Was ist los mit unserem Wetter? Immer häufiger scheint es zu extremen Ausschlägen des Thermometers zu kommen. So war es im April 2021 in Deutschland so kalt wie seit 40 Jahren nicht mehr, dafür war die erste Jahreshälfte 2022 in Deutschland und weiten Teilen Europas zu heiß – ähnlich wie schon 2018 bis 2020 häufen sich Hitzerekorde und Dürren. Ähnliches gilt für die Niederschläge: Regen fällt vielerorts immer weniger, gleichzeitig lösen aber kurze Phasen extremer Starkregen schwere Überschwemmungen aus wie im Juli 2021 in Westdeutschland.
Ist das noch normal? Einige Menschen argumentieren, dass es extreme Wetterereignisse auch früher schon gegeben hat. Andere sehen darin klare Manifestationen der Klimakrise – der vom Menschen und seinen Treibhausgas-Emissionen verursachten Erwärmung und ihren Folgen.
Die Wettervariabilität als „Grundrauschen“
Doch woher weiß man, ob und in welchem Maße der Klimawandel an einem Wetterextrem schuld ist? Hätte es beispielsweise die Flutkatastrophe im Ahrtal vom Juli 2021 ohne den menschengemachten Klimawandel überhaupt gegeben? Oder die extreme Hitzewelle in Westeuropa vom Juli 2022? Noch bis vor einigen Jahren hätten selbst renommierte Klimaforscher darauf keine konkrete Antwort geben können – ihre Methoden, Daten und Modelle waren noch nicht fortgeschritten genug, um klare Zuweisungen machen zu können.
Dies hat mehrere Gründe. Zum einen ist das Wetter von Natur aus variabel und wird von einer Vielzahl von meteorologischen Faktoren und Wechselwirkungen bestimmt, die sich auch ohne menschengemachte Einflüsse ständig verändern. Dazu gehören beispielsweise die Hoch- und Tiefdruckgebiete, großräumige Luftströmungen wie der Jetstream oder auch Wechselwirkungen von Ozean und Atmosphäre. Die komplexe Interaktion dieser meteorologischen Einflüsse prägt sowohl die großräumigen Wetterlagen wie auch das lokale Wetter.
Diese natürliche, von internen Faktoren bestimmte Variabilität des Wetters bildet eine Art Grundrauschen im Klimageschehen. Je größer die Schwankungsbreite eines meteorologischen Parameters wie Temperatur oder Regenmenge an einem bestimmten Ort ist, desto stärker ist dieses „Rauschen“.
Der Klimawandel als „Signal“
Der Einfluss des Klimawandels ist dagegen vergleichbar mit einem in diesem Rauschen verborgenen Signal. Dieses repräsentiert externe Einflüsse auf das Klimasystem – in Form anthropogener Faktoren wie den gestiegenen Treibhausgasen oder auch natürlicher Faktoren wie Vulkanausbrüchen oder Veränderungen der Sonnenaktivität. Wenn man nun wissen will, ob ein Wetterextrem der natürlichen, internen Variabilität entspricht oder die Folge des externen Treibers war, muss man nach diesem Signal im Grundrauschen suchen.
Das ist allerdings nicht einfach: „Wenn beispielsweise ein Kettenraucher an Lungenkrebs erkrankt, kann auch niemand sagen, dass die Zigaretten die kausale Ursache der Erkrankung sind“, erklären Ben Clarke und Friederike Otto von der World Weather Attribution Initiative (WWAI). „Sehr wohl aber lässt sich mit Gewissheit sagen, dass der jahrelange Zigarettenkonsum die Wahrscheinlichkeit für Lungenkrebs stark erhöht hat.“
Genauso ist es beim Klimawandel: Man kann für ein einzelnes Extremereignis nicht sagen: „Daran ist nur der Klimawandel schuld“, denn zu einer Hitzewelle oder einem Starkregen trägt auch die natürliche Wettervariabilität bei. Aber der Klimawandel kann solche Wetterextrem ehäufiger und intensiver machen. „Der Klimawandel ist ein absoluter Game Changer: Das, was früher seltene Ereignisse waren, sind jetzt gewöhnliche Sommer. Das, was ohne den Klimawandel unmöglich gewesen wäre, sind jetzt die neuen Extremereignisse“, erklärt Otto.