Verblüffend simpel: Forschende haben eine überraschend einfache Formel gefunden, die die Leitfähigkeit aller Metalle in Abhängigkeit von der Temperatur mathematisch beschreibt. Dies ermöglicht es, selbst physikalische Exoten dieser Elementgruppe in eine einheitliche Klassifikation einzufügen. Gleichzeitig enthüllt die Formel auch Neues über die grundlegenden Mechanismen hinter der Leitfähigkeit und die von der Temperatur abhängigen Wechselwirkungen auf der subatomaren Ebene.
Metalle zeichnen sich dadurch aus, dass sie für Wärme und Strom leitfähig sind – meistens jedenfalls. Möglich wird dies durch die atomare Struktur dieser Elemente: Die Außenelektronen der Metallatome sind in Teilen mobil und bilden einen „See“ aus Elektronen um die Atomrümpfe. Dadurch stehen genügend Ladungsträger zur Verfügung, um einen Strom fließen zu lassen. Wie hoch der Widerstand dabei ist und wie er sich mit der Temperatur verändert, ist allerdings individuell verschieden.
Mechanismen erst in Teilen geklärt
Das Problem jedoch: Die Mechanismen hinter dem Leitfähigkeitsverhalten von Metallen sind bisher erst in Teilen verstanden. „Eine einheitliche Beschreibung des metallischen Widerstands fehlt bisher“, erklären Qikai Guo von der Universität Groningen und seine Kollegen. Deshalb gibt es bisher auch keine systematische Klassifizierung. Stattdessen sprechen Physiker in Bezug auf die Leitfähigkeit von „normalen“, „seltsamen“, „planckschen“ oder auch „korrelierten“ Metallen.
Diese Metallgruppen unterscheiden sich in der Art, wie ihre Elektronen miteinander wechselwirken. und damit auch, wie ihre Leitfähigkeit auf Temperaturänderungen reagiert. So sorgen Abstoßungseffekte in „normalen“ Metallen dafür, dass die Elektronen einander kaum beeinflussen und sich der Widerstand relativ linear mit der Temperatur verändert. Bei korrelierten Metallen hingegen gibt es starke Wechselwirkungen zwischen den Elektronen, durch die solche Materialien ab einer bestimmten Temperatur beispielsweise zu Supraleitern werden können.
Bisher sind diese verschiedenen Metallgruppen jedoch nicht klar abgegrenzt oder einheitlich definiert. „Wir haben daher beschlossen, uns eine größere Zahl von Metallen noch einmal genauer anzuschauen“, erklärt Guo. Für seine Studie analysierte und verglich das Team die temperaturabhängigen Widerstands-Veränderungen in 30 metallischen Elementen.
Alle Daten passen in nur eine Formel
Dabei stießen die Forschenden auf etwas Unerwartetes: Beim Versuch, die Reaktionen der verschiedenen Metalltypen auf steigende Tempersture mathematisch-physikalisch zu beschreiben, zeigte sich eine überraschende Übereinstimmung – unabhängig davon, ob ein Metall als normal, korreliert oder seltsam klassifiziert war. „Wir konnten alle Datensätze mit demselben Formeltyp beschreiben“, berichtet Seniorautorin Beatriz Noheda von der Universität Groningen. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Taylorreihe.
Demnach lässt sich der elektrische Widerstand eines Metalls durch eine Gleichung in Form einer Potenzreihe beschreiben: r = r0 + A1T + A2T2 + A3T3… . T steht dabei für die Temperatur, r für den Widerstand und r0 und A sind unterschiedliche Konstanten. „Diese Formel ist eine rein mathematische Beschreibung und basiert auf nur zwei Parametern – sie benötigt keinerlei physikalische Vorannahmen“, sagt Noheda. „Aber wie wir feststellten, ist diese Kombination aus linearer und quadratischer Formel für alle Metalle verwendbar und passend.“
Universeller Zusammenhang
Damit gibt es erstmals eine Formel, die die temperaturabhängige Leitfähigkeit aller Metalle beschreiben kann – egal, ob sie als normal, korreliert, seltsam, planckisch oder sonstwie eingestuft sind. Das Überraschende daran: Obwohl diese Klassen auf verschiedenen Formen der Elektronen-Wechselwirkung beruhen, ergibt sich ein universeller, über alle Klassen hinweg gültiger linearer Zusammenhang. Er wird nun erstmals sichtbar, weil die Gleichung unabhängig vom physikalischen Mechanismus nur die Reaktion als solche widerspiegelt.
„Erst unsere rein phänomenologische Beschreibung erlaubt es uns, Metalle aus unterschiedlichen Klassen miteinander zu vergleichen“, sagt Noheda. Sie spiegelt wider, wie sich die Anteile von linearer und nichtlinearer Zerstreuung mit der Temperatur verändern. Ob dahinter Interaktionen der Elektronen untereinander stehen oder aber Wechselwirkungen von Elektronen mit Wellenphänomenen wie den Phononen, ist dafür unerheblich.
Gleichzeitig hat die Formel aber dazu beigetragen, eine schon länger gehegte Vermutung zu bestätigen. Demnach muss es die nur bei sehr tiefen Temperaturen nachweisbare Plancksche Zerstreuung in allen Metallen geben. „Weil wir aus einem eigentlich fachfremden Gebiet kamen, konnten wir die Daten mit frischen Augen sehen“, erklärt Noheda. Denn sie und ihr Team erforschen normalerweise Materialien, die sich als Hardware für neuartige KI-Systeme eignen. (Physical Review B, 2022; doi: 10.1103/PhysRevB.106.085141)
Quelle: University of Groningen