Phänomene

Forschung am toten Objekt

Schafe, Insekten und ein Beobachtungsgrab

Welche Insekten sich auf einer Leiche einfinden und wie sie sich entwickeln, hängt auch davon ab, wo sie liegt: Wenn der Tote offen liegen bleibt, siedeln sich andere Spezies an, als wenn er tiefer im Boden vergraben wurde. Auch die zeitliche Entwicklung ist dann eine andere.

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Tote Schafe dienen Karapazarlioglu als Modell für seine forensischen Forschungen. © Roberto Schirdewahn/ RUB

Um die Effekte des oberflächlichen oder tieferen Verscharrens zu untersuchen, hat Ersin Karapazarlioglu ein spezielles Beobachtungsgrab konstruiert. Es ist an einer Seite mit einer Plexiglasscheibe verschlossen, sodass man ins Innere sehen kann. An acht Stellen sind zudem Vorrichtungen angebracht, mit denen der Forscher Proben der Erde und der enthaltenen Organismen nehmen kann.

Ein totes Schaf als Testobjekt

In dem Grab ist seit mehreren Monaten ein Schaf vergraben, das von einem Schlachthof stammt. In der forensischen Entomologie werden Schafe und Schweine gerne als Modellorganismen genutzt, weil sie ein vergleichbares Körpergewicht wie Menschen haben und weil bei ihnen auch die Verwesungsprozesse sehr ähnlich ablaufen. Vor dem Vergraben werden die Schafe rasiert, um auch die Beschaffenheit der Haut der des Menschen anzugleichen.

„Die Idee des Beobachtungsgrabes ist, Zugang zu dem Tier zu haben, ohne den Verwesungsprozess zu stören“, erklärt Karapazarlioglu seine Konstruktion. Ein weiteres Schaf hat er zum Vergleich nicht vergraben, sondern der Verwesung und dem Befall mit Insekten an der Bodenoberfläche ausgesetzt. Alle ein bis zwei Tage nimmt Ersin Karapazarlioglu von beiden Kadavern Proben und vergleicht die Insektenzusammensetzungen. Dazu muss er die kleinen Tiere unter dem Mikroskop bestimmen – denn unterschiedliche Spezies lassen sich oft nur anhand von winzigen Details unterscheiden.

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Dieses halb verweste Schaf wird einmal im Monat exhumiert, um die Insekten zu beproben. © Roberto Schirdewahn/ RUB

Erste Erkenntnisse

„Die Ergebnisse zeigen, dass das Begraben eine Rolle für den Verwesungsprozess und die Insektenbesiedlung spielt“, resümiert der Forscher. „An einem Kadaver, der der Verwesung und der Insektenbesiedlung an der Oberfläche ausgesetzt ist, haben wir andere Insektenspezies gefunden als an dem vergrabenen Kadaver.“ Die Anzahl der besiedelnden Insekten war an der Oberfläche deutlich größer als in der Tiefe. Außerdem verliefen die Abbauprozesse an der Oberfläche wesentlich rascher – zehn Tage dauerte es hier, um das Verwesungsstadium zu erreichen, das in der Tiefe erst nach 180 Tagen eintrat.

Für eine zweite Studie hat Ersin Karapazarlioglu im Sommer 2021 ein weiteres Schaf vergraben, das einmal pro Monat exhumiert wird – sechsmal hat er den Körper bereits freigelegt. Jedes Mal dokumentiert er den Verwesungsstatus des Tieres und analysiert die Insektenaktivität. Im Verlauf der Monate zeigen sich deutliche Unterschiede: Aufgrund der wärmeren Temperaturen finden sich im Sommer zahlreiche Insekten in dem Grab, im Winter nimmt die Aktivität deutlich ab.

„Bislang gibt es nur wenige Studien zur Insektenfauna an vergrabenen Leichen in Europa“, weiß Karapazarlioglu. „Daher erhoffen wir uns von diesen Experimenten wertvolle Daten für Morduntersuchungen.“

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Wenn Maden einen Mord aufklären
Insekten als Helfer bei kriminologischen Ermittlungen

Krabbelnde Helfer
Insekten als Kriminalassistenten

Erst Fliegen, dann Käfer
Wie die forensische Entomologie funktioniert

Forschung am toten Objekt
Schafe, Insekten und ein Beobachtungsgrab

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