Vulkanausbrueche

Island-Vulkan verblüfft Vulkanologen

Fagradalsfjall-Eruption enthüllt einzigartigen Wandel "im laufenden Betrieb"

Fagradalsfjall
Der Ausbruch des Fagradalsfjall auf Island war extrem ungewöhnlich, denn seine Lavazusammensetzung änderte sich mitten in der Eruption radikal. © Patrick Gijsbers/ Getty images

Überraschender Wandel: Der Fagradalsfjall-Vulkan auf Island erstaunt nicht nur durch seine plötzlich wiedererwachte Aktivität – auch sein Verhalten ist weltweit einzigartig. Denn seine Lavabeschaffenheit änderte sich im Verlauf weniger Wochen so radikal und schnell wie noch nie zuvor bei einer Eruption beobachtet, wie Vulkanologen in „Nature“ berichten. Dies wirft ein ganz neues Licht auf die Magmaströme im Untergrund und die „Nachschubleitungen“ der Vulkane.

Gängiger Lehrmeinung nach speist sich ein Vulkanausbruch aus der Magmakammer des Feuerbergs: Wenn sich dieses Reservoir in der Erdkruste füllt und der Druck durch Magma und vulkanische Gase ansteigen, bahnt sich das vulkanische Material seinen Weg an die Oberfläche – der Vulkan bricht aus. Bis es jedoch soweit ist, dauert es tausende von Jahren, in denen das Magma in dieser unterirdischen Kammer erkaltet, teilweise auskristallisiert und sich mit nachströmendem Magma durchmischt.

Bei der Eruption des Vulkans leert sich die Magmakammer und speist die an der Oberfläche austretenden Lavaströme. Ihre chemische Zusammensetzung spiegelt daher die Bedingungen in der Magmakammer des Vulkans wider und prägt die für jeden Vulkan typische „chemische Signatur“ – so die Annahme.

Eruption nach 800 Jahren

Doch der Ausbruch des Fagradalsfjall im Südwesten Islands widerspricht diesem Szenario, wie Sæmundur Halldórsson von der Universität von Island und sein Team herausgefunden haben. Die Eruption des Fagradalsfjall begann im März 2021, als an diesem rund 40 Kilometer südlich von Reykjavik liegenden Vulkangebiet eine Spalte aufriss und glühende Lava zu speien begann. Teilweise schossen die Lavafontänen dabei bis zu 450 Meter in die Höhe. Es handelte sich um die erste Eruption auf der Reykjanes-Halbinsel seit rund 800 Jahren.

Umso neugieriger waren die Vulkanologen darauf, was diese Eruption ausgelöst hatte und was sich dabei im Untergrund tat. „Um zu verstehen, was die Aktivität antrieb, haben wir die chemische Zusammensetzung der Lava, ihre Kristalle und die vulkanischen Gase während des gesamten Ausbruchs überwacht“, berichten die Forschenden. Sie entnahmen dafür wöchentlich Proben des Ausbruchsmaterials.

Verblüffender Wandel

Das Ergebnis: In den ersten Tagen der Eruption förderte der Fagradalsfjall noch eine eher gas- und metallarme Lava zutage – wie die meisten anderen Islandvulkane auch. Diese Lava zeigte die Zusammensetzung, die man für Magma aus einer rund 15 Kilometer unter der Oberfläche liegenden Magmakammer erwartet hatte. „Sie entspricht dem Langzeitmittel von Mantelschmelzen, die in der unteren Erdkruste gespeichert wurden“, erklären die Vulkanologen.

Doch dann tat sich Überraschendes: Innerhalb weniger Wochen nach Beginn des Ausbruchs wandelte sich die Chemie der Lava drastisch: „Als wir die Werte sahen, wurde schnell klar, dass diese neue Lava in chemischer Hinsicht ungewöhnlich war: Sie gehörte zu einem hochgradig primitiven, magnesiumreichen Typ, den wir auf Island in der gesamten modernen Ära noch nie gesehen hatten“, berichtet Koautor Eemu Ranta von der Universität Island.

Weltweit einzigartige Beobachtung

Für die Vulkanologen war ein so schneller und starker Wandel der Lavakomposition während einer Eruption eine Überraschung: „In nur einem Monat zeigte die Fagradalsfjall-Eruption mehr chemische Variabilität als die Ausbrüche des Kilauea-Vulkans auf Hawaii in Jahrzehnten“, sagt Koautor Matthew Jackson von der University of California in Santa Barbara. „Der Island-Vulkan zeigte tausendfach höhere Veränderungsraten als der Kilauea, bei dem sich die Lava selbst über Jahre hinweg nur minimal ändert.“

Magmaquelle
Wandel der Magmazusammensetzung und ihrer Herkunft während der Eruption des Fagradalsfjall. © Halldórsson et al./ Nature, CC-by 4.0

Und auch für Island und das Vulkangebiet auf Reykjanes ist ein so starker Wandel ungewöhnlich: „Die Bandbreite der am Fagradalsfjall nur im ersten Monat gemessenen Werte ist genau so groß wie alle für die letzten 10.000 Jahre im Südwesten Islands jemals gemessenen Lavazusammensetzungen“, so Jackson. Einen so rapiden, extremen Wandel in der Magmachemie eines Hotspot-Vulkans habe man noch nie zuvor in Echtzeit beobachtet.

Direkte Leitung in den Erdmantel

Doch was steckte dahinter? Wie die Vulkanologen herausfanden, spiegelt der chemische Wandel der Fagradalsfjall-Lava eine radikale Veränderung beim Lava-Nachschub wider: Statt „abgestandenem“ Magma aus der Magmakammer förderte der Vulkan zunehmend frisches Magma direkt aus dem Erdmantel zutage. „Der Ausbruch wurde direkt von einem Mantelreservoir gespeist, ohne länger anhaltende Verzögerungen in einer flachen Zone der Erdkruste“, berichten Halldórsson und sein Team. Das so etwas möglich sei, haben man schon länger vermutet, aber noch nie direkt beobachtet.

„Die Fagradalsfjall-Eruption demonstriert, wie schnell ein tiefes magmatisches Leitungssystem sich quasi im laufenden Betrieb rekonfigurieren kann“, sagen die Vulkanologen. Die neuen Beobachtungen geben damit einen einzigartigen Einblick in die den Blicken verborgenen Vorgänge unter Vulkansystemen. Sie könnten zudem dazu beitragen, vulkanologische Modelle zu verbessern und damit möglicherweise auch Risikovorhersagen für aktive Vulkangebiete. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-022-04981-x)

Quelle: Nature, University of California – Santa Barbara

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