Heißer Fleck: Astronomen haben einen auffallend heißen Fleck am zentralen Schwarzen Loch der Milchstraße entdeckt. Dieser Hotspot umkreist Sagittarius A* mit rund 30 Prozent der Lichtgeschwindigkeit und benötigt daher nur 70 Minuten für einen vollen Umlauf, wie Daten des ALMA-Observatoriums in Chile enthüllten. Das Spannende daran: Dieser Fleck aus heißem Plasma könnte der Überrest eines Strahlenausbruchs am Schwarzen Loch sein, der kurz vorher im Röntgen- und Infrarotbereich beobachtet worden war.
Das supermassereiche Schwarze Loch der Milchstraße prägt das Verhalten und die Entwicklung unserer Galaxie und ihrer Sterne. Dennoch ist bisher nur wenig über Sagittarius A* bekannt. Denn anders als aktive Galaxienkerne verschlingt es nur wenig Materie. Das Schwarze Loch macht sich daher nur durch seinen Schwerkrafteinfluss auf umliegende Sterne und manchmal kleinere Strahlenausbrüche bemerkbar. Erst im Mai 2022 gelang es Astronomen, mithilfe der Radioteleskope des Event-Horizon-Verbunds (EHT) erstmals ein Foto von Sagittarius A* zu erstellen.
Hotspot polarisierter Radiostrahlung
Ein weiteres Detail „unseres“ Schwarzen Lochs hat nun ein Astronomenteam um Maciek Wielgus vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn aufgedeckt. Die Forschenden hatten im Rahmen der Event-Horizon-Kampagne auch die auflösungsstarken Radioteleskope des Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA) in Chile auf Sagittarius A* gerichtet. Als das Team diese eigentlich nur zu Kalibrierung gedachten Daten auswertete, stießen sie auf eine Auffälligkeit:
Die vom Umfeld des Schwarzen Lochs ausgehenden Radiowellen zeigten einen Fleck mit abweichender Polarisationssignatur, der sich kreisförmig um das Zentrum von Sagittarius A* bewegte. „Dieser Hotspot sendet stark polarisierte Synchrontronstrahlung aus, die kurze Zeit sogar das gesamte Polarisationsmuster dieser Quelle dominiert“, berichten Wielgus und sein Team. Der auffallende Hotspot umkreist das Zentrum des Schwarzen Lochs in einem Abstand, der dem fünffachen Radius des Ereignishorizonts entspricht.
Mit 30 Prozent der Lichtgeschwindigkeit
Doch worum handelt es sich? „Wir vermuten, dass wir es mit einer heißen Gasblase zu tun haben, die Sagittarius A* auf einer Bahn umkreist, die ähnlich groß ist wie die des Planeten Merkur“, erklärt Wielgus. Den Analysen der Astronomen zufolge ist das Plasma in diesem Hotspot heißer und weniger durchsichtig als der umgebende Gasstrom. Die Bahn der Gasblase liegt wahrscheinlich parallel zum Äquator des Schwarzen Lochs und damit senkrecht zu seiner Rotationsachse.
Weil der Hotspot nur rund 70 Minuten für einen Umlauf benötigt, muss das Tempo dieser Gasblase bei rund 30 Prozent der Lichtgeschwindigkeit liegen. „Das ist eine unglaubliche Geschwindigkeit“, sagt Wielgus. Den Beobachtungen zufolge rast der Hotspot im Uhrzeigersinn um das Schwarze Loch herum. Das könnte bedeuten, dass auch das restliche Material im Umfeld des Ereignishorizonts von Sagittarius A* im Uhrzeigersinn rotiert, wie die Astronomen erklären.
Zusammenhang mit Strahlungsausbruch?
Das Entscheidende jedoch: Der Zeitpunkt der Beobachtung liefert auch erste Hinweise darauf, wie solche Hotspots zustande kommen könnten. Denn kurz zuvor hatten das NASA-Röntgenteleskop Chandra und das Nahinfrarot-Interferometer GRAVITY einen kleineren Strahlungsausbruch am Schwarzen Loch registriert. „Solche Flares waren bisher nur in Röntgen- und Infrarotbeobachtungen von Sagittarius A* deutlich zu erkennen. Hier sehen wir zum ersten Mal einen starken Hinweis darauf, dass umlaufende Hot Spots auch in Radiobeobachtungen vorhanden sind“, sagt Wielgus.
Gängiger Hypothese nach entstehen solche kleineren Strahlenausbrüche an Schwarzen Löchern, wenn es in dem um den Ereignishorizont kreisenden heißen Gasstrom zu magnetischen Wechselwirkungen kommt. Die Beobachtung eines Hotspots aus polarisierter Radiostrahlung direkt nach einem solchen Flare bestätigt dies nun. „Wir finden hier starke Hinweise auf einen magnetischen Ursprung dieser Flares“, sagt Koautorin Monika Moscibrodzka von der Radboud Universität in den Niederlanden.
Die Astronomen vermuten, dass der im Radiobereich sichtbare Hotspot das Relikt des energiereicheren und daher kurzwelligeren Flares ist. „Wenn sich die im Röntgen- und Infrarotbereich strahlenden Hotspots abkühlen, werden sie bei längeren Wellenlängen sichtbar, wie die, die von ALMA und dem EHT beobachtet werden“, erklären sie. „Die neuen Daten sind äußerst hilfreich für die Formulierung einer theoretischen Interpretation dieser Ereignisse.“
Weitere Beobachtungen geplant
Die Astronomen wollen das Schwarze Loch in jedem Fall weiter im Blick behalten: „In Zukunft sollten wir in der Lage sein, Hot Spots durch koordinierte Multiwellenlängen-Beobachtungen mit GRAVITY und ALMA über mehrere Spektralbereiche hinweg zu verfolgen – der Erfolg eines solchen Unterfangens wäre ein echter Meilenstein für unser Verständnis der Physik von Flares im galaktischen Zentrum“, sagt Koautor Ivan Marti-Vidal von der Universität Valencia in Spanien.
Das Team hofft, die umlaufenden Gasklumpen von Sagittarius A* demnächst auch mit dem Event-Horizon-Verbund direkt beobachten zu können. „Hoffentlich können wir eines Tages sagen, dass wir wirklich verstehen, was in Sagittarius A* vor sich geht“, so Wielgus abschließend. (Astronomy & Astrophysics, 2022; doi: 10.1051/0004-6361/202244493)
Quelle: European Southern Observatory (ESO), Max-Planck-Institut für Radioastronomie