diät des Jeholornis die Vermutung, dass sich die ersten Früchtefresser in der Zeit entwickelten, als vor rund 120 Millionen Jahren auch die Blütenpflanzen ihren Siegeszug begannen. Sowohl die Urvögel als auch die Pflanzen könnten davon entscheidend profitiert haben. Die Blütenpflanzen erhielten von den früchtefressenden Vögeln wertvolle Hilfe bei der Verbreitung ihrer Samen. „Dies könnte erklären, warum diese Pflanzengruppe bis heute so erfolgreich ist“, sagt O’Connor.

Die Urvögel wiederum könnten durch die nahrhaften, aber oft hoch hängenden Früchte dazu motiviert worden sein, bessere Flugfähigkeiten zu entwickeln. „Man kann nicht einfach nur unter einem Baum sitzen, sondern muss umherfliegen, um dieses Futter aufzuspüren“, erklärt Hu. Die leichtere Suche nach reifen Früchten von oben wird auch als Erklärung dafür herangezogen, dass es unter den heutigen Vögeln weit mehr Früchtefresser gibt als bei allen anderen Landwirbeltieren. (eLife, 2022; doi: 10.7554/eLife.74751)

Quelle: eLife, Field Museum Chicago

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