Ein Kraftwerktyp der vierten AKW-Generation, die sich derzeit noch in der Entwicklung befindet, sind die sogenannten Flüssigsalzreaktoren. Bei ihnen kommen anstelle des üblicherweise verwendeten Wassers flüssige Salze als Kühlmittel zum Einsatz.
Das hat unter anderem den Vorteil, dass der Druck im Inneren des Reaktors verhältnismäßig gering bleibt, wodurch das Sicherheitsrisiko deutlich verringert werden kann. Bei einem GAU in einem Druck- oder Siedewasserreaktor sorgt nämlich die schlagartige Freisetzung des kontaminierten Wassers für die höchste Strahlenbelastung der Umgebung. So zerstörten beim Atomunfall von Fukushima im Jahr 2011 beispielsweise Explosionen des aus dem heißen Wasserdampf gebildeten Wasserstoffs mehrere Reaktorgebäude, wodurch kontaminiertes Material in die Umgebung gebracht wurde.
Flüssige Salze bringen viele Vorteile
Um das zu verhindern, werden im Flüssigsalzreaktor Brennstoff und Kühlmittel vereint. Wie bei den herkömmlichen Reaktoren kommt auch hier hauptsächlich Uran-235 als Brennstoff zum Einsatz. Zusätzlich kann auch das waffenfähige Plutonium-239 als Antriebsmittel verwendet werden, das bei der Verschrottung von Kernwaffen anfällt. Im Gegensatz zur Verwendung in Brennstäben werden die radioaktiven Stoffe jedoch nicht als Oxide, sondern als Fluorid- oder Chlorid-Salze dem Kühlmittel direkt beigemengt.
Das aktuell wohl vielversprechendste Kühlmittel ist eine Mischung aus gleichen Anteilen der Salze Lithium-Fluorid und Beryllium-Fluorid (FLiBe). Zu seinen Vorteilen gehört, dass sein Schmelzpunkt relativ niedrig ist: Er liegt bei 459 Grad Celsius. Dadurch sinkt die Gefahr, dass das Kühlmittel an kritischen Stellen des Kreislaufes kristallisieren und so den Durchfluss stören kann. Eine weitere vorteilhafte Eigenschaft ist der geringe Dampfdruck des Materials, der auch bei etwa 1.000 Grad Celsius noch die Gefahr einer schlagartigen Ausdehnung minimiert.
Eine grundsätzliche Schwierigkeit von Flüssigsalzen besteht darin, dass sie eine hohe korrosive Wirkung haben und dadurch die umliegenden Werkstoffe angreifen. Dabei soll das FLiBe einen entscheidenden Vorteil liefern: Die Beigabe von Beryllium senkt das Redox-Potential des Flüssigsalzes, wodurch der korrosive Einfluss nahezu ausgeschaltet wird. Eine nette Nebeneigenschaft des Kühlmittels ist außerdem, dass es im flüssigen Zustand durchsichtig ist, wodurch Verunreinigungen überwacht werden können.
Mehrere Kreisläufe bis zur Turbine
Grundsätzlich besteht ein Flüssigsalzreaktor aus mehreren Kreisläufen. Im ersten befindet sich das Gemisch aus Brennstoffen und Kühlmittel, das Kontrollstäbe aus Graphit umfließt. Diese werden als Moderator eingesetzt und können – ähnlich wie bei herkömmlichen Reaktoren – flexibel herausgefahren werden.
Im ersten Wärmetauscher gibt das Reaktionsgemisch seine Energie an einen zweiten Flüssigsalz-Kreislauf ab. Dieser enthält keinen Brennstoff, befindet sich aber innerhalb des Containments. Dadurch soll eine mögliche Kontamination durch Wärmetauscher-Lecks vorgebeugt werden. Ein zweiter Kühlkreislauf gibt die erzeugte Wärme dann an einen Dampferzeuger weiter, über den der Strom produziert wird.
Sicherheit durch passives Ventil
Flüssigsalzreaktoren kommen besonders wegen ihrer hohen Sicherheit als SMRs in Frage. Herkömmliche Druckwasserreaktoren benötigen eine ständige Überwachung und geschultes Sicherheitspersonal, das im Ernstfall eingreifen können muss. Eines der verheerendsten Ereignisse – die Kernschmelze – kann in einem Flüssigsalzreaktor nicht auftreten, da der Kern bereits flüssig ist.
Trotzdem kann es auch hier zu einer Überhitzung kommen. Für diesen Fall besitzt der Reaktionskreislauf ein wassergekühltes Ventil, das bei zu hohen Temperaturen durchschmilzt und das radioaktive Gemisch gezielt in mehrere Abkühlbehälter leitet. Diese sind jeweils nur so groß, dass keine kritische Masse entstehen kann. Die erstarrten Salze können dann sicher entsorgt werden.
Brüten mit Thorium
Zusätzlich kann ein Flüssigsalzreaktor auch als Brutreaktor verwendet werden. Dazu wird dem Brennmaterial Thorium-232 beigemischt. Nach einem Neutroneneinfang wandelt es sich durch Betazerfall in Protactinium-233 um, das wiederum zu spaltbarem Uran-233 zerfällt. Thorium bietet den Vorteil, dass es einerseits häufiger vorkommt als Uran und andererseits bei seinem Zerfall weniger Transurane und dadurch eine geringere Menge langlebigen Atommülls entstehen.
Ein Nachteil des auch LFTR (Liquid Fluoride Thorium Reactor) genannten Brutverfahrens liegt in der Gefahr von Uran-233: Es gilt als optimales Kernwaffenmaterial und ist deutlich einfacher zu handhaben als waffenfähiges Plutonium. Durch eine kontinuierliche Abtrennung von Protactinium-233, was die Effizienz des Reaktors erhöht, kann sogar relativ reines Uran-233 im LFTR erzeugt werden. Eine gezielte Verunreinigung des Brennstoffes, beispielsweise mit Uran-238, könnte dieses Risiko teilweise senken.