Psychologie

Schau mir in die Augen…

Ob ein Blickkontakt unsere Aufmerksamkeit weckt, hängt vom Kontext ab

Auge
Wenn uns ein Mensch direkt anschaut, weckt dies unwillkürlich unsere Aufmerksamkeit – oder doch nicht? © Nastia11/ iStock

Auge in Auge: Wir merken sehr schnell, wenn uns ein anderer Mensch direkt ansieht – meist weckt dies sofort unsere Aufmerksamkeit. Doch ist das wirklich immer so? Ein Experiment enthüllt nun, dass die Wirkung des Blickkontakts stark vom Kontext abhängt: Zeigt unser Gegenüber Ekel oder Angst, reagieren wir stärker auf seinen abgewandten Blick als auf das direkte Anschauen. Bei Freude oder Wut dagegen weckt der direkte Augenkontakt unsere verstärkte Aufmerksamkeit.

Der direkte Blickkontakt mit anderen Menschen ist ein wichtiger Teil unserer nonverbalen Kommunikation. Wenn wir anderen ins Gesicht schauen, erfassen wir blitzschnell nicht nur Mimik, Gesichtszüge und Aussehen, sondern registrieren auch subtilere Hinweise auf Stimmung, Absichten, Vertrauenswürdigkeit und Persönlichkeit des anderen. Dabei spielt auch eine Rolle, wie langanhaltend und intensiv der Blickkontakt mit unserem Gegenüber ist.

Anziehende Blicke

Und noch ein Phänomen gibt es: Selbst wenn wir in einer Menschenmenge unterwegs sind, fällt uns sehr schnell auf, ob uns ein anderer Mensch direkt anschaut. Innerhalb von Sekundenbruchteilen weckt ein solcher direkter Blickkontakt unsere Aufmerksamkeit. Aber ist das wirklich immer so? Frühere Studien haben gezeigt, dass das direkte Anschauen zumindest bei neutralem Gesichtsausdruck unsere Aufmerksamkeit tatsächlich weckt und verstärkt.

Christina Breil von der Universität Würzburg und ihre Kollegen haben nun untersucht, ob und wie der Gesichtsausdruck den Effekt des direkten Augenkontakts verändert. Dafür zeigten sie ihren Testpersonen Gesichter, die sie entweder direkt anschauten oder den Blick abwandten. Dabei war der Gesichtsausdruck der Dargestellten unterschiedlich: neutral, wütend, ängstlich, freudig oder angeekelt. Das Team ermittelte dabei über mehrere Methoden, wie stark und schnell dies jeweils die Aufmerksamkeit weckte.

Bei Angst und Ekel wirkt der Augenkontakt nicht

Das Ergebnis: In einigen Fällen bestätigte sich das landläufige Bild: Bei fröhlichen oder wütenden Gesichtern reagierten die Testpersonen aufmerksamer und schneller, wenn ihr Gegenüber sie direkt anschaute. Anders jedoch bei Gesichtsausdrücken, die Angst oder Ekel ausdrücken: Dann zeigte der direkte Augenkontakt keinen Effekt und vermochte es nicht, die Aufmerksamkeit der Testpersonen zu steigern. Stattdessen weckte in diesen Fällen der abgewandte Blick eine verstärkte Aufmerksamkeit, wie das Team berichtet.

„Wir konnten damit zeigen, dass der emotionale Ausdruck von Gesichtern beeinflusst, wie die dazugehörigen Blicke unsere Aufmerksamkeit prägen“, erklärt Breil. „Wir finden dasselbe Muster auch in den Blickbewegungen: Probanden schauen schneller und länger auf Gesichter, die fröhlich sind und sie direkt anblicken, und schneller auf Gesichter, die wegschauen, wenn diese Ekel ausdrücken.“

Auf die Kongruenz kommt es an

Aber warum? Wie das Psychologenteam erklärt, hängt dies mit der unterschiedlichen psychologischen Wirkung der Emotionen zusammen: Freude und Wut gelten als sogenannte Annäherungs-Emotionen, weil diese Gefühle entweder anziehend auf uns wirken oder oft mit einer Annäherung des Gegenübers verbunden sind. Ekel und Angst hingegen wecken eher eine unwillkürliche Vermeidungsreaktion: Wenn uns ein Mitmensch diese Gefühle zeigt, ist dies auch für uns unwillkürlich ein Signal, uns lieber fernzuhalten.

Der Theorie zufolge beeinflusst dieser psychologische Hintergrund auch die Wirkung des Blickkontakts auf unsere Aufmerksamkeit. Sie ist demnach stark, wenn Emotion und Blickrichtung in Bezug auf diese Aspekte der Vermeidung oder Annäherung zusammenpassen. „Kongruent ist beispielsweise ein erfreutes Gesicht, das Sie anschaut, denn Freude ist eine Annäherungs-Emotion und der direkte Blick drückt ebenfalls Annäherung aus“, erklärt Breil. Auch ein angeekeltes Gesicht, das wegschaut, ist demzufolge kongruent.

Auch der Blickeffekt ist kontextabhängig

Das Experiment belegt damit, dass ein direkter Blickkontakt nicht unbedingt sofort unsere Aufmerksamkeit erregen muss. Stattdessen wertet unser Gehirn innerhalb weniger Sekundenbruchteile zunächst aus, ob Blickrichtung und Mimik unseres Gegenübers zusammenpassen. Ist das der Fall, lenkt das Gehirn unsere Aufmerksamkeit darauf und wir schauen genauer hin.

Damit belegen die Ergebnisse auch, dass der direkte Augenkontakt eben nicht immer auch unsere Aufmerksamkeit weckt. Denn Blicke werden eben nichtkontextunabhängig verarbeitet wie oft gedacht. Selbst wenn es um so basale Prozesse geht wie das Erregen von Aufmerksamkeit durch Blicke, spielt der Kontext eine Rolle. (Journal of Experimental Psychology, 2022; doi: 10.1037/xhp0001046)

Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg

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