Paläontologie

Haarige Schnecke in Bernstein entdeckt

Kreidezeitliche Landschnecke hatte feine Borsten am Gehäuse

Schnecke im Bernstein
Die kleine, zottelige Schnecke ist in kreidezeitlichem Bernstein konserviert. © A. Jochum/ Senckenberg

Kleiner Zottel: In einem Bernsteinklumpen haben Forschende eine kleine fossile Landschnecke mit behaartem Gehäuse entdeckt. Das nahezu perfekt konservierte Schneckenfossil ist etwa 99 Millionen Jahre alt und rund zwei Zentimeter groß. Der äußere Rand des Schneckenhauses ist mit einem Kranz feiner Borsten besetzt. Die Wissenschaftler vermuten, dass diese Borsten der Schnecke dabei geholfen haben könnten, Halt an Pflanzen und Blättern zu finden.

Bernstein konserviert selbst fragilste Weichteile urzeitlicher Organismen. Das erstarrte, fossile Baumharz bewahrt sie wie in einer Zeitkapsel auf und bietet Paläontologen einzigartige Blicke in die Vergangenheit. Zu den bisher spektakulärsten Funden zählen neben Krabben, Spermien und winzigen Blüten auch Miniatur-Dinosaurier und ein Echsenfuß.

Winziges Weichtier

Ein Team um Jean-Michel Bichain vom Museum für Naturgeschichte und Ethnographie im französischen Colmar hat diese skurrile Sammlung nun um eine haarige Schnecke aus einem in Myanmar entdeckten Bernsteinklumpen erweitert. Die Wissenschaftler tauften ihren Fund auf den Namen Archaeocyclotus brevivillosus, wobei „brevivillosus“ übersetzt so viel wie klein und zottelig heißt. Das beschreibt das Tier bereits sehr treffend.

Schnecke im Bernstein, vergrößert
Archaeocyclotus brevivillosus ist 26,5 Millimeter lang, 21 Millimeter breit und 9 Millimeter hoch. © A. Jochum/ Senckenberg

Denn: „Die fossile Schnecke ist 26,5 Millimeter lang, 21 Millimeter breit und 9 Millimeter hoch. Sie trägt kurze Haare, die den äußeren Rand der Schale säumen und sich an der Schalenöffnung bündeln“, beschreibt Bichains Kollegin Adrienne Jochum das Tier. Die Härchen sind mit gerade einmal 150 bis 200 Mikrometern Länge winzig und erst durch Mikroskopie und 3D-Röntgen-Mikro-Computertomographie erkennbar.

Vielfältig einsetzbare Borsten

Die haarige Schnecke gehört zur Familie der Turmdeckelschnecken (Cyclophoridae), von der bereits acht Arten aus demselben Bernstein-Vorkommen beschrieben wurden. Sechs davon tragen feine Härchen auf der Schale. Doch wozu waren die Borsten gut? Die Paläontologen haben dazu verschiedene Theorien. Einerseits hätten sie den Schnecken als eine Art Hafthaare dabei helfen können, sich an Pflanzen und Blättern festzuhalten. Das sei laut Forschungsteam auch bei heutigen Schneckenarten bereits beobachtet worden.

Die Borsten könnten aber ebenso der Wärmeregulierung gedient haben, „indem sie das Anhaften von winzigen Wassertropfen an der Schale ermöglichten und so als ‚Klimaanlage‘ dienten“, sagt Jochum. Auch als Schutz vor saurer Erde und Fressfeinden, als Tarnung oder als sexuell anziehendes Dekor könnten sie sich laut Forschenden geeignet haben.

Haarige Verwandte

In jedem Fall ist der „kleine Zottel“ nicht allein mit seinem Aussehen. Bei gleich mehreren Familien von Landschnecken, darunter den Laub-, Schnirkel- und Polygyridaeschnecken, sind haarige Gehäuse nichts Ungewöhnliches. Laut Forschungsteam hat sich die borstige Schale im Laufe der Evolution der Landschnecken mehrmals unabhängig voneinander entwickelt. Bei heutigen behaarten Schnecken werden die Borsten von der obersten proteinhaltigen Schalenschicht (Periostracum) des Gehäuses gebildet. (Cretaceous Research, 2022, doi: 10.1016/j.cretres.2022.105359)

Quelle: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen

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