Umwelt

Ostsee: Abgasreinigung entlässt Giftstoffe ins Meer

Immer mehr krebserregende und giftige Substanzen aus "Scrubbern" von Schiffen

SChiffe
Viele Frachter und Kreuzfahrtschiffe nutzen inzwischen Abgasreinigungsanlagen, doch diese haben eine Schattenseite. © DigiClicks/ Getty images

Versteckte Kontamination: Die Abgaswäsche großer Schiffe verringert zwar die Emissionen von Schwefel und Feinstaub, dafür gelangen mit dem Abwasser dieser Reinigungsanlagen erhebliche Mengen giftiger und krebserregender Schadstoffe ins Meer, wie eine Studie enthüllt. In der Ostsee sind die Abwässer der Schiffs-Scrubber bereits für fast neun Prozent der Schadstoffeinleitungen verantwortlich – Tendenz deutlich steigend. Reglementiert ist das Ablassen des Waschwassers bisher kaum.

Die Ostsee hat es schwer: Als flaches Binnenmeer hat sie nur einen begrenzten Wasseraustausch mit dem Atlantik, gleichzeitig münden in ihr zahlreiche große Flüsse aus den dicht besiedelten Anrainerländern. Als Folge ist das Wasser der Ostsee besonders stark verschmutzt und überdüngt, an ihrem Grund entstehen immer wieder ausgedehnte „Todeszonen“ mit sauerstoffarmem oder sogar sauerstofffreiem Wasser. Im Zuge des Klimawandels erwärmt sich das flache Meer zudem besonders stark – auch das setzt der Meeresumwelt der Ostsee zu.

Reichlich Schwermetalle

Doch das ist nicht alles: Auch der starke Schiffsverkehr auf der Ostsee beeinträchtigt die Meeresumwelt stärker als bisher angenommen, wie Erik Ytreberg von der schwedischen Chalmers Universität und seine Kollegen herausgefunden haben. Sie hatten im Auftrag der schwedischen Regierung eine Art Bestandsaufnahme des Schadstoffeintrags in die Ostsee erstellt. Dafür werteten sie Daten zu den Einträgen über die Flüsse und Küsten aus, aber auch zu atmosphärischen Ablagerungen und schiffsbedingten Schadstoffquellen und pflegten dies in ein Modell ein.

Dabei zeigte sich: Jedes Jahr gelangen mehr als 3.900 Tonnen Zinn, 1.560 Tonnen Kupfer, 273 Tonnen Blei und weitere Schwermetalle in die Ostsee. Der größte Teil dieser Einträge kommt über die Flüsse ins Ostseewasser. 37 Prozent dieser Metallkontamination stammen jedoch aus der Schifffahrt. Sie werden über die Antifouling-Beschichtungen der Schiffsrümpfe ins Wasser abgegeben, wie das Team erklärt.

Giftige Organo-Schadstoffe aus der Abgasreinigung

Noch bedenklicher ist jedoch die Fracht an krebserregenden und giftigen organischen Schadstoffen: Rund 20 Tonnen polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK) gelangen pro Jahr in die Ostsee. Darunter haben kleinere Moleküle wie Naphtalen, Phenanthren und Fluoren den höchsten Anteil, wie die Auswertungen ergaben. „PAKs sind hochgiftig sowohl für Menschen als auch für Wasserorganismen und können Krebs verursachen“, erklärt Ytreberg. Ein Teil dieser organischen Schadstoffe wird über die Luft in das Meerwasser eingetragen.

Scrubber
Abgasentschwefelungsanlagen von Schiffen entlassen bisher ihr kontaminiertes Abwasser einfach wieder ins Meer. © Chalmers | EGCSA gallery

Doch ein Teil dieser giftigen PAK-Fracht gelangt auch über bisher unterschätzte anthropogene Quellen ins Meerwasser: über die Abgasentschwefelung von Schiffen. Dabei wird meist die „nasse“ Entschwefelung genutzt, bei der das Gas zusammen mit weiteren Schadstoffen mithilfe von Meerwasser und Natronlauge aus den Schiffsabgasen ausgewaschen wird. Das Problem dabei: Das mit Schadstoffen und Schwermetallen angereicherte Abwasser dieser Anlagen wird zum größten Teil einfach ungeklärt ins Meer entsorgt.

Rasante Zunahme des Gifteintrags

Wie die Studie enthüllt, ist die Verschmutzung durch solche Abgasreinigungs-Abwässer deutlich höher als lange angenommen: Im Jahr 2018 wurden 200 Millionen Kubikmeter Scrubber-Wasser in die Ostsee entlassen. Die darin enthaltenen PAKs machen 8,5 Prozent aller PAKs im Meerwasser der Ostsee aus – Tendenz stark steigend. Denn im Zuge der strengeren Luftreinhaltevorschriften installieren immer mehr Schiffe die nasse Abgasentschwefelung – viele davon mit „Open-Loop-Systemen“, bei denen die Abwässer ungeklärt ins Meer fließen.

Wie die Forschenden berichten, waren 2018 nur 180 Schiffe auf der Ostsee mit solchen Systemen unterwegs. 2021 waren es jedoch bereits 600. Weltweit haben bisher rund 16 Prozent der Containerschiffe und ein Drittel der Kreuzfahrtschiffe solche Anlagen. „Schon seit Jahren haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass die Scrubber überproportional große Emissionen von schädlichen und versauernden Substanzen ins Meerwasser entlassen“, sagt Ytrebergs Kollegin Ida-Maja Hassellöv. „Dennoch sehen wir eine anhaltende Zunahme neuinstallierter Scrubber.“

„Behörden müssen jetzt reagieren“

Das Problem: Bisher ist das ungeklärte Ablassen von Scrubber-Abwasser kaum gesetzlich reguliert. Nur Deutschland und Schweden haben bisher Regelungen erlassen, nach denen die Scrubber-Abwässer zumindest in Teilen und in bestimmten nationalen Gewässern beschränkt wird. „Es ist sehr wichtig, dass die Behörden und Entscheider jetzt reagieren und Maßnahmen einleiten, um die Emissionen des Schiffsverkehrs zu verringern“, sagt Hassellöv.

Der Wechsel bei der Abgasreinigung von den bisher gängigen „Open-Loop“-Modellen zu Verfahren mit einem geschlossenen Kreislauf könnte die Belastung der Ostsee mit PAKs und Schwermetallen aus der Schifffahrt um bis zu 90 Prozent verringern. „83 Prozent der bisher auf der Ostsee mit Scrubbern ausgerüsteten Schiffe könnten auf solche Systeme wechseln“, berichtet das Team. (Marine Pollution Bulletin, 2022; doi: 10.1016/j.marpolbul.2022.113904)

Quelle: Chalmers University of Technology

 

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