Obwohl sie Massensterben, Eiszeiten und Naturkatastrophen überstanden haben und bis heute vielfältige Anpassungen aufweisen, sind Schildkröten nicht gegen jede Bedrohung gewappnet.
Wandel der Lebensräume
Viele Land- und nahezu alle Meeresschildkröten sind in ihren Beständen gefährdet, einige sogar vom Aussterben bedroht. Ein Grund dafür sind die Veränderungen des Klimas: Zum Beispiel hat ein Forschungsteam von Greenpeace herausgefunden, dass sich die Erwärmung der Ozeane negativ auf die Fortpflanzungsfähigkeit von Meeresschildkröten auswirkt.
Und auch die Geschlechterverteilung der Meerestiere könnte sich durch den Klimawandel verändern. Denn da das Geschlecht der Jungtiere durch die Temperatur des Nestes im Sand bestimmt wird, werden mehr Weibchen geboren, wenn der Strand besonders warm ist. Das könnte bei weiter ansteigenden Temperaturen dazu führen, dass vielerorts nur noch weiblicher Nachwuchs geboren und die Fortpflanzungsrate der Schildkröten so langfristig dezimiert wird. Zudem hat das veränderte Klima zur Folge, dass der Meeresspiegel steigt und damit zukünftig womöglich häufiger die Nistplätze an den Sandstränden von Überschwemmungen bedroht sind, sodass Schildkröteneier zerstört werden.
Zum Fressen gern
Zusätzlich sind viele Schildkröten aufgrund der klimatischen Veränderungen in ihren Lebensräumen neuen tierischen Feinden ausgesetzt. Zum Beispiel ist der Waschbär aus Nordamerika in Westeuropa eingewandert und wird insbesondere für Sumpfschildkröten zu einem neuen Fressfeind.
Auch einige zuvor für Schildkröten ungefährliche Tiere sind heute zu Fressfeinden geworden: Im Jahr 2019 haben Simone Pika von der Universität Osnabrück und ihre Kollegen im Loango Nationalpark in Gabun überraschende, bisher unbekannte Räuber von Schildkröten beobachtet. Schimpansen jagten nach den gepanzerten Tieren und knackten die Panzer der Schildkröten auf, indem sie die schützende Schale am Bauch der Schildkröte immer wieder gegen eine harte Oberfläche schlugen.
Der Mensch als größter Feind
Die wohl größte Gefahr für die gepanzerten Reptilien geht aber vom Menschen aus: Er sorgt dafür, dass viele Lebensräume der Reptilien schrumpfen – etwa durch den Städtebau oder wenn Dämme und Reusen in Flüsse gebaut oder Sümpfe und Feuchtgebiete trockengelegt werden, in denen die Tiere heimisch sind.
Häufig durchschneiden auch Straßen die Habitate der Schildkröten und führen zu hohen Opferzahlen, wobei gerade trächtige Weibchen auf der Suche nach einem geeigneten Nistplatz am meisten betroffen sind. Zudem sorgen Flussbegradigungen und Kanalisierungen für einen Verlust an Plätzen zum Nisten und Sonnen. Zusätzlich vergiften etwa in der Landwirtschaft genutzte Insektizide und Herbizide die Tiere oder vernichten ihre Nahrungsgrundlage.
Lebensraum verschmutzt
Und auch die Lebensräume, die für Schildkröten noch übrig sind, bergen vom Menschen verursachte Gefahren. So sind beispielsweise die Niststrände und Ozeane so sehr von Plastik kontaminiert, dass Meeresschildkröten immer weniger Plätze zum Nisten finden und häufig Plastikteile fressen. Beispielsweise können Lederschildkröten den im Wasser treibenden Kunststoffmüll nicht von ihrer Nahrung wie etwa Quallen unterscheiden und verenden so an unverdaulichen Plastiktüten. Hinzu kommt, dass die Industrie Abwasser in die von Wasserschildkröten bewohnten Gewässer leitet. Die Tiere verlieren dadurch oft ihre Nahrungsgrundlage oder gar den Lebensraum.
Auch die Lichtverschmutzung wird einigen Meeresschildkröten zum Verhängnis: An Stränden, an denen die Muttertiere ihre Eier legen, werden immer häufiger beispielsweise Hotelanlagen gebaut. Ihre Lichter können den Schlüpflingen, die sich auf ihrem Weg zum Meer üblicherweise nachts am Mond orientieren, die falsche Richtung weisen. Eine weitere Gefahr stellt der Schiffsverkehr dar: An einem der Hauptbrutgebiete, dem indischen Strand Orissa, fanden in einer einzigen Brutsaison schätzungsweise 20.000 durch Schiffsschrauben verletzte Tiere den Tod.
Damit einhergehend ist auch die Bedrohung, die von der industriellen Fischerei ausgeht: Durch sie verenden viele der Meeresschildkröten als Beifang in Treib-, Schlepp- und Fangnetzen. Schätzungen zufolge landen jährlich mehr als 250.000 Tiere ungewollt in den Netzen und Leinen von Fischern.
Jagd auf die Panzertiere
Neben der Verschmutzung stellen auch die Jagd und der Handel mit Schildkröten eine enorme Gefährdung dar: Seit Jahrhunderten werden die Panzertiere gejagt, weil ihr Fleisch und ihre Eier in manchen Kulturen als Delikatesse gelten und das Schildpatt aus ihrem Panzer als Glücksbringer oder für Schmuckstücke genutzt wird. Zwar ist der Handel mit Schildkröten in vielen Ländern verboten und einige Arten stehen unter strengem Schutz, doch in manchen Regionen oder auf dem Schwarzmarkt sind Schildkröten weiterhin beliebte Ware.
Mancherorts noch ausgeprägter als der Handel und Schmuggel mit den gepanzerten Reptilien ist der Tourismus: Nach Berechnungen des WWF lässt sich mit Meeresschildkröten-Tourismus, also beispielsweise touristischen Beobachtungstouren, fast dreimal mehr Geld verdienen als durch den Handel mit Schildpatt, Schildkrötenfleisch und -eiern.
Schutzmaßnahmen dringend nötig
Um Schildkröten an Land wie im Wasser zu schützen, braucht es deshalb wirksame Schutzmaßnahmen. Neben Artenschutzabkommen, die den Handel mit den Reptilien unterbinden, ist hierzulande für Schildkröten-Halter ein Reptilienpass mit Fotos der unverwechselbaren Panzermaserung verpflichtend.
Auch gibt es weltweit aktive Artenschutzprojekte für Schildkröten: Zum Beispiel wird der Schutz und die Wiederansiedlung der heimischen Sumpfschildkröte in Deutschland unter anderem an der Naturschutzstation Rhinluch in Brandenburg betrieben. Solche Projekte können aber nur wirksam sein, wenn auch die Gefahrenquellen nachhaltig eingedämmt werden.