Technik

Gekappt und pulverisiert

Ursachen für Kabelbrüche und die Folgen

Als im Januar 2022 vor der Küste von Tonga ein Unterseevulkan ausbrach, verursachte er nicht nur weitreichende Schockwellen und überzog den Inselstaat mit Asche. Das von der Eruption verursachte Erdbeben zerstörte auch das einzige Unterseekabel, das Tonga mit dem globalen Kommunikationsnetz verband. Als Folge waren die Bewohner des Inselstaats fünf Wochen lang weitgehend vom Internet abgeschnitten.

Unterseekabel
Jenseits der Flachwasserzonen liegen die Unterseekabel frei am Meeresgrund und können daher durch Anker oder Schleppnetze beschädigt werden. © Imaginima/

Schiffsanker, Schleppnetze und Naturkatastrophen

„Trotz aller ätherisch klingenden Umschreibungen wie Cloud oder Cyberspace beruht das Internet auf physischen Komponenten – und diese Hardware, darunter auch die Seekabel, kann zerstört werden“, betont Justin Sherman vom US-Thinktank Atlantic Council. Tatsächlich kommt es im globalen Untersee-Netzwerk jedes Jahr zu rund 100 Schäden an Glasfaserkabeln, die meisten davon sind allerdings nur gering. Meist wird die Außenhülle des Kabels beschädigt, so dass Meerwasser eindringen kann oder einzelne Glasfasern oder Glasfaserbündel brechen. In solchen Fällen ist die Bandbreite der Übertragungen zwar reduziert, die Verbindung aber nicht komplett unterbrochen.

Die mit Abstand häufigste Ursache für solche Störungen und Ausfälle sind versehentliche Schäden in Küstennähe durch Schiffsanker, Ausbaggerungen oder über den Meeresgrund gezogene Schleppnetze. Sie sind für rund 70 Prozent aller Kabelausfälle und die meisten Brüche verantwortlich. Einer der schwerwiegendsten Vorfälle dieser Art ereignete sich im Jahr 2008, als ein Schiff vor der Küste von Ägypten ankern wollte und dabei zwei durch das Rote Meer laufende Hauptverbindungen von Europa nach Asien, FLAG Europe-Asia und SeaMeWe-4, kappte. Mehr als 75 Millionen Menschen im Nahen Osten und Asien hatten dadurch nur noch eingeschränkten Internetzugang.

Mit einem Anteil von rund 20 Prozent deutlich seltener, aber dafür oft schwerwiegender sind die Kabelschäden durch Naturkatastrophen wie Erdbeben, unterseeische Rutschungen oder Eruptionen. Sie zerstören häufig gleich mehrere unterseeische Leitungen. So unterbrach ein Erdbeben im Dezember 2006 vor der Südspitze von Taiwan gleich mehrere Hauptverbindungen in Asien und führte zu tagelangen Internetausfällen in Hongkong, China und weiteren asiatischen Ländern.

Wie gefährdet ist Europa?

Welche Folgen der Schaden an einem Unterseekabel nach sich zieht, hängt daher eng damit zusammen, wie redundant die Verbindung ausgelegt ist: „Je mehr alternative Land- und Unterseekabel vorhanden sind, um den Verlust der Bandbreite durch eine unterbrochene Verbindung auszugleichen, desto besser ist Chance für einen weiterhin ungehinderten Datenfluss“, erklären Jonas Franken von der TU Darmstadt und seine Kollegen in einem aktuellen Bericht für das EU-Parlament.

Europa gehört zu einem der Hauptknotenpunkte im weltweiten Kommunikationsnetz: Der Kontinent ist über 250 Leitungen mit dem Rest der Welt verbunden, zwei Drittel davon sind Unterseekabel. Für den Datenverkehr mit dem Mittelmeerraum und Asien liegen die wichtigsten Landestationen in Frankreich und Italien. Die meisten transatlantischen Kabelverbindungen der EU enden in Landestationen in Großbritannien und werden über ein gutes Dutzend Kabel über den Ärmelkanal aufs Festland weitergeleitet.

Seit dem Brexit ändert sich dies allerdings: „Die Anlandung neuer Hochleistungskabel an der französischen und dänischen Küste und im spanischen Bilbao zeigen diesen Wandel“, erklären Franken und sein Team. Die EU will die Abhängigkeit von Großbritannien verringern, außerdem verringert die Verteilung der Landestationen auf verschiedene geografische Orte das Risiko für einen simultanen Ausfall.

Flaschenhals
Der Suezkanal und das Rote Meer sind Flaschenhälse für die interkontinentalen Verbindungen zwischen Europa und Asien. © TeleGeography Submarine Cable Map/ CC-by-sa 4.0

Flaschenhals am Roten Meer

Gleiches gilt eigentlich auch für die Positionierung der Unterseekabel selbst. Während die lange Westküste Europas eine breitere Verteilung der Transatlantikkabel ermöglicht, ist dies jedoch für die Verbindungen nach Asien und Afrika nur bedingt der Fall: „Der größte Flaschenhals der EU ist die Passage zwischen dem Mittelmeer und dem Indischen Ozean über das Rote Meer“, erklären Franken und sein Team. „Die Kern-Konnektivität nach Asien läuft über diese Route.“

Die versehentliche Kabelkappung im Jahr 2008 traf genau diesen Flaschenhals, durchtrennte aber glücklicherweise nur zwei der durch diese Region laufenden Interkontinentalkabel. Um künftig solche schiffsbedingte Schäden zu vermeiden, wurden inzwischen 16 der für die EU wichtigen Hauptleitungen im Suezkanalgebiet auf das Ufer verlegt. Das allerdings birgt ein anderes Risiko: Die Interkontinentalkabel liegen auf ägyptischem Territorium. „Für die EU ist es daher entscheidend, gute Beziehungen zu Ägypten aufrechtzuerhalten, um die digitale Konnektivität sicherzustellen“, so Franken.

Doch wie groß ist das Risiko, dass jemand die Unterseekabel absichtlich unterbricht oder zerstört?

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Angriffsziel Unterseekabel
Wie gefährdet ist die kritische Infrastruktur des globalen Datennetzes?

Adern der globalen Kommunikation
Das Netz der Unterseekabel und seine Bedeutung

Gekappt und pulverisiert
Ursachen für Kabelbrüche und die Folgen

Infrastruktur im Visier
Wie zerstört man eine unterseeische Datenleitung?

Was wären die Folgen?
…und von wem droht die größte Gefahr?

Manipulation und Spionage
Gefahren drohen auch ohne Sprengsätze und Taucher

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