Physik

Neue Überraschung beim Proton

Reaktion des Kernbausteins auf elektromagnetische Felder passt nicht zur Theorie

Proton
Das Innenleben des Protons ist bisher kaum erforscht – und sorgt immer wieder für Überraschungen. © Jacek rybak/ CC-by-sa 4.0

Seltsame Anomalie: Das Proton reagiert auf Elektronenbeschuss anders als erwartet. Statt sich mit zunehmender Energie immer stärker zu deformieren, zeigt der Kernbaustein bei einer bestimmten Energie eine abrupte Reaktionsspitze. Diese Abweichung von der Theorie könnte auf noch unerkannte Unterstrukturen oder Eigenheiten der Starken Kernkraft im Proton hindeuten, wie Physiker in „Nature“ berichten. In jedem Fall wirft die Anomalie Fragen auf.

Das Proton ist einer der Grundbausteine der Materie, zusammen mit dem Neutron bildet es den Atomkern. Doch trotz dieser fundamentalen Bedeutung gibt das Proton in mehrerer Hinsicht Rätsel auf. So herrscht Uneinigkeit über seine Größe und auch das Innenleben des Kernbausteins ist erst in Ansätzen erforscht. Klar scheint, dass das Teilchen aus drei Quarks sowie den sie verbindenden Gluonen besteht. Die Quantenfluktuation erzeugt zudem ständig kurzlebige Paare aus Quarks und ihren Anti-Quarks. Doch wie all diese Teilchen angeordnet sind und wechselwirken, ist weitgehend offen.

Proton
Das bei der Kollision mit dem Elektron erzeugte Lichtteilchen liefert Informationen über die Reaktion des Protons auf elektromagnetische Störungen.© Nikos Sparveris/ Temple University

Protonen unter Beschuss

Jetzt wirft ein aktuelles Experiment neue Fragen auf. Ruonan Li von der Temple University in Philadelphia und seine Kollegen haben darin die Polarisierbarkeit des Protons gemessen. Diese beschreibt, wie leicht die Ladungs- und Magnetverteilung im Proton durch äußere elektromagnetische Felder verformt werden kann. „Die Quarks im Protoneninneren haben negative oder positive Ladungen und bewegen sich daher unter Einfluss eines elektrischen Felds in entgegengesetzte Richtungen“, erklärt Li.

Die für diese Reaktion nötige Energie und das Ausmaß der Veränderungen erlauben Rückschlüsse auf die innere Struktur des Protons. Für ihr Experiment haben die Physiker Protonen des Wasserstoffs mit einem Strahl von Elektronen mit je nach Durchgang verschiedener Energie beschossen. Je nach Energie der Kollision prallen diese Elektronen entweder außen am Proton ab oder sie dringen ein und interagieren dann dort mit den Quarks und Gluonen des Inneren.

Welcher Prozess abläuft und wie stark das Proton auf die mit dem Beschuss verbundenen elektrischen Felder reagiert, lässt sich an der sogenannten Compton-Streuung messen: Bei der Kollision entstehen Photonen, deren Energie und Flugbahn die „Verformbarkeit“ des Protoneninneren verrät. Der Theorie nach müsste das Proton auf den Beschuss mit einer stetigen Veränderung seiner Polarisierbarkeit reagieren.

Zacken in der Kurve

Doch die Messdaten zeigten etwas anderes: In einem Energiebereich zeigte sich ein abrupter Zacken in der Kurve – eine plötzliche Zunahme der Polarisierbarkeit. „Wir sehen, dass es hier eine lokale Verstärkung des Effekts gibt. An diesem Punkt in der Kurve steigt die Polarisierbarkeit kurzzeitig an, bevor sie wieder absinkt“, berichtet Li. „Damit sehen wir hier etwas, das deutlich vom vorhergesagten einfachen Verhalten abweicht.“

Nach Ansicht der Physiker könnte diese lokale Anomalie darauf hindeuten, dass es im Inneren des Protons eine Unterstruktur gibt. Diese beeinflusst dann möglicherweise die Reaktion des Teilchens auf elektromagnetische Störungen. Denkbar wäre aber auch, dass bisher unerkannte Eigenschaften der Starken Kernkraft eine Rolle spielen. „Es gibt hier eindeutig etwas, das uns bisher entgangen ist“, sagt Lis Kollege Nikos Sparveris.

Noch mehr Gewicht erhält diese Entdeckung dadurch, dass eine solche Anomalie nicht zum ersten Mal beobachtet wurde. Auch frühere Experimente hatten bereits erste Hinweise auf eine solche Spitze in der Polarisierbarkeitskurve gefunden. Allerdings waren deren Messmethoden noch deutlich weniger präzise als beim aktuellen Experiment, daher blieben die Ergebnisse und ihre Relevanz umstritten.

„Herausforderung für die Kerntheorie“

Die aktuellen Resultate erhärten nun den Verdacht, dass im Inneren des Protons etwas vorgeht, das von den gängigen kernphysikalischen Modellen nicht erfasst wird. „Die Messungen sprechen für die Präsenz eines neuen, noch nicht verstandenen dynamischen Mechanismus im Proton – und stellen eine echte Herausforderung für die Kerntheorie dar“, konstatieren Li und seine Kollegen. Eine Anomalie in einem so fundamentalen Merkmal sei daher von besonderem wissenschaftlichem Interesse

Die Wissenschaftler wollen nun noch weitere Messungen durchführen, um vor allem die Form der Anomalie noch genauer einzugrenzen. „Ihre Existenz unterstreicht aber auch, dass wir eine verbesserte Theorie brauchen, um diese fundamentale Eigenschaft des Protons verlässlich zu beschreiben“, so die Physiker. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-022-05248-1)

Quelle: DOE/ Thomas Jefferson National Accelerator Facility

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